Ein wenig schien es, als konnte RTL es gar nicht erwarten, dass es endlich los geht. Schon fünf Minuten vor Beginn der eigentlichen Primetime begann der Privatsender am Sonntagabend die Live-Übertragung des ersten TV-Triells - und Peter Kloeppel sparte dann auch nicht mit Zurückhaltung: "Sie sind dabei, wenn Fernsehgeschichte geschrieben wird", erklärte der Duell-erfahrene Nachrichten-Anchor ein wenig zu bedeutungsschwanger, ehe er zusammen mit der ehemaligen "Tagesthemen"-Moderatorin Pinar Atalay fast zwei Stunden lang die Fragen an Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz richtete. An jene drei also, die sich um die Nachfolge von Bundeskanzlerin Merkel bewerben.
Ganz so historisch wie es Kloeppels Ankündigung vermuten ließ, wurde es dann aber doch nicht. Sicher, da standen nun drei statt, wie in den vergangenen Wahljahren üblich, zwei Personen im Mittelpunkt. Doch bei Aufbau und Anmutung des Triells orientierte sich RTL an den bisherigen Duellen. Allerdings brauchte es ein wenig, bis die Debatte in Gang kam. "Frau Baerbock, warum kann Olaf Scholz nicht Kanzler?", lautete die erste Frage. Ein Spielchen, auf das sich die Grünen-Politikerin jedoch ebenso wenig einlassen wollte wie wie ihre beiden Herausforderer von Union und SPD, sodass der flott gemeinte Triell-Auftakt ziemlich schnell verpuffte.
Auch sonst verwunderte so manche Frage, so wie jene, wo die Wählerinnen oder Wähler denn besser ihren Urlaub verbringen sollen. "Ostsee oder Malle?", fragte Atalay, bekam jedoch erwartungsgemäß keine echte Antwort, weil die politische Dreierrunde auch hier die Fallstricke schnell durchschauten. Annalena Baerbock kanzelte die Gegenüberstellung gar als "Spaßfrage" ab. Erkenntnisgewinn? Gering.
Dass das Triell lebhafter wurde als nach der Aufwärmrunde zu befürchten stand, lag dann auch weniger an den Fragen von Kloeppel und Atalay als vielmehr an Baerbock, Laschet und Scholz, die sich, wenn auch in ihrem jeweils eigenen Stil, über weite Strecken hinweg einen interessanten Schlagabtausch lieferten. So warf Baerbock ihrem CDU-Kontrahenten vor, einen "Sprechzettel vorzulesen", während Laschet wiederum in Richtung des SPD-Kandidaten ätzte: "Sie können nicht spielen wie Angela Merkel und reden wie Saska Esken."
Viele Themen und ein Fettnapf
Sehenswert war die zweistündige Sendung letztlich aber vor allem deshalb, weil sich das Triell über weite Strecken hinweg auf Inhalte konzentrierte. Ob Afghanistan, Corona, Klima, Steuern und Sicherheit: RTL befasste sich mit den naheliegenden Themen und legte dabei ein durchaus beachtliches Tempo vor. Gleichzeitig bot die Debatte damit einen wohlwollenden Kontrast zum bisherigen Wahlkampf, in dem es bislang vorwiegend um Fehltritte oder Fettnäpfchen ging und eine inhaltliche Auseinandersetzung meist auf der Strecke blieb.
Ganz ohne Fettnapf kam allerdings auch dieser Abend nicht aus. Eigentlich hatte Armin Laschet gerade einen wunden Punkt von Olaf Scholz getroffen und ihn bei dessen Haltung zum Umgang mit der Linkspartei in die Mangel genommen, da überraschte der CDU-Politiker mit einer eigenwilligen Rechnung. Laschets Rat an Scholz: "Ich mach es nicht - drei Worte." Der Kanzlerkandidat korrigierte seinen Fehler zwar schnell, doch die Häme im Netz dürfte Laschet damit trotzdem sicher sein.
Kurz vor dem Ende, bevor es um mögliche Koalitionen ging und die abschließenden Statements geäußert wurden, machten Pinar Atalay und Peter Kloeppel schließlich noch einmal da weiter, wo sie die den Triell-Abend begonnen hatten und forderten Baerbock, Laschet und Scholz dazu auf, sich über gegenseitig zu beurteilen, ausnahmsweise jedoch positiv. "Sagen Sie doch mal was Nettes über Annalena Baerbock", forderte Kloeppel zunächst den SPD-Kanzlerkandidaten auf, der die Grünen-Chefin daraufhin als "ganz engagierte Politikerin" lobte. Die wiederum sah in Armin Laschet eine "rheinländische Frohnatur". Davon war allerdings wenig zu spüren, als der CDU-Chef kurz darauf erklärte, Olaf Scholz habe "unter der Führung von Angela Merkel einen ordentlichen Job" gemacht. Mehr Lob war nicht drin.
Wer als Siegerin oder Sieger aus dem Triell hervorging, darüber dürften in den kommenden Tagen die Fachleute noch ausgiebig streiten. Besonders genau wird man am Sonntagabend aber auch bei ARD und ZDF sowie ProSieben und Sat.1 hingeschaut haben, schließlich werden dort im Vorfeld der Bundestagswahl noch zwei weitere Trielle stattfinden. Dass RTL wesentliche Themenkomplexe bereits abgearbeitet hat, dürfte Herausforderung und Ansporn zugleich sein, Baerbock, Laschet und Scholz in den nächsten Wochen noch etwas mehr zu fordern als es beim ersten Aufeinandertreffen der Fall war. Dass es in diesem Herbst nicht nur eine einzige Debatte gibt, die noch dazu nicht notgedrungen dem Zwang unterliegt, von gleich vier Fragestellern präsentiert zu werden, ist in jedem Fall ein Gewinn.