Ein Kultstatus allein macht noch keinen Sommer - und ebenso wenig eine Eröffnungsfeier für die Sommerspiele in Tokio. Béla Réthy, die langjährige Allzweckwaffe des ZDF-Sports, jüngst beim Finale der Fußball-Europameisterschaft durch den 15 Jahre jüngeren Oliver Schmidt ersetzt, kommentierte das Großereignis in der japanischen Hauptstadt am Freitagnachmittag deutscher Zeit mit demonstrativer Lustlosigkeit.
Schlimmer noch: Seine Kommentare zum Geschehen im Nationalstadion von Tokio waren nicht nur fahrig, sondern mehrfach sogar respektlos. Nicht einmal die Fakten stimmten. Réthy lag so oft daneben, dass seine Co-Kommentatorin Marei Mentlein, Japan-Korrespondentin des ZDF, einem Leid tun konnte. Nicht das erste Mal in diesen Sommer. Nachdem Réthy bei der Fußball-Europameisterschaft für sein Schweigen während des medizinischen Notfalls um den Dänen Christian Eriksen mit Recht gelobt wurde, wirkte er bei späteren Einsätzen schludrig, ein ums andere Mal musste Co-Kommentator Sandro Wagner schon hier Spielernamen korrigieren.
Erwartungsgemäß schnell echauffierte sich der mitteilsame Teil des deutschen Publikums nun auch am Freitag bei der Olympia-Eröffnung in den sozialen Netzwerken über die Leistung des 64-Jährigen. Etwa, als Réthy beim Einlauf der Athletinnen und Athleten des Antillenstaates Antigua und Barbuda kommentierte: “Antigua und Barbuda, oder Barbados auf deutsch.” Oder als die amerikanische Jill Biden für einige Sekunden im Vollbild gezeigt wurde, Réthy aber nur einen Wimpernschlag später, sagte, dass die Präsidentengattin wohl im Stadion sei, die gezeigte Dame es aber nicht war.
Auch beim Einlauf der Delegation aus Guinea wirkte Réthy fahrig, gar uninformiert. Selbst während Sportlerinnen und Sportler ihre Fahne fröhlich in die Kamera schwenkten, beharrte er darauf, dass das Land die Teilnahme an den Olympischen Spielen ja abgesagt hätte. Mentlein wusste es besser und korrigierte Réthy. Guinea hatte am Morgen der Feier wieder zugesagt. Ohnehin ist Mentleins Leistung hoch zu bewerten. Sie punktete mit Fachwissen, guter Stimme und einem hervorragenden Timing, keine einfache Aufgabe neben Réthy.
Über weite Strecken hatte man das Gefühl, Réthy habe die Eröffnungsfeier als Wiedergutmachung für das abhanden gekommene EM-Finale angeboten bekommen und er selbst wenig Lust auf die Marathon-Veranstaltung. Immer wieder ließ er - teilweise recht respektlos - durchblicken, dass sich die Feierlichkeiten aus seiner Sicht doch ganz schön ziehen würden: "Halten sie durch, wir tun‘s auch. Noch 15 Fahnen." Die deutsche Auswahl war da schon lange ins Stadion eingezogen, die restlichen Nationen waren für Réthy wohl weniger spannend.
Und dann war da noch der abschließende Fackellauf, bei dem eine Gruppe greiser Baseballspieler die Fackel einige Meter durchs Stadion trugen - im Schritttempo, weil einer der drei sehr offensichtlich mit körperlichen Einschränkungen kämpfte. Réthys lapidarer Kommentar: “Die lassen sich noch etwas Zeit.” In den sozialen Medien wird mit der dort üblichen eskalierenden Empörung binnen Minuten schon sein Kopf gefordert. In der Tonalität sind diese Kommentare oft ebenso fragwürdig, aber ja: Eine neue Stimme mit spürbarem Interesse und Kenntnis für Großereignisse täte dem ZDF Sport und allen Zuschauerinnen und Zuschauern gut.
Schon bei der Reihenfolge, in der die Nationen ins Stadion einliefen, hatte Réthy wenig Verständnis. Diese richtete sich nach dem japanischen Alphabet und sah Island als erste Nation nach den Griechen und der Delegation der Geflüchteten vor. Als dann nach Irland Aserbaidschan einlief, sagte Réthy: “Endlich mal ein Buchstabe “A”, wie es sich gehört!”. Es ist aber auch wirklich vermessen, dass bei den Olympischen Spielen in der japanischen Hauptstadt das japanische Alphabet zum Zuge kommt! Verbal ließ Réthy sozusagen die Straßenschuhe an beim Besuch im Land der Höflichkeit und Etikette.
Als am Ende die japanische Tennisspielerin Naomi Osaka kurz vor Mitternacht Ortszeit das Olympische Feuer in Tokio entzündete wirkte Réthy fast erleichtert und gab blitzschnell ins Studio zu Katrin Müller-Hohenstein zurück. Nicht aber ohne einen letzten Fauxpas: Osaka spreche nur wenig japanisch meinte er zu wissen, nur um gleich von Japan-Kennerin Mentlein korrigiert zu werden: “Naomi Osaka spricht sehr gut japanisch.”
Und wo war es nun, das Olympia-Feeling? Die Gänsehaut? Die Kreativen hinter der Eröffnungsfeier gaben sich alle Mühe, um es trotz leerer Ränge und Corona-Restriktionen zu erwecken. Über Béla Réthy lässt sich dies freilich nicht behaupten.