Sie schreien „Pussypower“ und stellen sich gegenseitig Fragen wie: „Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie gerne leckt ihr?“ Herzlich willkommen bei „Princess Charming“, der ersten lesbischen Datingshow im deutschen Fernsehen. Zwar hat sich bei TVNow schon zwei Mal ein „Prince“ auf die Suche nach seinem Herzbuben begeben, noch nie jedoch eine Frau nach ihrer Herzdame. Das ist auch mit Blick auf den internationalen TV-Markt ein Novum, wie der RTL-Streamingdienst behauptet: Selbst in den USA, wo „Prince Charming“ seinen Ursprung hat, gab es bislang keinen lesbischen Ableger.
Die Frage sei an dieser Stelle erlaubt: Wieso eigentlich nicht? Nach Ansicht der ersten Folge von „Princess Charming“ stellt sich diese Frage mehr denn je, schließlich unterscheidet sich die Seapoint-Produktion in ihrer Erzählung kaum von Datingshows vergleichbarer Natur.
Die große Stärke der Sendung liegt, ähnlich wie in ihrem schwulen Pendant, gewiss darin, dass die sexuelle Orientierung der Protagonistinnen nicht als Besonderheit bewertet wird. 20 Frauen buhlen um das Herz einer Frau - so what? Dass die Show freilich trotzdem etwas Besonderes ist, weil sie die dringend notwendige Sichtbarkeit schafft, lässt sich an manchen Aussagen der Kandidatinnen ablesen. „Als Teenager hätte ich gerne jemanden in so einer Show gehabt, der Frauen liebt, den ich bewundern kann“, sagt etwa Miri. Und ihre Mitstreiterin Johanna betont: „Ich bin lesbisch, stolz drauf und sage das auch gerne laut.“
Dabei war es gar nicht der ursprüngliche Plan, dass „Princess Charming“ einzig auf Frauen steht. Vielmehr hatte TVNow zunächst angekündigt, eine bisexuelle Frau in den Mittelpunkt der Show zu stellen, um die gleichermaßen Frauen wie Männer kämpfen. Am Ende fiel die Wahl dann aber doch auf die Rechtsanwältin Irina, deren Herz ausschließlich für Frauen schlägt - und ähnlich wie beim ersten „Prince Charming“ haben die Verantwortlichen bei der Besetzung ein gutes Händchen bewiesen. Die 30-Jährige füllt die Rolle bestens aus und bewahrt selbst dann die Ruhe, wenn die Verehrerinnen ihr etwas zu sehr auf die Pelle rücken.
So wie Kandidatin Sonja, die erst von Selbstzweifeln geplagt ist, dann aber umso hartnäckiger auf Tuchfühlung mit der TV-Prinzessin geht und sie schließlich mit Komplimenten förmlich überschüttet. Weil die Österreicherin später jedoch mit ihrer bemerkenswert selbstbewussten Kontrahentin Ulle derart aneinandergerät, dass wohl mehr als nur die Fetzen fliegen, müssen die beiden gehen, noch bevor Irina überhaupt ihre erste Entscheidung treffen konnte. Der Rauswurf wird seine Gründe gehabt haben, dürfte der Produktion aber nicht leicht gefallen sein, immerhin hätten Sonja und Ulle mit Sicherheit das Zeug dazu gehabt, auch den Rest der Staffel gehörig aufzumischen.
Sieht man mal von dieser unerwarteten Eskalation ab, die offenbar so drastisch war, dass einzig ein Schrei und eine Hinweistafel während der Sendung von ihr erzählen, wirkt „Princess Charming“ über weite Strecken hinweg sehr routiniert, ja beinahe schon vertraut. Das mag damit zusammenhängen, dass die Staffel in derselben griechischen Villa gedreht wurde wie „Prince Charming“ und dem bewährten Kuppel-Grundrezept kaum neue Zutaten hinzugefügt wurden, sieht man mal davon ab, dass am Ende jeder Folge Ketten statt Krawatten vergeben werden. Das ist ein wenig schade, trübt aber nicht den Unterhaltungswert. Nur etwas mehr Biss in den Off-Kommentaren hätte der Show sicher gut zu Gesicht gestanden.
Aber wahrscheinlich ist der Fokus auf Frauen ohnehin vorerst Novum genug. Dass perspektivisch aber noch mehr geht, zeigt zugleich die Aussage einer non-binären Kandidatin: „Der Regenbogen ist groß“, sagt sie in der ersten Folge. Und: „Es gibt noch viele Farben, die wir zeigen müssen.“
"Princess Charming", dienstags bei TVNow