Jan Böhmermann ist mit dem "Neo Magazin Royale" in den vergangenen Jahren allgegenwärtig gewesen. Erdogan hier, Varou- und Verafake da, dazu noch "Prism is a dancer" oder auch "Ich hab Polizei" und viele andere Aktionen machten die Sendung zu einem popkulturellen Phänomen, das dem kleinen ZDFneo regelmäßig gute Quoten, vor allem aber viel Prestige bescherte. Von daher überraschte es nicht, dass das ZDF im September 2019 ankündigte, Böhmermann endlich ins Hauptprogramm zu holen. Für Verwunderung sorgte damals aber die Tatsache, dass Böhmermann ankündigte, sich fast ein ganzes Jahr Zeit zu nehmen, um das neue Format zu entwickeln.
Mit ein bisschen Abstand lässt sich jetzt festhalten: Es war gut, dass sich Böhmermann und sein Team diese Zeit genommen haben. Die erste Ausgabe kam im November noch etwas hüftsteif daher, aber innerhalb weniger Wochen haben Böhmermann und die neue Produktionsfirma Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld das Format so weiterentwickelt, dass es inzwischen relevanter ist als viele andere Sendungen, auf denen nicht der Stempel "Satire" klebt. Und gleichzeitig kann man als Zuschauer des "ZDF Magazin Royale" auch wieder lachen.
Den Grundstein dafür wurde aber freilich schon in den Wochen vor dem Start gelegt. Denn tatsächlich hat das heutige "ZDF Magazin Royale" nicht mehr viel zu tun mit dem namensähnlichen Vorgänger-Format. Das ZDF bewarb den Start der neuen Böhmermann-Sendung vor einigen Monaten unter anderem mit den Schlagworten, "Unterhaltung, Überraschung und Erkenntnisgewinn". "Journalistisch fundiert" solle es zugehen, hieß es. Das haben viele Beobachter damals sicher als billige PR abgetan. Doch heute ist das "ZDF Magazin Royale" vor allem das: Journalistisch fundiert.
Themen werden journalistisch aufbereitet
So tut man sich schon mal mit dem "Handelsblatt" zusammen, um über Wirecard und dessen untergetauchten Ex-Vorstand Jan Marsalek zu berichten. Oder recherchiert mit einem anderen Team von Journalisten über die europäische Grenzschutzagentur Frontex, um dann dieser Falschaussagen zu Treffen mit Lobbyisten aus der Rüstungsindustrie nachzuweisen und das auch mit Fakten zu belegen. In beiden Fällen wurden die Recherchen mit umfassenden Online-Präsenzen begleitet. Weitere Themen, mit denen Böhmermann Relevanz geschaffen hat, waren etwa Sendungen zu Atommüll, Michael Ballweg von der Querdenken-Bewegung, Rassismus bei der Polizei oder Online-Glücksspiel. Mit einer Sendung über den immer knapper werdenden Rohstoff Sand wandte sich Böhmermann außerdem einem Thema zu, das in der breiten Öffentlichkeit noch nicht sehr tief verankert ist.
Zuletzt mischte Böhmermann auch die Medienbranche auf. So nahm er die deutsche Regenbogenpresse auseinander und brachte gleich ein eigenes Klatschmagazin auf den Markt, was bei den Verlagen weniger gut ankam (DWDL.de berichtete). Den Humor und die Kreativität hat Böhmermann trotz der vielen ernsten Themen nicht verloren. Das wird auch immer dann deutlich, wenn er Aktionen fernab seines Schreibtischs umsetzt. In Anlehnung an einen Song des WDR-Kinderchors, der mit dem Song "Oma ist 'ne alte Umweltsau" für viel Aufregung sorgte, ließ Böhmermann einen Kinderchor zum Thema Corona singen. Außerdem setzte er "Jana aus Kassel - Das Musical" um und versuchte sich in einer Neu-Interpretation von Rudi Carrells Song "Showmaster ist mein Beruf".
Bei der Vielzahl an Ausgaben bleibt es aber natürlich nicht aus, dass manche Folgen weniger gut sind als andere. Zuletzt etwa widmete sich Böhmermann dem deutschen Film und der Filmförderung. Tenor: Zu teuer, zu wenig innovativ und zu männerlastig. Das mag zwar alles stimmen, aber im Gegensatz zu anderen Ausgaben fehlte es hier an einem echten Clou. Auch das Innenpolitiker-Ranking war erkenntnisarm und für Menschen, die in Österreich leben, war auch die Folge über die Machenschaften der Tiroler Politik und der dortigen Seilbahnbetreiber allenfalls eine Aneinanderreihung der längst bekannten Fakten.
Nicht alles kann klappen
Solche eher erkenntnisarmen und wenig spektakulären Folgen kann es aber gerne weiterhin geben, wenn die Show durch einen Großteil der anderen Ausgaben relevant bleibt. Das ist man inzwischen übrigens auch immer häufiger mit Musik. Hier gibt Böhmermann nämlich Künstlern einen Platz, die zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen - und manchmal auch den Finger in die Wunde legen. Danger Dan und Igor Levit performten etwa zusammen mit dem Rundfunktanzorchester Ehrenfeld ihren Song "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt". Rapperin Nura präsentierte ihren Song "Niemals Stress mit Bullen". Überhaupt, durch das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld ist das "ZDF Magazin Royale" noch einmal besser als so viele andere Sendungen. Immer wieder lässt sich das Ensemble kreative Adaptionen bekannter Songs einfallen - bis hin zu einer herrlichen Neuinterpretation der "Rainbow Road"-Titelmusik von Mario Kart. Und alle Blasinstrument-SpielerInnen sind nach wie vor ganz coronakonform in einem anderen Studioteil verstaut. Obwohl das wohl nicht als Dauerlösung gedacht war, hat es sich gut etabliert.
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Und auch die Tatsache, dass Böhmermann mit dem Wechsel ins Hauptprogramm weniger Sendezeit hat, hat dem Format nicht geschadet - im Gegenteil. Waren Talks früher oft ein Abschaltgrund, werden diese jetzt nur noch angeteasert und dann im Netz fortgesetzt. Wer die Show in der Mediathek sieht, kann bei Interesse auf diese Weise direkt weiterschauen.
Wie gesagt: Das "ZDF Magazin Royale" ist eigentlich kaum mehr mit dem "Neo Magazin Royale" zu vergleichen, besitzt aber dennoch einen extrem hohen Wiedererkennungswert. Die Produktionsfirma Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld und Jan Böhmermann haben hier ein Format geschaffen, das im deutschen Fernsehen seines gleichen sucht, sowohl in Sachen Relevanz als auch in der Unterhaltung. Und trotz des Fokus auf journalistische Recherchen hat man sich eine breite Spielfläche bewahrt, innerhalb derer man so ziemlich alles umsetzen kann, was denkbar ist. Zum Glück hat man sich genug Zeit für die Entwicklung genommen. Nur schade, dass die Sommerpause schon Anfang Mai beginnt.
Das ZDF zeigt die letzte Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" vor der Sommerpause am Freitag, den 7. Mai, ab 23 Uhr.