Alexander Bojcan hatte schon diverse Shows im Fernsehen. Unter seinen Künstlernamen moderierte er „Die Kurt Krömer Show“, später „Krömers“,„Krömer - Die internationale Show“ und noch später „Krömer - Late Night Show“. Der Name war gewissermaßen Programm und für manches davon erhielt er den Fernsehpreis, den Comedypreis, ja sogar den Grimme-Preis. Sicher völlig verdient, doch was Krömer in all seinen Sendungen machte, hat sich für mich nur in seltenen Momenten erschlossen.
Fünf Jahre lang war Bojcan nicht im Fernsehen in Erscheinung getreten. Dass er sich 2019 zur Rückkehr entschloss, hat einiges verändert. Vor allem in meiner Wahrnehmung: Seit der Berliner in seiner neuen, von Friedrich Küppersbusch produzierten Sendung „Chez Krömer“ prominente Gäste zum Verhör einlädt, bin ich Fan. Und glücklicherweise geht es offensichtlich auch vielen anderen so: Im linearen RBB-Programm kein Hit, erreichen die einzelnen Ausgaben bei YouTube oft mehr als eine Million Abrufe, was für ein vermeintliches Nischenprogramm einen riesigen Erfolg darstellt.
Gerade erst ist die vierte Staffel von „Chez Krömer“ zu Ende gegangen, die womöglich auch deshalb noch ein Stück weit intimer daherkam, weil durch die Pandemie bei den Aufzeichnungen kein Publikum im Studio erlaubt war. So war es Krömer möglich, die ehemalige AfD-Chefin am Ende eines halbstündigen Verbalkampfes einfach alleine hinter ihrem Pult stehen zu lassen - vor leeren Rängen, bemüht lächelnd und noch mit Krömers Schlussansage in den Ohren: „So, Frau Petry, vier Jahre waren Sie in der AfD gewesen. Ich würde sagen, Historiker werden schreiben: Das war ein Vogelschiss in der deutschen Geschichte.“
Abgang, Musik. You are the one for me. Formidable.
Auch Thomas Hornauer, der einst mit mit fragwürdigen Telefon-Hotlines zu Reichtum kam, einen regionalen Fernsehsender zugrunde richtete und sich inzwischen als König eines eigenen Reiches erachtet, machte aus seiner Unzufriedenheit über den Gesprächsverlauf, der noch einmal zahlreiche Verfehlungen ans Tageslicht holte, keinen Hehl. „Schade, dass wir aus der Gelegenheit nicht mehr herausgeholt haben“, sagte Hornauer in bestem Schwäbisch und fügte an: „Ich hätte mir ein besseres Niveau von Ihnen und Ihrem Team erwartet.“
Krömers Konter: „Wollen wir es so machen, dass wir alles aufs Team schieben und wir uns verstanden hätten, wenn das Team nicht wäre?“
Hornauer: „Ich nehme alles auf mich selber.“
Krömer: „Okay, das wäre toll, Dann würde ich nicht so doof darstehen.“
Es sind Dialoge wie diese, die mich zum Krömer-Fan haben werden lassen. Seine fehlende Scheu, Unsympathen, Dampfplauderern und Idioten zu signalisieren, wie gelangweilt er von ihnen ist, ist unerreicht im deutschen Fernsehen. Immer wieder lässt er sie wahlweise auf- oder ins Leere laufen. Das haben nicht nur Petry und Hornauer zu spüren bekommen, sondern in der Vergangenheit auch Erika Steinbach oder Marcus Prinz von Anhalt, der jüngst in der Sat.1-Show „Promis unter Palmen“ durch homophobe Bemerkungen fragwürdige Schlagzeilen produzierte.
„Chez Krömer“ ist ein ständiger Drahtseilakt und Krömer ist es offenkundig völlig egal, ob er oder sein Gast ins Wanken gerät oder gar abzustürzen droht. Ja, es scheint gar, als sei es ihm sogar wurscht, ob seine Sendung völlig lustig oder absolut ernsthaft ist. Oder wahnsinnig bewegend, so wie im Falle von Torsten Sträter, dem er sichtlich angefasst von seiner Depression erzählte - und zwar nicht in der Rolle des Kurt Krömer, sondern als Alexander Bojcan. Diese Grenze zu überwinden, den fiktiven Kurt immer häufiger mit dem echten Alexander zu vermischen, ist wahrscheinlich der triftigste Grund dafür, warum mir dieser Krömer heute so viel näher ist als noch vor zehn oder 15 Jahren.