Offensichtlich scheint es ein altes Fernsehgesetz zu geben, das besagt, dass jede neue Late-Night-Show mit einem einigermaßen aufwendigen Sketch beginnen muss. Das war jüngst bei „Late Night Alter“ der Fall und das hat die Produktionsfirma Seapoint nun auch bei „Studio Schmitt“ so gehandhabt. Da gibt es eine amüsante Verfolgungsjagd, einen gülden glitzernden Anzug und Promis wie Kai Pflaume oder Carolin Kebekus - aber dann? Kaum ist der Vorspann gelaufen und das Licht im Studio erleuchtet, bleibt die Unterhaltung schnell auf der Strecke.
In schöner Regelmäßigkeit wirkt es, als werde in den ersten Minuten all das Lachpulver verschossen und der gesamte Hirschmalz verbraten. Nur die eigentliche Sendung, die eben nicht wie ein zeitloses Einspielfilmchen von langer Hand vorbereitet werden kann, sondern möglichst auf aktuelle Ereignisse reagieren soll, gerät dabei leider bisweilen ins Hintertreffen. Und so wirkt Tommi Schmitt, der sich als eine Hälfte des Podcast-Hits „Gemischtes Hack“ einen Namen gemacht hat und die Late-Night-Welt durch seine Autoren-Jobs für Luke Mockridge oder Klaas Heufer-Umlauf bestens kennt, bei seinem ZDFneo-Einstand als „Nachbar von Horst Lichter und Inspector Barnaby“ trotz all seiner Coolness und Lockerheit mitunter ziemlich verloren in seinem neon-beleuchteten Studio.
Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass Schmitt tragischerweise vor leeren Rängen spielen muss. Eigentlich eine gewohnte Situation für den 32-Jährigen, doch was in intimer Podcast-Atmosphäre bestens funktioniert, kann vor laufenden Kameras schnell schiefgehen. Und weil niemand lacht oder klatscht, verdursten die meist lauen Gags ("Sommerhaus des Sars") entweder schon auf halbem Wege oder geraten schnell in Vergessenheit, weil gegen die drohende Stille gleich der nächste halbgare Oneliner hinterhergeschoben wird. Auf diese Weise verkommt das Stand-Up schnell zur lästigen Fließbandarbeit.
"Wie riecht das Büro von Giovanni di Lorenzo?"
Ohnehin will es nicht so recht einleuchten, wieso dem einsamen Moderator nicht mit Lachern vom Band unter die Arme gegriffen wird, schließlich beginnt und endet die Sendung ja ohnehin mit eingespieltem Applaus. Vor diesem Hintergrund macht die selbst verordnete Ruhe erst recht keinen Sinn. Das gilt auch für die unlustigen Erläuterungen, die ein Sidekick verliest, um den Talk mit der stellvertretenden „Zeit“-Chefredakteurin und True-Crime-Podcasterin Sabine Rückert einzurahmen, die sich jedoch glücklicherweise als dankbarer Gast entpuppt, weil sie schlagfertig ist und Lockerheit in die noch etwas steife Veranstaltung bringt.
„Lust nicht, aber ich werde wohl antworten müssen“, ätzt Rückert, als sie vom Moderator gefragt wird, ob sie sich auf ein Spiel einlassen will, in dem es zu erraten gilt, ob ein geschilderter Mordfall „true“ oder „fake“ ist. Das könnte lustiger sein, hat aber zumindest gute Momente. Es ist ja auch nicht alles schlecht, etwa die Diskussion um das Gendern, der sich Tommi Schmitt mit einem Zwiegespräch im Inneren seines Kopfes nähert ("Frontallappen 21"). Dass Tommi Schmitt seinen Gast in bester „b.trifft“-Manier mit einem schnellen Fragenfeuer („Warum hat jeder einen Podcast?“ oder „Wie riecht das Büro von Giovanni di Lorenzo?“) aus der Reserve zu locken versucht, bringt zudem erstmals echtes Tempo in die Show, und auch das anschließende Gespräch mit der Journalistin ist souverän geführt.
Tatsächlich wirkt Tommi Schmitt immer dann souverän, wenn er sich nicht an sein Manuskript hält oder Witzchen vom Teleprompter ablesen muss. Genau das ist dann auch die gute Nachricht nach einer eher schleppenden halben Stunde: „Studio Schmitt“ besitzt Potenzial. Um es nicht nur vereinzelt aufblitzen zu lassen, könnte es schon helfen, die Late-Night-Fesseln noch ein wenig mehr zu lockern. Das ist nämlich nicht verboten. Altes Fernsehgesetz, Sie wissen schon.
"Studio Schmitt", donnerstags um 22:15 Uhr bei ZDFneo und schon ab 20:15 Uhr in der ZDF-Mediathek