Liest man die Statements und Interviews, die das ZDF in die Pressemappe zu „Doktor Ballouz“ gepackt hat, dann könnte der Eindruck entstehen, dass die neue Serie ziemlich schnulzig geraten ist. Er sei „der Arzt, auf den wir gewartet haben in diesen Zeiten“, schreibt etwa die stellvertretende ZDF-Programmdirektorin Heike Hempel. „Warmherzig und aufrichtig, empathisch, klug, kompetent und vertrauenswürdig – einer der leisen, zurückhaltenden Art, der nicht viel Worte macht, aber bleibt, wenn es eng wird.“ Und Redakteur Bastian Wagner zeichnet das Bild von einem Arzt „mit ganzem Herz“ und einer „sehr besonderen Art“.
Das alles lässt nicht gerade auf spannende und mitreißende Geschichten hoffen. Zum Glück hält „Doktor Ballouz“ mehr als es die Zitate versprechen. Schauspieler Merab Ninidze ("McMafia") gibt besagtem Arzt ein Gesicht. Und der ist, das wird schon in den ersten Minuten sichtbar, tatsächlich ein guter Mensch. Aber eben auch einer mit eigenen Sorgen und Nöten. Über den Tod seiner Frau kommt Ballouz nur schwer hinweg, weil er ihr selbst mit all seiner Erfahrung nicht helfen konnte, als sie schwerverletzt in die Klinik eingeliefert wurde, in der er als Chefarzt arbeitet.
Das Krankenhaus liegt in der Uckermark - und nicht nur deshalb ist „Doktor Ballouz“ das ziemlich genaue Gegenteil vom „Bergdoktor“, der bis zuletzt auf dem Donnerstags-Sendeplatz für Rekord-Quoten sorgte. Anders als der höchst erfolgreiche Dauerbrenner kommt die neue Serie nicht als leichte Kost daher, schon alleine, weil Blut, Schnitte und Spritzen sehr explizit gezeigt werden. Dazu kommt ein hohes Maß an Einzelschicksalen: Alleine in der ersten Folge geht es nicht nur um Ballouz’ schwere Rückkehr in den Klinik-Alltag , sondern auch um einen Tumor-Patienten, die Rettung eines Ungeborenen und die Ängste eines Mädchens, ins Heim zu müssen.
Um das Mädchen kümmert sich Doktor Ballouz erstaunlich rührend und einer jungen Ärztin, die von Selbstzweifeln getrieben kotzend über der Kloschüssel hängt, spricht der Mann mit Vorliebe für knittrige Trenchcoats Mut zu. „Wird der Patient sterben?“, fragt er sie und bringt es schließlich auf den Punkt: „Das ist ja auch Scheiße.“ Ihm selbst sei es am Anfang genauso gegangen. „Und ich habe es immerhin zum Chefarzt gebracht.“
Das alles liest sich womöglich, ähnlich wie die eingangs erwähnten Zitate, kitschiger als es ist. Zum Glück, möchte man anfügen. „Doktor Ballouz“ ist weit entfernt von klassischen Herzschmerz-Geschichten - weil es hier eben nicht immer ein Happy End gibt, einerseits. Und weil Headautorin Conni Lubek Figuren erschaffen hat, die nicht schablonenhaft daherkommen. Regisseur Andreas Menck gelingt es, die vielen stillen Momente nachhallen zu lassen, gleichzeitig aber das Tempo hochzuhalten. Und dankenswerterweise darf zwischen all den Hiobsbotschaften, die in der Serie erzählt werden, vereinzelt auch gelacht werden.
Dazu kommt die großartige Leistung des Hauptdarstellers, der diesen eigenen, ja manchmal etwas altmodischen, und vielen Momenten traurigen Arzt glaubhaft verkörpert. Merab Ninidze ist die ideale Besetzung für den Doktor, den es im Übrigen auch im wahren Leben gibt. Die größte Stärke der von X Filme produzierten Serie aber liegt in dem, was gar nicht explizit thematisiert wird: Dass Ballouz ein Migrant ist. Dies nicht besonders auszustellen, schreibt Conni Lubek im Begleitmaterial, sei „durchaus als Statement zu verstehen“. Auch hier bricht „Doktor Ballouz“ also mit den anfänglichen Erwartungen. Eine schöne Überraschung.
"Doktor Ballouz", donnerstags um 20:15 Uhr in Doppelfolgen im ZDF. Alle Folgen stehen zudem bereits in der ZDF-Mediathek zum Abruf bereit.