Über den alternden Rockstar unter den Fernsehsendern schrieb mein Kollege Manuel Weis erst vor wenigen Wochen. Vox lebt derzeit noch komfortabel von seinem guten Image und einigen starken Formaten, die in den Anfangsjahren von Ex-Senderchef Bernd Reichart gestartet wurden. Zuletzt fehlten aber die erfolgreichen neuen Ideen, sowohl im Non-Fiktionalen wie auch Fiktionalen, wo Vox nie ansatzweise an den Überraschungserfolg von "Club der roten Bänder" anknüpfen konnte.
Doch ganz unabhängig vom Erfolg beim Publikum enttäuschten zuletzt einige Ideen des Senders auch inhaltlich, weil sie es nicht vermochten, die über Jahre kultivierte Handschrift des Senders erkennbar zu machen, Fernsehen mal etwas anders anzugehen. Eine gewöhnliche Gameshow mit Mirja Boes (und Kindern, die doch angeblich immer ziehen) war beispielsweise so egal, dass sie einfach nicht gebraucht wurde. Gewöhnlich ist für Vox zu wenig.
Umso wichtiger ist ein ungewöhnliches TV-Event wie "Showtime of my Life - Stars gegen Krebs". Die von Guido Maria Kretschmer präsentierte Sendung, bei der Motsi Mabuse und Joachim Llambi als künstlerische Paten an Bord sind, kann man wohl als Inbegriff des sonst eher sperrigen Genres des Factual Entertainment bezeichnen. Vordergründig trainierten acht prominente Frauen und acht prominente Männer für eine unterhaltsame Stripshow.
Doch was Vox und Seapoint Productions jetzt an zwei Abenden erzählen, legt mehr frei als nackte Haut: Es geht um die Dringlichkeit der Krebsvorsorge - für sich genommen nicht gerade Primetime-Unterhaltung. Mit dabei sind in der Ladies Night Nicole Staudinger, Stefanie Hertel, Ulla Kock Am Brink, Mirja Du Mont, Mimi Fiedler, Elena Carrière, Lili Paul-Roncalli und Nadine Angerer, bei der Mens Night: Bastian Bielendorfer, Faisal Kawusi, Jimi Blue Ochsenknecht, Jochen Schropp, Marco Russ, Philipp Boy, Thorsten Nindel und Uli Roth.
Ignorieren wir für einen Augenblick die ersten Minuten der beiden Sendungen, dazu kommen wir später. "Showtime of my Life" hält danach auf bemerkenswerte Art die Balance zwischen Effekthascherei und ehrlichem Anliegen, weil einerseits Gastgeber wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre persönlichen Geschichten und die daraus resultierende Motivation zu diesem Abenteuer darlegen und andererseits die gesamte Reise von der Zusage bis zur finalen Performance nachvollziehbar erzählt wird.
Weitgehend dokumentarisch, eben ohne Showkulisse. Man fühlt mit, gleich im doppelten Sinne. Bei den Krebs-Geschichten bzw. Ereignissen während der Produktion ebenso wie bei den Vorbereitungen auf das große Abenteuer des Striptease auf der Showbühne. Sich in Gameshows für den guten Zweck mitunter auch zum Kasper zu machen, ist mittlerweile üblich. Die Hüllen fallen zu lassen und sich nackt zu präsentieren - es bringt eben eine ganz andere Fallhöhe mit sich, über die sich mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder Gedanken machen.
Hier ist niemandem etwas egal
Man spürt: Hier sind alle wirklich investiert, selbst ich als Zuschauer. Hier ist niemandem etwas egal. Das ist es - und das ist wunderbar. Egales Fernsehen gibt es wirklich schon zu oft. Eine wunderbare Dynamik entwickeln bereits die ersten Aufeinandertreffen: Die Frauen treffen sich in einem Kölner Loft, die Männer im Kölner Gloria-Theater - und hier wie dort merkt man unmittelbar, wie sich alle angesichts des Ziels einer Stripshow mal mehr, mal weniger subtil miteinander vergleichen.
Plötzlich werden aus Prominenten einfach Menschen. Talent, Erfolg und Ruf sind egal - bei "Showtime of my Life" reduziert es sich zum Wohle der Sache aufs einfache Menschsein, eine der sympathischen Komponenten der Sendung. Menschen, die sich vorher nicht kannten, kommen sich über ein gemeinsames Thema näher, das keinen Unterschied macht wie prominent man ist. Anders als in vielen Promi-Gameshows würde es hier niemandem helfen, eine Show abzuziehen. Und es macht auch keiner.
Das große Finale und die Proben auf dem Weg dahin sind der rote Faden, an dem wir uns durch den Abend ziehen. Natürlich ist die nackte Haut das Lockmittel für den Einschaltimpuls. Dann aber rührt die Sendung im einen Augenblick zu Tränen, amüsiert im nächsten bis zum lauten Auflachen, so wie es einst "Club der roten Bänder" in der Vox-Primetime gelang. Es könnten also zwei rundum gelungene Fernsehabende sein, die ans Herz gehen und einen nochmals zur Vorsorge mahnen.
Leider sind es die ersten Minuten beider Abende, die der sonst so bemerkenswerten Produktion unnötig Zauber rauben. Aus purer Angst vor dem ungeduldig umschaltenden Publikum hat sich in den vergangenen Jahren die schreckliche Unart etabliert, in zu langen Vorschauen schon vorweg zu nehmen, was das Publikum später in der Sendung erwarten wird. Gerade bei "Showtime of my Life" nimmt man sich damit viel Identifikationspotential, weil ich als Zuschauer eben nicht mehr so ahnungslos und aufgeregt an das Projekt herangehe wie die Protagonistinnen und Protagonisten selbst.
"Showtime of my Life - Stars gegen Krebs" am Montag und Dienstag um 20:15 Uhr bei Vox