Niemand kann nach dieser Dreiviertelstunde behaupten, Jens Heinz Richard Knossalla sei nicht motiviert gewesen. "Ist das geil? Ist das geil? Ist das geil?", ruft der Mann, den alle nur "Knossi" nennen, immerzu und beinahe außer Atem – ganz so, als könne er selbst kaum glauben, dass er neuerdings der Moderator einer von Stefan Raab produzierten Late-Night-Show ist, deren Anmutung doch sehr stark an "TV total" erinnert, auch wenn ein Praktikant das Raab'sche Nippelboard heimlich, still und leise aus dem Schreibtisch entfernt zu haben scheint.
Tatsächlich ist es schon ein bisschen witzig, wie es dazu gekommen ist. Versteckt in den unendlichen Weiten von TVNow, ließ RTL vor wenigen Wochen ein paar mehr, vor allem aber weniger begabte Promis vor die Kamera treten, um sich als Late-Night-Azubis "roasten" zu lassen. Und weil besagter Knossi, eigentlich Internet-Star mit einem Faible, die Jugend für Online-Glücksspiele zu begeistern, dort eine erstaunlich gute Figur machte, hat er gleich die gesamte Show im Spätprogramm von RTL gewonnen.
Diese hört auf den Namen "Täglich frisch geröstet", was schon deshalb Quatsch ist, weil sie von Beginn an weder täglich und schon gar nicht frisch war – und neuerdings nicht mal mehr jemand geröstet wird. Dafür wäre allerdings wahrscheinlich ohnehin keine Zeit geblieben, schließlich führt Knossalla derart aufgedreht durch die Sendung, dass man als Zuschauer gut beraten ist, im Anschluss zur Beruhigung erst mal eine Stunde lang Bob Ross beim Malen zuzusehen. Dass er kurz vor dem Ende hastig ein Insekt verschlingt, das ein Gast in Anlehnung an die Dschungelshow mitgebracht hat, kann nach 45 Minuten keinen mehr ernsthaft überraschen. Außer vielleicht Evelyn Burdecki, die sich allerdings mehr für die Frage interessiert, "ob Krebse kacken können", wie sie sagt.
Ohne Raab - und ohne Gefahr
Eines muss man Knossi lassen: Trotz fehlender Bühnenerfahrung führt er erstaunlich souverän durch die Show, die trotz des jungen Alters des Moderators aber auf verstörende Art und Weise aus der Zeit gefallen scheint. Hätte RTL nicht dankenswerterweise neben seinem Logo den Zusatz "live" eingeblendet, man hätte sich schnell in den Nuller-Jahren wähnen können. Schlechte Merkel-Parodien, Peter-Maffay-Witze und die Ankündigung, dass gleich das "Nachtjournal" mit Heiner Bremer folgt, wirken, als habe Produzent Raab seinem Schützling aus Versehen ein altes Skript auf dem Schreibtisch hinterlassen. Dazu Anspielungen auf Hütchenspieler Salvatore und Karl Klammer – fertig ist die nächtliche Zeitreise.
Da passt es gut ins Bild, dass Knossalla selbst bisweilen wie die "Switch"-Parodie auf Stefan Raab daherkommt, so oft wie er "Meine Damen und Herren" sagt. "Switch"-Feeling kommt auch an anderer Stelle auf: In einem kurzen Einspieler darf Martin Klempnow als Robert Geiss in "Roberts Koch-Insitut" glänzen und die täglichen Carbonara-Fallzahlen verlauten lassen. Sein Rat: "Regeln befolgen oder der Arsch hat Kirmes." Und zu sehen, wie Jens Knossalla dem RTL-Sendezentrum einen Besuch abstattet, um erst einen Corona-Test zu absolvieren und schließlich Katja Burkard bei der Arbeit zu stören, erinnert wiederum an "Raab in Gefahr". Nur eben ohne Raab. Und ohne Gefahr.
Man kann Stefan Raab nur dazu beglückwünschen, es geschafft zu haben, dem größten ProSieben-Konkurrenten eine allenfalls mittelmäßige Kopie seiner früheren Show zu verkaufen. Gleichwohl darf man gespannt sein, wie sich "Täglich frisch geröstet" als krasser Gegenentwurf zum "ZDF Magazin Royale" oder "Late Night Berlin" in den kommenden Wochen entwickeln wird. Auf ein im Fernsehen weitgehend unverbrauchtes Gesicht als Host zu setzen, ist jedenfalls mutig, und im Vergleich zu den ersten Folgen, in denen Ralf Moeller oder Jorge Gonzalez auf verlorenem Posten ein schlechtes Stand-Up aufsagten, wirkt die jetzige Show geradezu wie ein Quantensprung.
Und wer weiß: Vielleicht gelingt es besagtem Jens Heinz Richard Knossalla ja tatsächlich, dem Late-Night-Genre in Deutschland auf Dauer neues Leben einzuhauchen. Sollte ihm das gelingen, hätte er sich einen Raab der Woche redlich verdient.
"Täglich frisch geröstet", dienstags und donnerstags um 23:15 Uhr bei RTL