Die Teilnehmenden werden aber auch Jahr für Jahr unbekannter. Zuschauerkritik dieser Art sah sich das RTL-Dschungelcamp bereits vor den vergangenen Staffeln ausgesetzt, doch nie stimmte sie mehr als 2021 und selten machte der Sender auch so wenig Hehl daraus. Warum auch? Das Dschungelcamp, wie das deutsche Fernsehpublikum es seit 14 Staffeln kennt, ist 2021 nicht möglich. Es ist das nächste TV-Format, das sich in Zeiten einer weltweiten Pandemie nicht umsetzen lässt. Ganz darauf verzichtet wird aber nicht. Ähnlich wie der britische Sender ITV bleibt also auch RTL in dieser Fernsehsaison lieber im eigenen Land, zieht aber anders als die Briten nicht auf eine Burg in North Wales, sondern in ein Fernsehstudio vor den Toren Kölns und entschied sich in diesem Zuge für eine Art Vor-Casting für die nächste reguläre Staffel, die (hoffentlich) 2022 möglich wird.
So kommt die eigentliche Speerspitze der deutschen TV-Trash-Unterhaltung 2021 also aus Hürth vor den Toren Kölns. Von da, wo einst die allererste "Big Brother"-Staffel entstand und wo Günther Jauch seit mehr als zwei Jahrzehnten fragt, wer denn nun Millionär wird. So weit, so logisch. Angesichts der pandemischen Lage dürfte niemand erwarten, dass ein ganzer TV-Tross bis ans Ende der Welt reist. Doch wie groß die Akzeptanz beim Zuschauer für die nun konzipierte Dschungelshow sein wird, dürfte in den kommenden zwei Wochen unmittelbar mit der individuellen Erwartungshaltung des Publikums zusammenhängen. Wer einschaltet, um ansatzweise etwas Ähnliches wie das Dschungel-Original zu sehen, dürfte schon am ersten Abend recht schnell mit hängenden Mundwinkeln vor dem Bildschirm gesessen haben.
Der Hürther Dschungel lässt die Reality-Fangemeinde gleich an mehreren Stellen irgendwie ratlos zurück. Das fängt schon bei den zwölf Teilnehmenden an, die zwar eine Spur unbekannter sind als in den Jahren zuvor, aber zumindest den hart gesottenen Realityshow-Fans ein Begriff sind. Und der weiß sowieso, dass der Entertainmentfaktor nicht mit dem Bekanntheitsgrad steigt. Unverständlicher (und vom erneut gut eingespielten Moderatoren-Duo Sonja Zietlow und Daniel Hartwich erst nach 45 Sendeminuten ausführlicher erklärt) ist, warum in der ersten Folge in Gottes Namen nur drei der zwölf versprochenen Promis auftauchen. Anders als bei der neuen "Bachelor"-Staffel, in der einige Single-Damen corona-bedingt einen Spätstart hinlegen, ist das Fehlen von drei Vierteln der Belegschaft in den Episoden der Dschungelshow Teil des Konzepts. Ex-"Bachelor" Oliver Sanne? Fehlanzeige. "Prince Charming"-Gewinner Lars Tönsfeuerborn? Kommt erst noch. Schauspielerin Bea Fiedler? Wartet noch auf ihre 72 Stunden im Tiny House.
Die von RTL nur halbherzig erklärten Spielregeln sehen vor, dass immer drei Teilnehmende drei Tage lang in einem knapp 20 Quadratmeter kleinen Tiny House wohnen – das heißt auch: RTL wagt den ungewöhnlichen Versuch und wird dann in der zehnten Sendung von "Ich bin ein Star – Die große Dschungelshow" zum vierten Mal seinen kompletten Cast ausgewechselt haben. Während Sat.1 vergangenen August sein "Promi Big Brother" wegen der sich erst mit der Zeit entwickelnden Gruppendynamik von zwei auf drei Wochen ausdehnte, kürzt RTL das Zusammenleben der drei Reality-Stars auf jeweils 72 Stunden zusammen. Es ist ein bisher einmaliges und hoffentlich einmalig bleibendes Experiment; selbst bei "Big Brother" achten die Macher seit vielen Jahren darauf, dass nie weniger als fünf Menschen in der Fernseh-WG wohnen.
Bei RTL sind es in diesem Januar also Dreiergruppen, die für Spannung sorgen sollen. Wer seine Gruppe als Sieger übersteht, kommt ins Halbfinale und hat schließlich die Möglichkeit, in der letzten Sendung das Ticket für eine Teilnahme am echten Dschungel zu lösen. Ihren Favoriten wählen, das dürfen erneut die Zuschauer via Telefonvoting. Zumindest am Freitag mussten sie das in Ermangelung an ausreichend vorhandenen Highlight-Bildern aufgrund einer schon vorgefertigten Meinung tun – oder sie ließen es eben gleich bleiben. Dass man die Sendeminuten aus dem eigentlichen Tiny House in Folge eins an einer Hand abzählen kann, dürfte eine direkte Folge des Konzepts sein. Mehr als ein kurzes Gespräch über den Beziehungsstatus von Zoe und eine Frage zur Trennung des Ex-"Love Island"-Couples Elena und Mike gab das aufgezeichnete Material augenscheinlich noch nicht her.
Aller konzeptuellen Schwächen zum Trotz, helle Momente blieben in der Auftaktfolge nicht komplett aus. Immerhin weiß die Welt nun, dass die ehemalige "GNTM"-Teilnehmerin Zoe zu satten 70 Prozent Veganerin ist, immerhin versprühte die "Dschungelprüfungstauglichkeitsprüfung" zumindest einen Hauch von Dschungelflair und immerhin waren es Sonja und Daniel, die durch die Show führten. All das täuschte aber nicht darüber hinweg, dass zwischen den Werbepausen erstaunlich wenig passierte. Da sorgte nicht mal der aus Australien eingeflogene Dr. Bob für Heilung.
Wer nicht viel erwartet hat und sich freut, im Lockdown in Erinnerung an vergangene "IbeS"-Momente zu schwelgen, der trifft es mit der diesjährigen Dschungelshow aus dem Rhein-Erft-Kreis nicht schlecht. Alle anderen dürften recht unsanft auf dem Boden der Realität gelandet sein – und vielleicht schon jetzt mit Interesse darauf warten, wann Sat.1 mit der für Frühjahr angekündigten "Promis unter Palmen"-Staffel loslegt. Lichtblicke gibt es aber dennoch auch in der frisch gestarteten Staffel von "Ich bin ein Star - Die große Dschungelshow". Durch die tagesaktuelle Produktion haben RTL und die herstellende Firma ITV Studios Germany schon am Samstag die Möglichkeit, Schwachstellen auszuloten und auszumerzen. Dass die Macher es können, haben sie ja schon vielfach bewiesen. So lange tröstet immerhin ein Sponsoring-Partner: Schließlich besingt sich Presenter Tri-Top weiterhin als "das Original", was man von der eigentlichen Sendung nicht behaupten kann.
"Ich bin ein Star - Die große Dschungelshow" läuft bis einschließlich 29. Januar jeden Abend ab 22:15 Uhr bei RTL.