Wenn die Länge einer Showtreppe für die Qualität einer Fernsehshow stünde, dann wäre die neue ProSieben-Sendung mit Joko Winterscheidt im wahrsten Sinne des Wortes ganz großes Fernsehen. Länger als hier war eine Showtreppe wohl noch nie – und auch sonst ist Klotzen statt Kleckern angesagt: Unter der Decke hängt ein riesiger Video-Würfel, dazu spielt eine Live-Band und der Moderator kommt auf einem fahrbaren Pult ins Studio gefahren. Kein Zweifel, diese optische Opulenz, die die Produktionsfirma Florida TV hier auffährt, verdient die volle Punktzahl.
Und auch sonst sind die Macherinnen und Macher der Show offensichtlich gewillt, das Fernsehen zumindest ein kleines bisschen neu zu erfinden, auch wenn die Zutaten, die im Laufe der mehr als zwei Stunden zum Einsatz kommen, gewiss alles andere als neu sind. Immerhin, der Name ist Programm: "Wer stiehlt mir die Show?" nennt sich das Format, das einen längeren Atem des Senders voraussetzt als dies jüngst bei der etwas kruden "Show mit dem Sortieren" der Fall war, die ProSieben nach nur einer Folge schon wieder aus dem Programm nahm.
Im Falle der neuen Joko-Show wäre das eher kontraproduktiv, schließlich soll doch der Sieger oder die Siegerin des Abends schon in der kommenden Woche die nächste Ausgabe präsentieren – womit Winterscheidt vom Moderator zum Kandidaten degradiert würde. Der stellt gleich zu Beginn richtigerweise fest, dass in anderen Shows zwar oft gesagt werde, dass die Kandidaten eine Show gewonnen hätten; in Wirklichkeit hätten dieser aber "immer nur schnödes Geld" gewonnen. Hier ist das nun tatsächlich anders: Als Preis winkt nicht der Mammon, sondern eben gleich die ganze Show. Sendeplatz, Team, "alles, was dazugehört", wie Winterscheidt sagt. Was er hingegen nicht sagt: Sein Gehalt ist nicht Teil des Deals.
Bei denjenigen, die ein Auge auf Winterscheidts Job geworfen haben, handelt es sich neben einer erstaunlich selbstsicheren Publikumskandidatin um Winterscheidts langjährige Wegbegleiterin Palina Rojinski, den Schauspieler Elyas M'Barek sowie Thomas Gottschalk, der nach zwei Runden die besten Chancen hat, die nächste Sendung zu gewinnen. Als Winterscheidt deshalb ein mulmiges Gefühl offenbart, kontert Gottschalk: "Richtig Angst haben musst du erst, wenn ich anfange zu moderieren!"
Weil das Rate-Panel so gut harmoniert, kommt es, dass die drei Promis dem Moderator die Show bereits zu einem frühen Zeitpunkt gestohlen haben, obwohl der eigentliche Wettbewerb noch gar nicht entschieden ist. Das liegt auch daran, dass Winterscheidts Widersacher über die verschiedenen Spielrunden hinweg bestens aufgelegt sind. So wie im Spiel namens "Die ewigen Zweiten", bei dem Gottschalk empfiehlt, es doch lieber in "Klaas Heufer-Umlauf" umzubenennen. Auch seine Bildungslücke, die Abkürzung IBAN nicht zu kennen, weiß der Moderator kühl zu kontern: "S-Bahn hätte ich gewusst!"
Möglichst unverwechselbarer Dreh
Die einzelnen Runden, in denen Winterscheidts Final-Gegner ermittelt wird, entpuppen sich dagegen als nicht allzu spektakulär. Körperlicher Aufwand ist nicht vonnöten, um die Moderation der Sendung zu erben. Und doch sind die Verantwortlichen offensichtlich gewillt, den Spielen einen eigenen, möglichst unverwechselbaren Dreh zu geben. Mal muss eine Show-Mitarbeiterin bei jeder richtigen Antwort um ihr gerade gewonnenes Geld zittern, mal ist es Scooter, der in seiner Performance Hinweise für die Lösungen versteckt. Und in einer Runde lässt ProSieben sogar kleine Doubles der Kandidatinnen und Kandidaten antreten – was allerdings witziger aussieht als es eigentlich ist.
Vollkommen gelungen ist dagegen der Abgang der ausgeschiedenen Protagonisten. In Regen, Sturm und Schnee verlassen die Verlierer nach jeder Runde das Studio, untermalt von theatralischer Musik und eigenen Aussagen, die das Scheitern untermauern. Schöner wurde die Niederlage in einer TV-Show bis dato vermutlich selten in Szene gesetzt. Joko Winterscheidt den Moderatoren-Job streitig zu machen, gelang den Ratefüchsen letztlich aber allerdings nicht. Zumindest bei der Premiere ging er aus dem abschließenden Duell gegen Palina Rojinski als Sieger hervor, weil ihm vor den Augen von Final-Moderatorin Katrin Bauerfeind schon eine richtige Antwort genügte, um sich nicht die Show stehlen zu lassen.
In der kommenden Woche wird Winterscheidt also erneut die überlange Showtreppe hinabschreiten und mit dem Pult durchs Studio düsen dürfen. Ob's hilfreich ist, dass seine prominenten Herausforderer dann dieselben sein werden wie bei der Premiere, muss sich dagegen erst noch zeigen. Ohne wechselnde Gegner läuft die neue Sendung möglicherweise Gefahr, ein wenig zu vorhersehbar zu werden - zumindest so lange es nicht gelingt, dem Gastgeber wirklich die Show zu stehlen.
"Wer stiehlt mir die Show?", dienstags um 20:15 Uhr bei ProSieben