Wohl keine Person steht derart für den Klimaschutz wie Greta Thunberg. Um zu verstehen, wie die schwedische Klimaaktivistin zur Galionsfigur einer weltweiten Bewegung wurde, die nicht nur vor dem Mächtigen dieser Welt auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos sprach, sondern auch schon den Papst getroffen hat, sollte an diesem Montag den Dokumentarfilm "Ich bin Greta" sehen – eine WDR-Koproduktion, die Thunbergs Geschichte vom Beginn ihres Schulstreiks vor dem schwedischen Parlament bis hin zum globalen Phänomen erzählt.
Beinahe mehr noch als Greta Thunberg lohnt es sich allerdings, jenen Forscherinnen und Forschern zuzuhören, die sich im September vergangenen Jahres mit dem deutschen Eisbrecher "Polarstern" auf den Weg zum Notpol machten, um nichts weniger als die größte Arktis-Expedition aller Zeiten zu unternehmen. Ein Jahr lang sammeln sie Daten über den Ozean, das Eis, die Atmosphäre – und das Leben. Ihr Ziel: Den Klimawandel besser verstehen zu können, schließlich hat das, was dort, weit entfernt von unserer Heimat, passiert, hat große Auswirkungen auf die ganze Welt.
Der Aufwand, der für die sogenannte Mosaic-Expedition unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts betrieben wird, ist gewaltig: Rund 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus fast 20 Nationen sind ebenso involviert wie mehr als 80 Institutionen. Das Budget: Rund 150 Millionen Euro. Ganz so teuer war die Entstehen der Dokumentation über das Unterfangen freilich nicht, doch auch für die Produktionsfirma UFA Show & Factual, die sonst Unterhaltungsshows wie "DSDS" oder "Wer weiß denn sowas?" herstellt, ungewöhnlich.
Gleich mehrere Kamerateams durften ganz nah heran und der "Polarstern"-Crew bei ihrer wichtigen Arbeit in eisiger Kälte zu sehen. Während der gesamten Dauer der Expedition waren täglich zwei Kameraleute an Bord im Einsatz, die nach jeder Etappe abgelöst wurden. Um die Filmcrew auszustatten, wurden insgesamt über eine Tonne Kamera-Equipment auf die "Polarstern" verfrachtet. Die Arbeit hat sich gelohnt: Immer wieder wird deutlich, wie zerbrechlich die Welt ist – und wie viel Engagement die Forschenden an den Tag legen.
Mehr als 500 Stunden Material
"Kann ich ihn küssen?", fragt eine von ihnen, als sie zur Überraschung aller einen atlantischen Kabeljau an Land ziehen. Dass dieser Fisch hier zu finden ist, ist ein untrügliches Zeichen dafür, wie weit die atlantischen Wasserschichten mittlerweile in den Norden gewandert sind. Zu sehen gibt es auch, wie ein improvisierter Radiosender das Team inmitten wochenlanger Dunkelheit bei Laune zu halten versucht, wie das Weihnachtsfest gefeiert wird und welche Sorgen sich breit machen, als die Nachricht vom weit entfernten Coronavirus und dem Lockdown in der Heimat die Runde macht.
Schade nur, dass die Dokumentation nicht länger geworden ist als eine handelsübliche Traumschiff-Folge. Dabei lässt sich erahnen, dass die Filmemacher noch weit mehr hätten erzählen können als das, was in 90 Minuten gezeigt wird. Über 500 Stunden hochaufgelöstes 4K-Material haben die Teams vor Ort gedreht – und um das Bewegtbild zu sichern, wurden 1,4 Perabyte Speicherplatz eingerichtet, was der Kapazität von rund 82.000 DVDs entspricht. Zu gerne hätte man mehr gesehen, und die Vermutung liegt nahe, dass Netflix aus dem Stoff vermutlich eine zehnteilige Reihe hätte fertigen lassen.
Die Komprimierung eines Jahres auf 90 Minuten ist dann auch die große Schwachstelle des Films, für den Uli Zahn und Producer Philipp Grieß inhaltlich verantwortlich zeichnen. So gut es möglich ist, versuchen sie in die Tiefe zu gehen, doch an manchen Stellen wirkt "Expedition Arktis" zu sprunghaft, weil so viele Aspekte wie möglich untergebracht werden sollten. Das Anschauen der Dokumentation mit ihren fulminanten Bildern lohnt sich trotzdem, denn näher kam man dem Nordpol wohl noch nie. Und neben dem 90-Minüter, der jetzt im Ersten läuft, gibt’s imerhin noch drei weitere Filme für die Dritten. Eine klare Einschaltempfehlung - ganz besonders für all jene, die mit Greta Thunberg nicht viel anzufangen wissen.
"Expedition Arktis - Ein Jahr. Ein Schiff. Im Eis." läuft am Montag um 20:15 Uhr im Ersten. Um 23:20 Uhr folgt der Dokumentarfilm "Ich bin Greta".