Mit Deutschen und weiblichen Late-Night-Hosts sei es schwierig, sagt Ariane Alter irgendwann in ihrer Show. Sie muss es wissen, immerhin ist sie jetzt selbst Moderatorin einer Show am späten Abend – und wer sie bei der Premiere von "Late Night Alter" beim Spartensender ZDFneo sieht, der ahnt: Dieser Frau mangelt es nicht an Temperament und Selbstbewusstsein. Ein schöner, der Sendung vorgelagerter Film (inklusive eines Cameo-Auftritts der Produzenten Oliver Fuchs und Ina Eck) suggeriert, dass Alter mit einer Protzkarre zum Studio fährt, und vom Vorspann bleibt vor allem ein Wort hängen: "Motherfucker".
Von der dann folgenden halben Stunde bleibt dagegen leider wenig hängen, was auch daran liegen könnte, dass es der Moderatorin an Anspielpartnern fehlt – und der Sendung an Aktualität. "Wir zeichnen zwei Tage vor der Ausstrahlung auf", räumt Ariane Alter gleich zu Beginn ein, schon ahnend, dass in diesen bewegten Zeiten ein Witz, den sie heute macht, morgen schon wieder überholt sein könnte. "Falls die Bundesregierung zwischenzeitlich einen Lockdown light anordnet", sagt sie in weiser Voraussicht, "bitte nicht wundern, dass ihr alle zu Hause festsitzt, während in Berlin noch Fetischpartys gefeiert werden. Oder wie wir es nennen: 'Late Night Alter'."
Nun, Partystimmung will in der Premieren-Sendung nicht aufkommen. Ein Problem ist, dass sich die Verantwortlichen offensichtlich vorgenommen haben, die Show mit einer gehörigen Portion Relevanz aufzuladen. Im Eiltempo folgt Rubrik auf Rubrik – mal sieht man die Moderatorin, wie sie Männern nach sexistischen Kommentaren die Fresse poliert, dann schimpft sie darüber, dass Schwule und Bisexuelle nur dann Blut spenden dürfen, wenn sie mindestens zwölf Monate lang keinen Sex mit Männern hatten ("wer das logisch findet, der checkt auch die Zeitebenen bei 'Dark'") und nach dem Stand-Up schreibt Alter einem Namensvetter aus dem Innenministerium, was sie von den Aussagen seines Chefs über Rassismus bei der Polizei hält.
Freilich sind all das ehrenwerte Themen, doch sie machen es der Gastgeberin schwer, einen humorvollen Ansatz zu finden. Entsprechend dünn ist die Gag-Dichte. Wie schön wäre es da gewesen, hätte man Ariane Alter am Ende wenigstens einen unterhaltsamen Gast zur Seite gestellt. Stattdessen fiel die Wahl auf Cathy Hummels, die anstelle eines Gag-Feuerwerks die Promo-Maschinerie zündet und erst über ihr Buch und dann über Depressionen und moderne Frauenbilder spricht – und schließlich auch noch selbstgenähte Community-Masken als Geschenk überreicht. Der Tiefpunkt des Gesprächs ist spätestens dann erreicht, als die Influencerin erzählt, dass es "dem Mats und mir" natürlich wichtig sei, "dass der Ludwig glücklich ist".
Zu gerne hätte man gewusst, wie Harald Schmidt an dieser Stelle reagiert hätte – womit wir wieder beim eingangs beschriebenen Dilemma wären. Doch tun sich die Deutschen wirklich schwer mit weiblichen Late-Night-Hosts oder ist es womöglich eher eine Frage, wie gut Show und Host aufeinander abgestimmt sind? Für Letzteres spricht, dass Carolin Kebekus erst vor einigen Monaten in ihrer neuen ARD-Show vorgemacht hat, wie sich Relevanz und Comedy zu einer stimmigen Late-Night-Show verbinden lassen.
Von dieser gelungenen Mischung ist "Late Night Alter" zum Auftakt weit entfernt. Noch greift kein Rad ins andere; wirkt die gesamte Sendung wie ein viel zu lang geratenes YouTube-Video. Klar ist aber auch: Late Night benötigt Zeit. Das war bei Schmidt ebenso wie bei Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf der Fall – auch Anke Engelke hätte einst mehr Geduld ihres Senders benötigt, um ihrer Spätshow den Stempel aufzudrücken. Fünf Monate lang durfte sie sich ausprobieren, ehe Sat.1 die Sendung beendete.
ZDFneo gewährt Ariane Alter und der Produktionsfirma Fabiola sogar vorerst nur acht Folgen. Das ist, gemessen an klassischen Late-Night-Maßstäben, quasi nichts und macht das Unterfangen noch komplizierter. Ein wenig mehr Leichtigkeit wäre ein guter Anfang.
"Late Night Alter" läuft donnerstags um 22:15 Uhr bei ZDFneo. In der ZDF-Mediathek steht die Ausgabe schon um 20:15 Uhr zum Abruf bereit.