In der österreichischen Medienlandschaft gibt es einige Dinge, die für Außenstehende ziemlich verwunderlich wirken. Aber nur weniges ist so skurril wie die Entstehung bzw. jahrelange Verhinderung des privaten Rundfunks. 1995 startete Salzburg-TV im Kabelfernsehen und war damit einer der ersten österreichischen Privatsender - erlaubt war das damals aber noch nicht. In Deutschland hatten Sat.1 und RTL damals schon mehr als elf Jahre auf dem Buckel. In Österreich mussten einige unerschütterliche Fernsehmacher noch lange kämpfen, um legal Privatfernsehen zu veranstalten. 

1993 wurde Österreich zwar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Rundfunkmonopols des ORF verurteilt, geändert hat sich dadurch aber erst einmal nichts. Politiker versprachen immer wieder, den Markt zu liberalisieren, das stellte sich aber als Hinhaltetaktik heraus. Es ging den Mächtigen im Land, allen voran der SPÖ, um den Schutz des ORF, auf den man direkten Zugriff hatte. Unabhängige Privatsender standen daher zunächst nicht auf ihrer Agenda. 

ServusTV hat die unglaubliche Geschichte des österreichischen Privatfernsehens nun in zwei Reportagen aufgearbeitet. In "Piraten und Pioniere – Die abenteuerliche Geschichte des privaten Rundfunks in Österreich" und "Von Piraten zu Privaten – die Fernsehpioniere von Salzburg TV" zeichnet man den Weg der Verhinderung nach und hat mit Akteuren der damaligen Zeit gesprochen. 

Ferdinand Wegscheider © ServusTV Ferdinand Wegscheider
Im Mittelpunkt der Reportagen steht Ferdinand Wegscheider, heute Chef von ServusTV und damals Gründer von Salzburg TV. Er war es, der in den 90er Jahren lange für legales Privatfernsehen kämpfte und dabei einige Hindernisse überwinden musste. In den Reportagen ist zu sehen, wie er, aber auch Pioniere in anderen Teilen des Landes, Lokalsender aufzogen und dabei immer wieder Probleme mit der Staatsmacht bekamen. Die Funküberwachung der Fernmeldebehörde drohte den Privatfunkern trotz höchstrichterlicher Beschlüsse und drehte auch immer wieder Sender ab. Die meisten von ihnen machten trotzdem weiter und galten deshalb als "Piraten". Zu sehen sind auch einige Szenen der damals noch unerfahrenen Fernsehmacher, was einen hier und da durchaus schmunzeln lässt.

Österreich wird zu "Medien-Albanien"

"Wir hatten kein Unrechtsbewusstsein", sagt Wegscheider, selbst ein ehemaliger ORF-Mitarbeiter, heute. Und die Zeit hat ihm recht gegeben. Dennoch hat die Politik gebremst wo es nur ging. Und so trat erst im Jahr 2001 ein Gesetz in Kraft, das Privatfernsehen erlaubte. Damit war Österreich das letzte Land in der westlichen Welt, in dem privater Rundfunk legalisiert wurde. In den 90er Jahren wurde für die Alpenrepublik der Begriff "Medien-Albanien" geprägt - eben wegen der rückständigen Medienpolitik. 

Und das jahrelange Verhindern von damals hat Auswirkungen bis heute: Bundesweite Privatsender kamen erst Anfang der 00er Jahre auf die Bildfläche und taten sich entsprechend schwer. Der ORF hielt damals noch weit mehr als 50 Prozent Marktanteil und sendete (wie heute) teilweise ein sehr kommerzielles Programm. Hinzu kamen die deutschen Sender, die man in Österreich ebenfalls sehen konnte. Das ist der Grund, weshalb die österreichischen Privatsender Puls 4, ATV (beide gehören zu ProSiebenSat.1) und ServusTV (Red Bull) sich auch heute noch vergleichsweise schwer tun und nie die Größe von deutschen Privatsendern erlangten. 

Sogar Jimmy Carter forderte Ende des Monopols

Die zwei von ServusTV produzierten Reportagen sind durchaus sehenswert, wenn man die komplizierte Entstehung des Privat-TV in Österreich verstehen will. Da vergleicht sich einer der Privatsender-Pioniere mit Walt Disney und es wird gezeigt, wie Ferdinand Wegscheider in den 90er Jahren den ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter interviewte, der das Rundfunkmonopol des ORF ebenfalls kritisierte. Wegscheider machte darüber hinaus mit vielen Aktionen auf die Missstände aufmerksam, er organisierte Demos und begab sich aufgrund der scheinbar ausweglosen Situation, noch im Jahr 2000 wurde ihm ein Sender von den Behörden abgeschaltet, sogar mal für zwei Wochen in einen Hungerstreik.

Doku Privat TV © Screenshot ServusTV In diesem Container in der Salzburger Innenstadt begab sich der heutige ServusTV-Chef Ferdinand Wegscheider im Jahr 2000 in einen Hungerstreik.
 

Die Reportagen zeigen auch sehr gut, wie der ORF offensichtlich viele Leute geächtet hat, die sich für privaten Rundfunk einsetzten oder gar dort arbeiteten. Und wie selbst der heutige ORF-Chef Alexander Wrabetz, der in den Reportagen auch zu Wort kommt, das Bedürfnis der Zuschauer nach Privatfernsehen damals kleinredete, um das Monopol des ORF zu verteidigen. 

Die beiden Filme sind aber auch sehr selbstreferenziell. Ferdinand Wegscheider ist ohne Frage eine wichtige Figur, wenn nicht gar die wichtigste, im Kampf für Privatfernsehen in Österreich, aber es hätte gerne auch noch mehr Geschichten von anderen lokalen TV-Sendern geben können. Auch die Lobhudelei auf den heutigen ServusTV-Chef wirkt an einigen Stellen deplatziert - vor allem auch deshalb, weil Wegscheider selbst an der Produktion der beiden Reportagen beteiligt war.  Schade auch, dass man sich einige Entwicklungen des Privat-TV komplett gespart hat. So kommen die bundesweiten Sender gar nicht vor und auch die deutschen Privatsender mit ihren österreichischen Werbefenstern, werden kaum thematisiert, hatten und haben aber fraglos einen großen Einfluß auf die Entwicklung des österreichischen Privatfernsehens. 

Mehr Nüchternheit wäre gut gewesen

An einigen Stellen sind die Reportagen auch zu sehr empörend und man merkt, dass den Machern die jahrelange Verhinderung des eigenen Geschäfts auch heute noch schmerzt. Das ist verständlich, aber eine nüchterne Darlegung der Ereignisse wäre vielleicht noch wuchtiger und vor allem glaubwürdiger gewesen. Leider gibt ServusTV in den Reportagen auch einem Vertreter des rechtspopulistischen Blogs "ORF Watch" eine Plattform. Das ist zwar nicht verwunderlich, lädt der Sender doch immer wieder Vertreter mit zweifelhaftem Ruf in seine Sendungen, einen faden Beigeschmack hinterlässt es trotzdem. Zumal eben auch echte Medien-Experten wie "Standard"-Journalist Harald Fidler oder Privatradio-Pionier Alfred Grinschgl zu Wort kommen und ein Gewinn für die Filme sind. 

Trotz dieser Kritikpunkte sollte sich jeder, der sich für Fernsehen interessiert, die beiden Reportagen ansehen - auch wenn ServusTV sie in Deutschland vorerst nicht zeigen will. Denn eigentlich ist es unglaublich, wie in Österreich Privatfernsehen jahrelang systematisch verhindert wurde - und es dadurch auch heute noch spürbare Nachwehen gibt.