Stefan Raab hat mal wieder eine Show erfunden. Und damit das auch jeder erfährt, lässt die prägende Off-Stimme von "TV total" das Publikum noch vor dem Vorspann wissen, dass Raab gerade Chips futternd in der Regie sitzt. "Man sieht's auch ein schon ein bisschen", ätzt die Stimme und legt wenig später nach: "Fette Sau."
Es ist eine amüsante Randnotiz, dass ausgerechnet Stefan Raab in seiner neuen Show nur (kauend) zu hören, aber nicht zu sehen ist, denn eigentlich sieht das Konzept das genaue Gegenteil vor. Etwas vereinfacht gesagt funktioniert "FameMaker" wie "The Voice" - nur umgekehrt. Welche Sängerinnen und Sänger weiterkommen, ist eine Mischung aus Glücks- und Ratespiel, weil die stimmlichen Qualitäten zunächst verborgen bleiben. Eine ähnliche Konstellation gab es erst vor wenigen Wochen bei RTL zu bestaunen, wo "I can see your Voice" jedoch auf einen stärkeren Spielshow-Charakter setzte.
Die Situation der Auftritte bei "FameMaker" mutet entsprechend kurios an: Weil die Kandidatinnen und Kandidaten in einer schalldichten Glaskuppel vor sich hin trällern, bleibt es im Studio ziemlich leise. Umso wichtiger ist es, dass ProSieben und Raab TV auf gute "FameMaker" setzen, die die fürs Fernsehen ungewöhnliche Stille mit amüsanten Kommentaren zu überspielen wissen. Mit Carolin Kebekus, Luke Mockridge und Teddy Teclebrhan fiel die Wahl auf drei Comedians, die allesamt über ein ebenso lockeres Mundwerk wie gutes Gespür für Musik verfügen - nicht die schlechteste Mischung für eine Sendung dieser Art.
Gute Stimme? Zweitrangig!
Ratlos sind die drei aber natürlich trotzdem. Wann es sich lohnt, den Hebel zu ziehen, um die geräuschlosen Performer in ihre Teams zu holen, lässt sich nur schwer einschätzen. Irgendwann dreht Mockridge einem Kandidaten gar den Rücken zu und lässt sich vom Publikum erzählen, was sich auf der Bühne tut. Dort steht gerade ein junger Blondschopf, der auf seiner Gitarre trommelt. "Ist das ein Oktopus, oder was?", will Mockridge wissen und erntet ein paar Lacher. Teddy Teclebrhan wiederum entwickelt seine eigene Theorie zur Betätigung des Hebel, der im Stile eines Bus-Haltegriffs gefertigt wurde. "Wenn jemand halbnackt rauskommt und sich räkelt, guckt man nur auf die Halbnacktigkeit und die Twerk-Bewegung", sagt er nach dem Auftritt einer komplett in Schwarz gekleideten Frau, deren Stiefel sofort die Aufmerksamkeit der "FameMaker" auf sich ziehen.
Womöglich ist das Alleinstellungsmerkmal der Show, deren Grundidee in der Vergangenheit schon mehrfach in der "Pierre M. Krause Show" zur Anwendung kam, das größte Problem von "FameMaker": Bis sich die Glaskuppel hebt, fokussiert sich alles aufs Äußere. Tatsächlich ist es ein Leichtes, der Sendung Oberflächlichkeit zu unterstellen. Beispiel gefällig? "Sieht aus wie ein Handyladen", lästert Luke Mockridge über eine Frau im glitzenden Kleid. Und Carolin Kebekus fühlt sich erinnert an Läden, "die im Urlaub an der Strandpromenade noch ganz spät etwas zu essen haben".
Später entschuldigt sich die Komikerin erst mal bei der Mutter der Kandidatin, die sich im Übrigen als glänzende Sängerin entpuppt, aber trotzdem keinen der vermeintlichen Experten zum Ziehen des Hebels bewegt. Dadurch, aber auch durch das Weiterkommen schlechter Sänger wird das Casting-Konzept bei "FameMaker" regelmäßig ad absurdum geführt. Schnell wird klar: Wer gut ist, hat in dieser Show noch lange keine Siegchancen.
Damit am Ende aber trotzdem möglichst die besten Talente ins Finale einziehen, hat Stefan Raab eine Art Sicherheitsmechanismus ins Konzept eingebaut: Nach vier Folgen dürfen Kebekus, Mockridge und Teclebrhan unter den Weitergekommenen noch einmal aussieben, ehe die Zuschauer darüber abstimmen, wer die Show gewinnt. Ob das schon reicht, um besagten "Fame" zu erhalten? Unklar.
"FameMake" leidet am "The Voice"-Dilemma
Überhaupt leidet "FameMaker" ein wenig am Dilemma von "The Voice", das nach den Blind Auditions regelmäßig an Reiz verliert, weil plötzlich aus dem guten Spielprinzip eine beliebige Castingshow wird. Warum also muss auch bei "FameMaker" am Ende der Staffel unbedingt ein Sieger feststehen - zumal der oder die Beste vielleicht gar nicht die Möglichkeit bekommt, ins Finale einzuziehen? Die Frage, was die Sendung eigentlich will, lässt sich somit auch nach fast drei Stunden nur schwer beantworten. Ein gewisser Spaßfaktor lässt sich "FameMaker" dennoch nicht absprechen, auch wenn zwei Folgen pro Woche möglicherweise etwas zu viel des Guten sind.
Nur eine Nebenrolle spielt übrigens Tom Neuwirth, besser bekannt als Conchita Wurst. Zwar hat ProSieben den Sänger als Moderator angekündigt, doch sehr häufig wirkt es, als reiße Luke Mockridge das Ruder an sich. Das liegt auch daran, dass Neuwirth meist am schlecht ausgeleuchteten Bühnenrand steht und wahlweise als Interviewer oder Kommentator in Erscheinung tritt. Dann sagt er wenig denkwürdige Sätze wie: "Wow!" oder "Die Schuhe hab ich auch!" Den Stempel drückt der ESC-Gewinner dem Format damit nicht auf. Das ist angesichts der meist gut aufgelegten Truppe um Mockridge aber auch gar nicht nötig.
Und Stefan Raab? Vom Moderations-Rentner fehlt bis zum Schluss jede Spur. Allerdings lässt sich zumindest seine Handschrift stellenweise erahnen - vor allem was die soulige Titelmusik betrifft. Das Zeug zur ganz großen Event-Show hat seine Neuentwicklung aber nicht, weil ihr schlicht der Event-Charakter fehlt. Als Einstünder nach "The Voice" wäre "FameMaker" womöglich besser aufgehoben. So oder so hat Raab zumindest ein ganz neues TV-Genre erfunden: Die Glaskuppelshow.
ProSieben zeigt "FameMaker" donnerstags und samstags um 20:15 Uhr.