Früher saßen am Samstagabend die Weltstars live bei Thomas Gottschalk auf dem Sofa und performten noch selbst. Heute gibt es Imitatoren bei RTL. „Big Performance“ heißt die neue Show von Brainpool, die nach dem Erklingen eines bescheidenen Titelsongs („This is the greatest show“) von uns wissen will: Wer ist der Star im Star? Das klingt nach einer Kopie von „The Masked Singer“ und ist es auch, wenn man es kurz zusammenfassen will. Keine Zuschauerin und kein Zuschauer wird sich dieses Eindrucks verwehren können. „Big Performance“ ist exakt so geworden, wie man sich eine RTL-Antwort auf „The Masked Singer“ vorstellt. Gut kopiert wäre ja halb gewonnen. Aber ist das so?



Auch wenn sich das RTL-Marketing im Vorfeld der Show und die Show selbst bei ihrem Opening zunächst alle Mühe gibt, so austauschbar gewöhnlich und behäbig zu wirken („Und worauf freust du dich heute abend?“), entwickelt die Sendung dann schnell die gleiche Rate-Dynamik wie „The Masked Singer“ und das obwohl sich das Format ein bisschen zu ernst nimmt, weil die albernen Kostüme fehlen und stattdessen immer wieder gemessen wird, wie sehr die Performances den Originalen entsprechen würden. Aber man kommt nicht umher zu spekulieren. Den Ratespaß befeuert in der Jury niemand so sehr wie Michelle Hunziker, die sich als Glücksgriff für die Sendung entpuppt. Sie nennt Namen, fasst sich kurz und gibt prägnante Urteile. Motsi Mabuse sprudelt schon vor dem ersten Auftritt vor Freude und Begeisterung und behielt ihre ansteckende Euphorie die ganze Sendung über bei.

Die Enttäuschung des Trios sitzt zwischen den beiden schlagfertigen Damen: Guido Maria Kretschmer hat zum Auftakt den Sinn der Show noch nicht verinnerlicht. Ein Umstand, der sich übrigens auch bei „The Masked Singer“ zu Beginn beobachten ließ. Immer und immer wieder betont er wie nah die Performances doch an den Weltstars dran sind. Und man möchte jedes Mal entgegnen: „Nein!“ Dieses Getue ist kontraproduktiv, denn die Masken und Performances sind überwiegend gut und funktionieren einwandfrei für das Ratespiel, was diese Sendung sein will. Das affektierte „Oh mein Gott, das könnte die echte Adele sein“ hilft aber nicht; macht es das Format doch so viel ernster als es sein muss. Und nicht jede Maske überzeugt. Da hat es „The Masked Singer“ einfacher, weil eine Vergleichbarkeit entfällt. Auch dort aber wurde anfangs aus dem Rateteam heraus mehr beurteilt, wie gut performt wurde - statt sich dem eigentlichen Ratespiel hinzugeben.

Big Performance © RTL "Ja, und wir raten, raten, raten": Rate-Trio Mabuse, Kretschmer und Hunziker mit Hartwich

Dass die Sendung nicht von Oliver Pocher moderiert wird, war für manche Zuschauerin bzw. Zuschauer am Samstagabend vielleicht die erste überraschende Enthüllung. Aber es gibt ja noch den anderen bei RTL, der den Rest moderiert. Scherz beiseite: Dass Daniel Hartwich moderiert, ist ein Gewinn. Dass er dies im Unwissen darüber tut, wer unter den Masken steckt, umso mehr. Das gibt dem schlagfertigen Gastgeber - anfangs vorgestellt als „RTLs biggest performer“ - die Freiheit, über die spekulierten Namen den Kopf zu schütteln oder aber mitzuraten, auch mal mit XXL-Mikro bewaffnet zusammen mit dem Studiopublikum. Das Setdesign der Show überzeugt, gewährt Tiefe und Fläche für Illusion und passt in der Größe zu den Ambitionen dieser Show, die laut Abspann nach einer Idee von RTL-Unterhaltungschef Kai Sturm entstanden ist.

Die offensichtliche Inspiration von „The Masked Singer“, das auch RTL so gerne gehabt hätte, ist natürlich nicht wegzudiskutieren. Aber in der Tat schafft „Big Performance“ einen eigenen Weiterdreh: Das Imitieren von Weltstars - zum Auftakt waren es Jennifer Lopez, Adele, Tom Jones und Prince („Wir sind die einzige Show, die tote Stars auferstehen lassen kann“, sagt Daniel Hartwich) - gibt der Sendung die Gelegenheit diese Künstlerinnen und Künstler zu feiern, durch die Auftritte zu ihren bekanntesten Songs aber auch mittels Einspielern, die die Karrieren beleuchten. Damit entwickelt die neue RTL-Show auf ihre Art mehr Bezugspunkte für ein breiteres, älteres Publikum, weil es auch als Hommage an die Weltstars mit ihrer bekannten Musik funktioniert. Die Mechanik der Rate-Show ist wiederum erwartbar: Nach einem Portrait des dargestellten Weltstars folgen Aufnahmen der Proben des zu erratenden Stars, dessen Auftritt dann zunächst mit Vollplayback beginnt und in Live-Gesang übergeht.

Nur die Leichtigkeit von „The Masked Singer“ fehlt

Nach vier Einzelauftritten folgen zwei Duelle. Über Sieger und Verlierer der Duelle entscheidet in der voraufgezeichneten Show das Studiopublikum. Wer von den beiden Duell-Verlierern dann die Show verlassen musste, liegt wiederum in den Händen des Rate-Trios, das zwischen Evelyn Burdecki und Helene Fischer alle Buchstaben der denkbaren Prominenz durchgegangen ist. Fürs Tempo sorgt immer wieder Hartwich: „Hier ist run Schnelldurchlauf und danach geht’s ohne Werbung weiter - versprochen!“ Am Ende entschied sich das prominente Rate-Trio für Jennifer Lopez und gegen Prince - aber das schon satte elf Minuten vor Ende der Sendung. Aus gutem Grund: Die Demaskierung dauert hier deutlich länger. „Das ist keine Maske die man sich einfach so vom Kopf reißen kann“, merkt Hartwich mit Seitenhieb auf die ProSieben-Konkurrenz an, die übrigens ebenso wie „Big Performance“ von der Banijay Germany Gruppe produziert wird, seit Banijay Endemol Shine übernommen hat.



Auf dem Maskenstuhl sitzend, arbeiten zwei Maskenbildnerinnen daran, den aufgetragenen Look von Prince zu entfernen. Was sie freilegen, während das Rate-Trio ein letztes Mal spekulieren darf, ist dann nicht gerade die prominenteste Enthüllung: Im Prince steckte ein Prince, Dschungelcamp-Gewinner und „DSDS“-Überlebender Prince Damien. Man muss auf spannendere Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den kommenden Wochen hoffen. Der ausgelöste Ratespaß und der Wunsch nach Auflösung dürfte den von RTL und Brainpool erhofften Einschaltimpuls für kommende Woche auslösen, wo der Ankündigung nach "Elton John" nachrückt.

„Big Performance“ lässt mitraten, hat einen eigenen Dreh und mit Michelle Hunziker eine Idealbesetzung. Nur die Leichtigkeit von „The Masked Singer“ fehlt. Bei einem singenden Monster oder Kakadu gibt es keine Originale an denen man sich messen lassen muss, bei Adele schon. Ehrgeiz ersetzt Leichtigkeit. Bei „Big Performance“ wollen Erwartungen erfüllt, bei „The Masked Singer“ gebrochen werden. Die RTL-Show ist am Ende eine Kopie, die sich durch die Verwandlung der Kandidaten in Weltstars abheben will, aber dabei etwas überschätzt. Wer unter den Masken steckt, will ich jetzt trotzdem wissen. Bis auf Jennifer Lopez, denn das ist doch ganz klar Nazan Eckes. Oder?