Das Feld der Koch-Coachingsendungen hat sich in den vergangenen Jahren gelichtet. Weder "Kochprofis" (RTLzwei) noch "Küchenchefs" (Vox) sind noch unterwegs, um in Not geratenen Gastwirten zu helfen. Und auch RTL lässt Christian Rach schon lange keine Restaurants mehr testen. Übrig geblieben ist Frank Rosin, der mit "Rosins Restaurants" nun schon mehr als zehn Jahre lang auf Sendung ist. Der Profi-Koch entwickelte sich im Laufe der Zeit zum Aushängeschild von Kabel Eins, inzwischen aber besitzt "Rosins Restaurants" längst nicht mehr die Zugkraft vergangener Tage. Schon Ende 2017 liegt die Sendung kontinuierlich bei weniger als sechs Prozent Marktanteil in der Zielgruppe.
Und weil der Trend weiter nach unten zeigt, witterten Redseven Entertainment und Kabel Eins in der Corona-Krise offenkundig eine Chance, schließlich gerieten durch die Pandemie viele Gastwirte in Not. Was also lag näher, als Rosin auf Corona-Rettungsmission zu schicken? Ob das wirklich eine gute Idee gewesen ist, darf bezweifelt werden: Mit durchschnittlich etwas mehr als fünf Prozent Marktanteil in der Zielgruppe waren die Folgen bislang aus Quotensicht zwar ein solider Erfolg, doch vor allem inhaltlich zeigten die Ausgaben, dass die Luft aus dem Format mittlerweile raus ist.
Lange lebte "Rosins Restaurants" von dem immer gleichen Ablauf. Der Sternekoch kommt in ein heruntergewirtschaftetes Restaurant, erzählt von seinen Anfängen in der Pommesbude, stellt mit seinem Team den ganzen Laden auf den Kopf, propagiert eine frische Küche und bringt den oftmals unerfahrenen Gastronomen das Kochen bei. Dazwischen tut Rosin dann regelmäßig so, als überlege er sich aufzugeben, weil irgendwas schief läuft und der aktuellste Fall natürlich sowieso immer der schwierigste ist. So schlich sich über die Jahre viel Routine ein. Diese Vorhersehbarkeit dürfte ihren Teil zu den gesunkenen Quoten beigetragen haben.
Frank Rosin im Einsatz (Foto: Kabel Eins)
Die Corona-Ausgaben waren jetzt eine auf dem Papier gute Idee, war es doch ein neuer Ansatz. In der Realität aber wurde diese Chance nicht genutzt, weil man sich zu sehr auf das bekannte Konzept stützte. Da besuchte Rosin in den letzten Wochen Restaurants, die unverschuldet in Not geraten waren, weil sie wegen Corona schließen mussten. Sie hatten also keine Probleme mit miesem Service oder schlechtem Essen, was ja sonst zumeist die Grundlage für Rosins Rettungsmission ist. Trotzdem kochte Rosin mit den Gastronomen und kamen die Testesser (die man ausnahmsweise aber nicht so nannte), um darüber zu urteilen, ob es ihnen geschmeckt hat oder nicht.
Es hätte eine Helena Fürst gebraucht
Das Dilemma ist, dass sich die Probleme der Wirte auf diese Weise nicht beheben ließen. Angeordnete Schließungen, weiter laufende Kosten und Abstandsregelungen sind nichts, was ein TV-Koch in einem Fernsehformat beenden kann. Frank Rosin hätte sich in den Corona-Ausgaben stark verändern und zu einer Art Helena Fürst werden müssen. Die war es vor einigen Jahren, die im Rahmen ihrer längst eingestellten RTL-Sendung in Arbeitsämtern und anderen Behörden vorstellig wurde, um die Interessen ihrer Klienten durchzuboxen. Nettigkeiten wurden selten ausgetauscht, aber es war ein in sich stringentes Konzept.
Auch Rosins Gastronomen bräuchten einen solchen "Kämpfer aus Leidenschaft", der bei den Vermietern, Banken oder Behörden um Kredit-Stundungen oder die schnelle Auszahlung von Kurzarbeitergeld streitet. Es gibt auch in den Corona-Ausgaben von "Rosins Restaurants" solche Versuche, die jedoch überwiegend ins Leere liefen. Am Ende lag die Konzentration dann doch wieder viel zu sehr darauf, den gelernten Spannungsbogen inklusive Final-Essen aufrechtzuerhalten.
Die Experten überzeugen nicht
Auch die von Rosin zur Hilfe gerufenen Experten werden ihrer Bezeichnung kaum gerecht. Da ist etwa Gastronomie-Unternehmer Thomas Hirschberger, der sich um die Finanzen der Restaurant-Eigentümer kümmert. In einem Fall konstatiert er, das Restaurant brauche ein neues Geschäftsmodell, was nicht sonderlich schwer ist, nachdem das Veranstaltungsgeschäft komplett weggebrochen war. Am Ende vom Lied lautete die Lösung: Schließung für drei Monate. Im Oktober schaut man dann weiter, ob man sich irgendwie über Wasser halten kann. Es könnte klappen, wenn Veranstaltungen dann wieder erlaubt sind. Das kann aber heute niemand seriös sagen. In der Sendung wurde das als großartige Lösung gefeiert - ob den Wirten damit aber tatsächlich geholfen wurde, ist fraglich. Auch bei der Auflistung von Ausgaben und Einnahmen macht Hirschberger keine annähernd gute Figur wie einst Peter Zwegat. Die Zahlen auf dem Flipchart sind für die Zuschauer kaum nachvollziehbar und wirken mitunter unseriös. Als der Experte in der dritten Woche einem Wirt in Sachsen helfen soll, sprudeln die Ideen nur so aus diesem heraus - doch Hirschberger verkauft sie schließlich als seine eigenen.
Und auch Marken- und Consulting-Expertin Eva-Miriam Gerstner wirft mehr Fragen auf als dass sie Lösungen anbieten würde. Als das Team einen jungen Wirten besucht, der kurz vor dem Lockdown ein neues Restaurant eröffnete, ist sie geradezu perplex, dass sich der Gastronom wegen fehlender Einnahmen keine Möbel für die Außengastronomie leisten kann und nur Bierbänke zu bieten hat. Nachdem Gerstner bei einer Internetrecherche überraschend feststellt, dass es keine hochwertigen Möbel geschenkt gibt, wird für wenige Wochen eine Zwischenlösung über einen von Hirschbergers Bekannten gefunden. Und danach spendet die Produktion dem Lokal eine vollständige Ausstattung. Das ist natürlich nett und nichts Neues bei "Rosins Restaurants", aber streng genommen ist das kein Coaching von Gastwirten, sondern schlicht ein Geschenk, um schöne Bilder fürs Fernsehen zu bekommen. Eine "Marken- und Consulting-Expertin" braucht es dafür nicht. In einem anderen Fall erteilt der Wirt all ihren Ideen eine Absage - und sie ist damit aus unerfindlichen Gründen auch zufrieden. "Ich denke, das ist jetzt ein ganz guter Ansatz", sagt sie, obwohl es gar keinen Ansatz gibt.
So bleibt unklar, ob die Besuche von Frank Rosin und seinem Team den Gastwirten tatsächlich helfen. Als Zuschauer kann man jedenfalls den Eindruck bekommen, dass das Konzept der "Jetzt erst recht"-Folgen nicht ganz durchdacht wurde und Kabel Eins seinen Sternekoch einfach zu den Gastwirten schickte, damit dieser mit all seiner Routine neue Folgen produziert. Das hat er auch gemacht. Weil die Situation aber nicht die ist, die sie in den letzten zehn Jahren war, laufen die neuen Sendungen inhaltlich weitestgehend ins Leere. Die Gastronomen haben keine Schuld an ihren Problemen und bräuchten andere Lösungen als die, die Frank Rosin ihnen anbietet. So macht die Sendung wenig Sinn - ändert sich nichts, könnte dem Format bald das gleiche Schicksal ereilen wie den "Kochprofis", "Küchenchefs" oder "Rach, der Restauranttester".
Kabel Eins zeigt am Donnerstag ab 20:15 Uhr die letzte Ausgabe von "Rosins Restaurants - Jetzt erst recht!".