Hören Sie das auch? Diese Stille, die sich im Fernsehen dieser Tage breit macht? Kein Publikum, kein Applaus. Nichts, niemand. Keiner ist mehr da, der bei einer schlechten Pointe mitleidig lacht. Wer sich derzeit "Let's dance" oder die "heute-show" ansieht, wird feststellen, wie wichtig gut gelaunte Zuschauer für das Gelingen einer Fernsehshow sind. Doch besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen – und so werden wir gerade Zeuge, wie sich das Fernsehen ein Stück weit neu erfindet. Oder besser gesagt: Neu erfinden muss.
Der Mut, mit dem momentan neue Sendungen angekündigt werden, die mit einfachsten Mitteln entstehen, ist in jedem Fall ebenso beachtlich wie lobenswert. Gleichzeitig zeigen die ersten Resultate, dass es gar nicht so einfach ist, ein Feuerwerk zu entzünden, wenn bloß eine Sparflamme zur Verfügung steht.
Vorerst bis Freitag will RTL jeden Abend zur besten Sendezeit zeigen, wie sich Thomas Gottschalk, Günther Jauch und der positiv auf Corona getestete Oliver Pocher via Skype mit wechselnden Gästen unterhalten. Eine tolle Idee, drei der besten Entertainer des Landes zu versammeln, um in schweren Zeiten für ein wenig Ablenkung zu sorgen. Doch ohne buntes Bühnenbild und jubelnde Massen scheint es, als sei den Unterhaltern der Unterhaltungswert abhandengekommen.
Und so wird das Publikum Zeuge, wie drei Männer mit Airpods im Ohr die Schwere der Zeit besprechen. Sicherheitshalber fragt Gottschalk eine Oberärztin, ob es denn erlaubt sei, in dieser Situation die Menschen positiv zu motivieren und erhält den gewünschten Freifahrtschein. Allein, an guter Laune mangelt es an diesem Abend. Zu bedeutungsschwanger wird über das gesprochen, was man auch anderswo schon zur Genüge hören konnte. Bei so viel Ernsthaftigkeit hätte man auch "Hart aber fair" schauen können – mit dem Unterschied, dass bei Plasberg zumindest das Bild besser ist.
Nur ganz kurz blitzt auf, was möglich wäre. Für einen Moment nutzt Pocher die Gunst der Stunde und imitiert Dieter Bohlen, nachdem Max Giesinger ("Absurde Zeiten, in denen wir uns befinden, ne"?) gerade sein kurzes Wohnzimmerkonzert beendet hat. Giesinger ist offenbar der einzige Musiker, der sich an diesem Montag dazu bereit erklärt, für das Fernsehpublikum in seinen eigenen vier Wänden zu singen. Schon wenige Stunden zuvor ließ er sich per Handykamera zu Luke Mockridge schalten, dem Brainpool übers Wochenende ein kleines Fernsehstudio gebaut hat, aus dem er ab sofort täglich am Vorabend in Sat.1 sendet.
Max Giesinger bei "Luke, allein zuhaus" und "Die Quarantäne-WG"
Anders als die von i&u produzierte "Quarantäne-WG" war Mockridge etwas mehr auf Unterhaltung bedacht, klebte ein gebasteltes RTL-Logo in die linke Ecke, wenn der Konkurrenz-Sender in die Werbung ging, und witzelte über die 2.500 Zuschauer, die im Livestream bei Instagram zusahen. "Das ist bei Sat.1 bestimmt das Doppelte." Was folgte, waren Einspieler aus seiner "Great Night Show", zwei Songs am Klavier, ein missglücktes Telefonat mit seiner Mutter – und ein Gespräch mit einem Krankenpfleger, der sich ehrlich über eine CD von Max Giesinger freute.
Dazwischen: Viel Leerlauf, der zeigt, dass eine Stunde sehr lang werden kann, wenn eben keine große Mannschaft im Hintergrund ist, die mit Kreativität und Herzblut glitzernde Fernsehmomente schafft. Und so sitzt Mockridge zeitweise ebenso verloren an seinem Schreibtisch wie Gottschalk, Jauch und Pocher vor ihren Webcams. Stets in der Hoffnung, es möge sie ein Geistesblitz ereilen, mit dem sich die Zuschauer unterhalten lassen.
Man kann nur hoffen, dass den Entertainern in den nächsten Tagen etwas mehr einfallen wird, um all die Sendezeit füllen zu können. Amüsante Aktionen etwa, die sie sich und anderen stellen. Warum nicht mal eine Hand voll Pizzen für eine Notarztpraxis bestellen und darauf hoffen, dass sie bis zum Ende der Sendung ausgeliefert werden? Oder eine Flasche von Othegraven öffnen, um die Zunge zu lockern?
Hoffnung macht, dass Günther Jauch am Ende der "Quarantäne-WG", die er selbst als "Guerilla-TV" bezeichnete, die vage Hoffnung äußerte, ein paar Dinge in den nächsten Tagen noch verbessern zu können. Sicher, die Möglichkeiten, eine Fernsehshow im Homeoffice zu gestalten, sind begrenzt. Aber etwas mehr Fantasie wäre wünschenswert. So viel Freiraum wird’s im deutschen Fernsehen so schnell nicht mehr geben.
"Luke, allein zuhaus" läuft montags bis freitags um 18:00 Uhr in Sat.1, RTL zeigt "Die Quarantäne-WG" noch bis Freitag täglich um 20:15 Uhr.