Sich in seiner Beziehung zu entlieben, ist die eine Sache. So etwas passiert, wenn der Partner nicht mehr so hingebungsvoll ist wie beim Kennenlernen, oder weil er seine Socken zu oft neben den Wäschekorb geworfen hat. Wenn dein einst geliebter Ehemann jedoch verstirbt und du deine Gefühle für ihn nie verloren hast, wird eine gewisse Last mit sich getragen, die in der nächsten Ehe möglicherweise irgendwann zum Vorschein kommt. In der Thriller-Serie "Mirage - Gefährliche Lügen", die vom ZDF mit zahlreichen Partnern realisiert wurde, ergeht es der Protagonistin genauso. Zusätzlich fällt Claire, so ihr Name, in eine Spirale voller Intrigen und Geheimnisse.
Gespielt wird Claire von Marie-Josèe Croze ("Jack Ryan"). 15 Jahre, bevor die Geschichte in der Gegenwart einsetzt, hat die Französin in Thailand ihren damaligen Mann Gabriel (Clive Standen, "Vikings") bei einer Tsunami-Katastrophe verloren. Davon war sie jedenfalls tief überzeugt. Gemeinsam mit ihrem mittlerweile 15-jährigen Sohn Zack (Thomas Chomel, "Clem") und ihrem neuen Ehemann Lukas (Hannes Jaenicke, "Tatort") hat sie sich mittlerweile ein neues Leben aufgebaut und in Abu-Dhabi, wo die Familie frisch hingezogen ist, ihr Glück erneut gefunden.
Das hatte sie auch bitter nötig, musste sie doch nicht nur mit dem Verlust des Ehemanns zurechtkommen, sondern auch mit einem fehlgeschlagenen Probelauf in einem kasachischen Atomkraftwerk, den sie als Projektleiterin zu verantworten hatte. Es gab zahlreiche Tote und ein Vermerk im Lebenslauf, der auch in Abu-Dhabi bei ihrem neuen Arbeitgeber nicht unbemerkt blieb. So manche Erinnerung daran wiegt für Claire jedoch nicht so einschneidend wie der Moment, in dem sie plötzlich Gabriels Gesicht erkennt und ihn scheinbar in einen dunklen Gang huschen sieht.
Niemand möchte ihr glauben, doch sie ist sich sicher: Das war kein Geist, den sie da gesehen hat. Und so macht sich Claire auf die Suche nach ihm und Antworten auf das Mysterium und durchkämmt gemeinsam mit dem sympathischen Taxi-Fahrer Bassem (Chadi Alhelou) die Stadt. Dem beibt jedoch nicht unbemerkt, dass sie verfolgt werden und noch andere Menschen ein Interesse haben, Gabriel wiederzusehen.
Das ZDF hat "Mirage" im Rahmen der European Alliance entwickelt, eine Vereinigung mit France Télévisions und dem italienischen RAI. Die international Koproduktion spielt vor den teuren Kulissen der Vereinigten Arabischen Emiraten und wirkt deshalb nicht selten wie „Mission Impossible" in Serie - nur ohne die Action. In "Mirage" steckt viel Ambition, die aber vordergründig im Drehbuch gesehen werden kann. In Sachen Action kann die Serie jedoch nicht mithalten und leider verliert sich der Thrill gerne mal zum eigentlichen Höhepunkt einer jeden Folge. Dabei hätte es intensivere Verfolgungsjagden gebraucht, um davon abzulenken, dass das Drehbuch nicht durchweg überzeugen kann.
Alle Ressourcen des Wüstenstaats werden genutzt.
Das doppelte Trauma, mit dem Protagonistin Claire zu kämpfen hat, bildet klar das größte Argument für "Mirage". Wir beobachten eine Frau, die schreckliche Verluste erleben musste und es dennoch geschafft hat, sich zurückzukämpfen. Das Showrunner-Dreigestirn bestehend aus Benedicte Charles (laut imdb ihr erstes Projekt), Franck Philippon ("No Limit") und Olivier Pouponneau ("Surveillance") hat mit Marie-Josèe Croze die perfekte Besetzung gefunden, weil es ihr authentisch gelingt, eine erfolgreiche Frau zu spielen, die gebeutelt durchs Leben hechtet.
Ihre Performance macht es zeitweise egal, dass "Mirage" erzählerisch kaum etwas Neues bietet und sich bei ganz vielen Genre-Kollegen bedient hat. Immerhin bemüht sich die ZDF-Serie, bekannte Sequenzen das Schnüffeln der Privatdetektive modern aufzubereiten. All das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Atemberaubendste immer noch die Kulissen des Wüstenstaats sind, die jeden deutschen Drehort alt aussehen lassen. Gleiches gilt im Übrigen für die deutscheSchauspiellerriege: Hannes Jaenicke. Er ist da und das ist auch okay. Seine Rolle wurde jedoch viel zu schnöde geschrieben, als dass er einen spannenden Part in "Mirage" einnehmen könnte.
Vor allem nimmt der Handlungsstrang seiner Figur, die in Abu Dhabi ein Luxusrestaurant eröffnen möchte, noch mehr Fahrt aus der Erzählung. Seine Gastronomiepläne, aber auch die Frage, wie der Sohnemann in der neuen Schule zurechtkommt, sind im Gegensatz zu Mamas Agentenreise leider nur mäßig spannend. Da wurden in der sechsteiligen Serie, die im ZDF als Dreiteiler ausgestrahlt wird, zu viele Köche an den Brei herangelassen. Doch zumindet die Konsistenz des Breis weiß über weite Strecken hinweg zu überzeugen - und führt wunderbar vor Augen, dass es deutlich schlimmere Liebestragödien gibt, als die eigenen.
"Mirage - Gefährliche Lügen" ist sonntags um 22:15 Uhr in Doppelfolgem im ZDF zu sehen. Parallel stehen die Folgen auch in der ZDF-Mediathek zur Verfügung.
Hinweis: Aus aktuellem Anlass hat das ZDF die Ausstrahlung der Serie auf unbestimmte Zeit verschoben.