Normalerweise gibt es vor jeder Fernsehproduktion nicht nur eine Besprechung, in der man den Ablauf der Sendung bespricht. Bei "Deutschland sucht den Superstar" vom Samstagabend fällt es schwer sich vorzustellen, dass es da kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gab, die dabei auf keine bessere Lösung gekommen sind als das, was RTL über den Sender geschickt hat.
Die schnelle Kommunikation und konsequente Entscheidung für eine Trennung von Xavier Naidoo am vergangenen Mittwoch hatte natürlich die Erwartungen auf den Samstagabend gelenkt: Wie würde RTL bzw. die Jury von "Deutschland sucht den Superstar" nun den fehlenden Naidoo thematisieren? Man hätte es kurz und schmerzlos machen können. Es wurde jedoch genau das Gegenteil.
Gleich zu Beginn der Show stellte Moderator Alexander Klaws, der bei seiner Premiere in dieser Rolle mit den Corona-bedingt leeren Zuschauerrängen arbeiten musste und sich dabei nervös, aber wacker präsentierte, Dieter Bohlen die offensichtliche Frage - schließlich fehlte jemand in der Runde: "Ihr seid auch nur zu dritt. Möchtest du darüber irgendetwas sagen?" Bohlens Antwort: "Ich bin noch nicht so ganz fertig mit meiner Meinungsbildung. Gib mir noch so eine halbe Stunde Zeit, dann sag ich was dazu."
Nach inzwischen gut einer Stunde kam die Show zurück aus einer Werbepause und das Laienschauspiel nahm erneut seinen Lauf, als Klaws nachhakte: "Möchtest du jetzt etwas dazu sagen?" Doch Bohlen kontert nur: "Ja, das ist ja relativ wichtig für viele, hab das ja gemerkt. Haben mich viele drauf angesprochen. Deswegen brauche ich noch ein bisschen Bedenkzeit." Ein billiger Trick für die Quote statt klarer Ansage. Auf Zeit spielen, kennt man von RTL: Beim "Supertalent" (auch UFA Show&Factual) hatte man einst sogar den ganzen Abend einen Auftritt angekündigt - nur um am Ende auf die nächste Show zu vertrösten.
Gegen 22.30 Uhr dann der dritte Anlauf von Klaws: "Möchtest du jetzt was sagen?" Und endlich sah das schlechte Drehbuch dieses Theaterstücks eine Antwort vor. Wobei, doch noch nicht so ganz. Dieter Bohlen holte zunächst zu einem wirren Statement aus, in dem es anfangs um so ziemlich alles ging, nur nicht um Xavier Naidoo. Im Folgenden ist seine Aussage dokumentiert:
"Irgendwann bevor die Sendung zu Ende ist, muss ich ja was sagen, ja. Und zwar möchte ich sagen, ich wollte mir natürlich erstmal unsere Kandidaten anhören, unsere letzten Sieben, die in diesem Format geblieben sind. Das ist die Wahrheit. Denn: Eins ist für mir ganz wichtig: Es geht hier wirklich in erster Linie um unsere Kandidaten, um unsere Sänger und nicht um die Jury. Das haben einige, glaube ich, in der letzten Woche so ein bisschen durcheinander gekriegt. Wir suchen hier nicht den Superjuroren oder wer weiß was. Sondern wir suchen hier... die Sendung heißt "Superstar" und den suchen wir. Wir hatten heute wirklich viel Spaß, auch nochmal vielen Dank an dieses... ihr habt gekämpft mit uns allen. Wir haben glaube ich alle unser Bestes gegeben, du hast deine erste Sendung hier als Moderator hier glaube ich super bestanden. Ich muss auch wirklich sagen zu den Kandidaten: Ich mach das ja seit 17 Jahren und ich finde diese Leistung der Kandidaten war heute wirklich außergewöhnlich stark, das liegt natürlich auch zum Beispiel an unseren Vocal Coaches, die das mega vorbereiten, die viel mit denen arbeiten, aber auch dass die sieben ein großes Talent haben."
Sie haben nichts überlesen. Bis hierhin ging es um alles, nur nicht um Xavier Naidoo. Aber Bohlen setzte nochmal an...
"Bei der anderen Sache jetzt, worauf alle ja so warten - ich finds gar nicht so wahnsinnig, ja - es ist so: Mein Team ist nicht jetzt irgendjemand aus ner Jury, mein Team - muss ich ganz ehrlich sagen - ist RTL. Für die arbeite ich seit 18 Jahren. Das ist mein Team, diese ganzen hunderte von Leuten, die hier so eine Show aufbauen, die ganzen Leute die sich um alles kümmern, ja. Das ist mein Team."
Noch immer nichts, aber jetzt, ganz bestimmt...
"Wir machen hier eine Unterhaltungssendung, da da geht es wirklich um Unterhaltung und nicht irgendwie Hass oder irgendwelche Hetze irgendwie. Und deshalb steht die ganze Jury und mein ganzes Team hinter der Entscheidung von RTL und von UFA eben. Und das ist eigentlich alles, was ich dazu sagen möchte. Und ich wünsche Euch jetzt eine gute Entscheidung, ich wünsche Euch allen - Familien und Freunde - das euer Kandidaten weiterkommt und das wir dann nächsten Samstag ganz normal weiter machen. Ich kann auch noch, eins möchte ich noch sagen: Wir werden nächsten Samstag eventuell hier oder eventuell, ich glaub ganz bestimmt, werden wir am nächsten Samstag hier wieder zu viert sitzen. Wir werden einen neuen Juroren präsentieren, vielleicht mehrere. Vielleicht also machen wir jetzt in jeder Show einen neuen, stellt Euch das mal vor! Ihr könnt dann sagen wen ihr ganz toll findet oder wie auch immer. Wir wissen das noch nicht. Da ist viel spontan. Auf jeden Fall: Nächstes Mal sitzen wir wieder zu viert, gucken wir mal wer das, ne Überraschung für Euch alle, wer da sitzen wird. Ihr werdet das bestimmt toll finden."
Man kann es sich nicht absurder ausdenken: Schenken wir mal - soviel Transferleistung müssen Sie jetzt aufbringen - den Worten aus Dieter Bohlens Mund für einen Augenblick Glauben: Um 20.15 Uhr war der Poptitan nach eigener Aussage "noch nicht ganz fertig mit der Meinungsbildung". Gut zwei Stunden später hat er sich dann glücklicherweise doch dazu entschieden, Hass und Hetze zu verurteilen. Dazu braucht Dieter Bohlen nach eigener Aussage eine Meinungsbildung? Und einen plötzlichen Sinneswandel während einer Live-Show?
Nein, natürlich nicht. Ich glaube, man darf ihm unterstellen, dass er ganz ehrlich gegen Hass und Hetze ist. Die Konsequenz daraus ist aber dann: Seine Aussage um 20:15 Uhr war einfach Unsinn und man sollte besser nichts mehr glauben, von dem, was Dieter Bohlen so erzählt. Es könnte wieder so ein Laientheater für die Quote sein.
Ach, auch sehr lustig und bei Twitter mehrfach bemerkt: Dieter Bohlen beklagte in seiner XXL-Ausführung ja, dass es in der Diskussion um Xavier Naidoo seiner sehr exklusiven Meinung nach um die Jury von "DSDS" ging, die aber laut Bohlen doch gar nicht so wichtig sei wie die Kandidaten. Nur um dann keine zwei Minuten später doch tatsächlich mehr Zeit darauf zu verschwenden, geheimnisvoll einen neuen Juroren anzukündigen, als sich von Hass, Hetze und Verschwörungstheorien zu distanzieren. Man muss Prioritäten setzen.
Das ist Realsatire, serviert von einem Mann, der offenbar mit der ihm zugetragenen Rolle überfordert ist und auch nach drei Tagen kein noch so einfaches oder klares Statement abgeben kann. Lieber Dieter Bohlen, nein, es ging in der Empörung der vergangenen Woche nie um die Jury Ihrer Castingshow. Es ging um rassistische und höchst irritierende Aussagen von Xavier Naidoo. Es sind nicht die anderen, die da etwas durcheinander bekommen haben.
Und was sagt Alexander Klaws dazu? "Also besser kann man das gar nicht formulieren als das, was Dieter gerade gesagt hat." Na dann gute Nacht.