Erinnern Sie sich noch an "The Masked Singer"? Das ist diese völlig verrückte Show, mit der ProSieben im Sommer großartige Quoten eingefahren hat. Auch in den USA waren die maskierten Sänger ein echter Quotenrenner und Talk of town. Und dennoch schaffte es die große Show-Produktion nicht auf die Emmy-Nominierungsliste. Dort landete stattdessen mit "Nailed It!" eine kleine aber sehr feine Backshow aus dem Hause Netflix. Die Zutaten: Eine völlig abgedrehte Moderatorin und Kandidaten, die mäßig backen können und dann an großen Aufgaben scheitern.
Nun hat Netflix unter dem Titel "Wer kann, der kann" auch eine deutsche Adaption von "Nailed it!" auf Sendung geschickt. "Wer kann, der kann" wird von UFA Show & Factual produziert und hebt sich sehr von dem ab, was man bislang aus dem deutschen Fernsehen in Sachen Koch- bzw. Backshow kannte. Während es in den meisten TV-Shows darum geht, ein perfektes Gericht oder Torte zu kreieren, funktioniert die Netflix-Show genau anders herum. Je schräger und misslungener ein Kuchen ist, desto besser, weil lustiger für die Zuschauer.
Und dann ist da auch noch die Zeit: Eine Folge von "Wer kann, der kann" dauert gerade mal 30 Minuten. In dieser Zeit müssen drei Kandidaten zwei Runden absolvieren. Dadurch muss man sich nicht auf eine ewig lange "Heldenreise" einstellen, sondern wird kurzweilig unterhalten. In der ersten Runde müssen die Kandidaten meist eine Kleinigkeit backen: Cake-Pops, Donuts oder Ähnliches. Zu gewinnen gibt es Sachpreise: Von einem Stabmixer-Set bis hin zu einer Zuckerwattemaschine. In Runde zwei müssen dann Torten nachgebacken werden, die von Profis stammen. Hinzu kommt extra wenig Zeit (meist nicht mehr als zwei Stunden) und schon haben die Kandidaten so viel Druck, dass garantiert etwas schief läuft. Dafür gibt’s hier für den Sieger aber auch 5.000 Euro - nur echt aus einer Geldpistole verschossen.
In den drei Folgen, die Netflix vorab der Presse zur Ansicht zur Verfügung gestellt hat, geht dann auch so einiges schief. Da läuft etwa der noch flüssige Teig im Backofen aus der Form aus, ein anderes Mal stellt ein Kandidat die Fondant-Masse in den Ofen statt in den Schockfroster. Zu Hause auf dem Sofa kann man wunderbar die Hände vor dem Gesicht zusammenschlagen und sich dem Gedanken hingeben, alles viel besser hinbekommen zu haben. Wer aber schon einmal versucht hat, eine mehrstöckige Torte plus Verzierung innerhalb von zwei Stunden zu machen, wird wissen: für Laien ist das nahezu unmöglich.
Trotz der vor allem lustigen (und oft nicht sehr leckeren) Ergebnisse, werden die Kandidaten bei "Wer kann, der kann" nicht vorgeführt. Sie alle können über sich lachen und überhaupt ist die Auswahl der Teilnehmer ein großes Plus in der Produktion von UFA Show & Factual. Sie sind wahlweise zu pedantisch oder manchmal so ruhig, dass ihnen am Ende schlicht die Zeit ausgeht. Viele von ihnen werden dann sehr kreativ, um doch noch irgendwas zu präsentieren.
Bitte nicht verwechseln: Links die Kreation des Profis, rechts die eines "Wer kann, der kann"-Kandidaten.
Die Jury besteht unter anderem aus Angelina Kirsch, die die Sendung auch moderiert, und die einigen Zuschauern wohl noch als Jury-Mitglied der ehemaligen RTLzwei-Castingshow "Curvy Supermodel" bekannt sein dürfte. Während sie dort eher blass blieb, dreht sie nun auf. Sie ist es, die locker flockig durch die Sendung führt und sich dabei nicht zu ernst nimmt. Vergleicht man sie mit Nicole Byer, die "Nailed it!" moderiert, würde Kirsch vermutlich als zurückhaltend durchgehen. Tatsächlich könnte sie manchmal noch mehr aus sich rauskommen und verrückter, abgedrehter sein. Das macht einen großen Teil des Charmes des Originals aus. "Wer kann, der kann" hebt sich aber auch durch Kirsch von gängigen Shows im deutschen Fernsehen ab.
Neben Kirsch sitzt auch Bernd Siefert fest in der Jury. Er ist ehemaliger Weltmeister des Konditorhandwerks und dementsprechend der Experte für die angefertigten Backwaren. Es ist ein schöner Kontrast, wenn man sieht, was die Kandidaten machen - und dann hört, wie es eigentlich hätte sein müssen. Siefert ist in Funk und Fernsehen noch relativ unbekannt, macht dafür aber schon eine sehr routinierte Figur. Hinzu kommen in jeder Ausgabe wechselnde Gastjuroren. Die sind mal recht bekannt wie Lilly Becker, meist aber recht unbekannt. Das tut dem Spaß aber keinen Abbruch. Keno Veith etwa, ein Landwirt mit schwarzer Hautfarbe, der mit Internet-Videos, in denen er Plattdeutsch spricht, einen gewissen Ruhm erlangt hat. Er ist es, der mit seiner guten Laune bei "Wer kann, der kann" ansteckt.
Besser gut kopiert als schlecht selbst gemacht
Hinzu kommt, dass "Wer kann, der kann" von den Machern, wie das Original, hochwertig aussieht und clever gefilmt ist. Die Zuschauer sehen immer genau so viel, wie sie sehen müssen, um ein gutes oder schlechtes Gefühl bei einer Torte zu haben. Das endgültige Ergebnis sehen sie aber erst ganz zum Schluss, wenn die verschiedenen Kreationen vorgestellt werden. So werden auch die Zuschauer noch einmal überrascht. Kreativ haben sich die Macher auch bei den Jokern gezeigt: Die schlechtesten Kandidaten aus Runde eins bekommen in Runde zwei Unterstützung, wenn sie das wollen. So kettet sich Kirsch teilweise an die Konkurrenten oder nervt sie drei Minuten durch ständiges Reden möglichst viel.
Na klar, am Ende hat die deutsche Adaption viel vom Original übernommen. Aber wie heißt es doch so schön? Besser gut kopiert als schlecht selbst gemacht. Ein wenig schade ist es da schon fast, dass eine Figur wie Wes fehlt. Der bringt im Original zum Schluss immer den Pokal ins Studio und ist dabei stets den Gemeinheiten der Moderatorin ausgesetzt.
"Entweder es klappt oder es klappt nicht", fasst eine der Kandidatinnen von "Wer kann, der kann" ihr Motto zusammen. Und während es bei den Kandidaten meist nicht so gut klappt, funktioniert die Show an sich sehr gut. Da unterscheidet sich die Adaption vom Original kaum. Und da ist es dann auch nicht so schlimm, dass "Nailed it!" bei den Emmys am Ende "RuPaul's DragRace" den Preis als beste Competition-Show überlassen musste.
"Wer kann, der kann" ist ab sofort bei Netflix verfügbar.