So schrecklich der Skandal um Harvey Weinstein und seine sexuellen Belästigungen gegenüber etlichen Frauen auch war – in optimistischster Beleuchtung wurde immerhin eine Diskussion ausgelöst, die seit Jahrzehnten überfällig war. Eine Diskussion, die durch die Klimakrise und Greta Thunbergs ebenfalls wichtige Bewegung wieder etwas in den Hintergrund gedrängt wurde. Denn abgeschlossen ist das #metoo-Thema noch lange nicht. Die ultimative Kehrtwende der Gleichberechtigung und -stellungsdebatte ist bis auf die Veröffentlichung einer feministischen Monopoly-Version nämlich kaum eingetreten. Das zeigt auch die W&B Television-Produktion "Frau Jordan stellt gleich", in der sich Katrin Bauerfeind alten weißen Männern und modernen jungen weißen Burschen annimmt.
Als Frau Jordan verkörpert Bauerfeind eine unkonventionelle Gleichstellungsbeauftragte, die in ihrer Stadt für Fairness sorgen soll. So kommt die ansässige Floristin, die von ihrem Chef betatscht wird ebenso zu Frau Jordan, wie die Frau, die bei der Aufnahmeprüfung der Feuerwehr anders bewertet wird, weil sie keinen Penis zwischen den Beinen hat. Ernste Themen, die aber immer mit einem deutlichen Augenzwinkern versehen wurden, damit auch der letzte im Publikum merkt: Lachen Sie bitte trotzdem.
Eine Aussage, die in ihrer Stärke vollkommen richtig ist. Selbst der schlimmsten Sache kann man mit dem passenden Humor eine gewisse Leichtigkeit verleihen, damit Zuschauern und Betroffenen geholfen wird, mit dem Thema umzugehen. Mit dieser mit Fingerspitzen anzufassenden Thematik beschäftigt hat sich Ralf Husmann. Der "Stromberg"-Autor schrieb die Bücher und ist Showrunner der zehnteiligen Comedy. Da stellt sich die Frage: Ist es bereits sexistisch, anzuzweifeln, ob ausgerechnet ein Mann eine Serie zur #metoo-Debatte inszenieren sollte?
Egal, wie die Antwort daraufhin lautet – "Frau Jordan stellt gleich" ist nicht das, was Husmann-Fans gewohnt sind. Während er in "Merz gegen Merz" zuletzt einmal mehr unter Beweis gestellt hat, mit welcher Leichtigkeit er doppelbodigen Humor verpacken kann, wirkt "Frau Jordan" ungewohnt offensichtlich. Es wird derart plump mit Stereotypen gespielt, dass gemeint werden könnte, Husmann hätte ausgerechnet bei solch einer Serie Angst gehabt, aus den Vollen zu schöpfen. Beispiel: Der egomanische Oberbürgermeister, der jeden alten, weißen Mann in sich vereint, der auf dieser Welt gehasst werden kann. Keine Situation wird ausgelassen, um zu zeigen, wie Brüste-fixiert und machtausnutzend er durchs Büro stolziert. In gewisser Weise ist er eine Stromberg-Version ohne jeglichen Charme. Was ihm ebenfalls fehlt, was Stromberg hatte: Facetten. In "Frau Jordan stellt gleich" fristet er, wie viele andere Charaktere, ein Dasein in der Eindimensionalität.
In der neuen, zunächst lediglich bei Joyn zu sehenden Comedy geht es jedoch nicht nur um die Gleichberechtigung der Frau. Auch Randgruppen wie Rollstuhlfahrer, die eine Rampe zum Puff benötigen, bekommen ihre fünf Minuten Fame und das Prädikat 'ebenfalls wertvoll' aufgedrückt. In diesen Momenten blüht Husmann wiederum auf, gar, als ob sich ein Knoten lösen würde. Möglicherweise steckt also doch etwas hinter der Frage, ob Husmann der Richtige für diesen Job gewesen ist. Immerhin hätte ihm eine der Autorinnen, die sich ja in seinem Writers Room befanden, gutgetan, die ihm bei entsprechenden Szenen öfters mal gesagt hätte: "Mach ruhig, gerne auch subtiler!"
Comedy ist wichtiger als moderner Feminismus
"Frau Jordan stellt gleich" bleibt aber auch in den fragwürdigsten Szenen fernab einer anzuzweifelnden Daseinsberechtigung. Dafür brilliert Katrin Bauerfeind viel zu sehr, als ob sie gewisse Drehbuchpatzer nicht mit ihrer Ausstrahlung ausgleichen könnte. Es ist vollkommen egal, in welche Situation sie geschmissen wird: Sie ist die Art Frau, die sich kleine Mädchen zum Vorbild nehmen können, wenn es um starkes Selbstbewusstsein geht. Gerade deswegen wirkt die Szene, in der sie extra ihr Dekolleté zurechtrückt, um beim Gespräch mit dem Bürgermeister weiteres Budget rauszuschlagen, als eine der besten überhaupt. Sie hat verstanden, dass Männer nach wie vor in vielen wichtigen Entscheidungspositionen sitzen. Dass sie jedoch mit den leichtesten Mitteln zu manipulieren sind, hat sie ebenfalls kapiert.
Das Schönste ist jedoch, dass sich "Frau Jordan stellt gleich" nicht als Serie zum modernen Feminismus versteht. Männer werden zwar deutlich häufiger aufs Korn genommen, als das in der Serie präsentere Geschlecht – jedoch zeigt auch Natalia Belitski als lesbische Kollegin, die so gut wie alle attraktiven Figuren anflirtet, dass Frauen ebenfalls selten ohne Sünde sind. Durch Szenen wie diese wird durchgehend das Gefühl vermittelt, dass für dieses sensible Thema zwar Aufmerksamkeit geschürt werden soll - die Comedy aber stets im Vordergrund steht. Auch wenn die notwendige Leichtigkeit stellenweise flöten geht, muss sich "Frau Jordan stellt gleich" nicht vor der männlichen Joyn-Comedy "jerks" verstecken - auch, wenn deutlich weniger Lacher geboten werden.
"Frau Jordan stellt gleich" kann ab dem 23. September beim Streamingdienst Joyn abgerufen werden. Eine klassische TV-Ausstrahlung ist ebenfalls geplant - jedoch erst im nächsten Jahr.