Offen gestanden: Die Kombination aus Medienjournalist und Serienfan macht mich für bestimmte Stoffe zwingend anfällig. Ich habe Aaron Sorkins "The Newsroom" ebenso verschlungen wie Abi Morgans "The Hour", habe mich bei "Murphy Brown" oder "Back to You" amüsiert und fiebere schon jetzt "The Morning Show" bei Apple TV+ entgegen. Spielt eine Serie hinter den Kulissen des Fernsehens, ist mein Interesse geweckt. Und bleibt selbst dann erhalten, wenn ich kleinere professionelle Ungereimtheiten entdecke.
Für Leute wie mich sind jetzt Festwochen am Montagabend bei Sky Atlantic HD. Die zweite Staffel von "Succession" folgt auf die Miniserie "The Loudest Voice". Beide Male darf man sich als Zuschauer wie ein Mäuschen im innersten Zirkel der Medienmacht fühlen. Gleichwohl sind die Unterschiede gravierend, nicht nur weil eine der beiden Serien komplett fiktiv ist, während die andere reale Personen und Ereignisse nacherzählt. Die Roys bleiben definitiv meine bevorzugte Medienzarenfamilie, die Roger-Ailes-Saga ist dagegen eher Pflichtprogramm.
Aber der Reihe nach. Was "New York Times"-Reporter Gabriel Sherman zunächst in seinen Artikeln, dann in seinem 2014er Buch "The Loudest Voice in the Room" über den US-Nachrichtensender Fox News und dessen Boss Roger Ailes enthüllte, war für viele Leser unfassbar. Der kometenhafte Aufstieg des rechtskonservativen Kanals zur Ertragsperle in Rupert Murdochs Medienimperium ging einher mit dem verstörenden Verhalten von Ailes, der Frauen erniedrigte und missbrauchte, Mitarbeiter bespitzelte, Politiker erpresste und Zuschauer manipulierte. Weil er mit diesem Nachrichtensender neuen Typs gewaltige Gewinne einspielte, blieb er allen Gerüchten zum Trotz lange Zeit unantastbar und musste erst 2016 gehen, ein knappes Jahr bevor er starb.
Zu Beginn seiner Recherchen war es die Faszination für das Phänomen Fox News, die Sherman antrieb. Je tiefer er einstieg, desto größere Abgründe taten sich vor ihm auf. Eigentlich beste Voraussetzungen, um aus dem Sachbuch eine Drama-Serie zu machen, die von Autor Alex Metcalf ("Mindhunter", "Sharp Objects", "UnREAL"), Regisseur Tom McCarthy ("Spotlight", "13 Reasons Why") und Produzent Jason Blum ("Get Out", "Whiplash") gemeinsam mit Sherman entwickelt wurde. Die realen Figuren erweckt eine 1A-Starbesetzung zum Leben: Russell Crowe unter Fatsuit und Latexmaske als Roger Ailes; Naomi Watts als Gretchen Carlson, die langjährige Fox-News-Moderatorin, die Ailes mit ihrer öffentlichen Beschuldigung zu Fall brachte; Seth MacFarlane als Ailes' PR-Chef Brian Lewis; Sienna Miller als Ailes' Ehefrau Beth.
Wer sich zuvor bereits mit Ailes und Fox News beschäftigt hat, wird in "The Loudest Voice" nicht viel Neues erfahren. Es hätte der Showtime-Serie möglicherweise gut getan, eine andere Perspektive auf diesen widersprüchlichen Mann zu wählen als seine eigene. Zumindest für Einsteiger taugt das Werk als mediale Geschichtsstunde. Kenner werden die beschriebenen Stärken zu schätzen wissen, sofern sie durchhalten. Und das wahre dramatische Vergnügen einfach in der Stunde danach bei "Succession" genießen.
"The Loudest Voice" läuft montags um 20:15 Uhr auf Sky Atlantic HD, "Succession" direkt im Anschluss um 21:10 Uhr. Die kompletten Staffeln sind jeweils bei Sky Ticket, Sky Go und Sky Q abrufbar.