Jackie Chan, der als "Drunken Master" schwer behandelbare Knochenbrüche verteilt, oder auch Bruce Lee, der in "Der Mann mit der Todeskralle" im Kampfkunst-Turnier eines Verbrecher-Mönchs antritt, um dem britischen Geheimdienst zu helfen – das Martial-Arts-Genre war schon immer eine Herberge für absurden Spaß. Zwischen all der Klopperei war für eine außergewöhnliche Story aber meist nur wenig Platz. Sentimental wurde es jedoch immer. Handschläge und Liebe haben selten besser zueinandergepasst, als in diesen Filmen. Aufgrund ihres niedrigen Budgets und den fehlenden Special Effects kann manch ein Kung-Fu-Klassiker auch als ordentliche Trash-Produktion beschrieben werden. Dass aber auch qualitativ hochwertiger Trash existiert, beweist der neue Netflix-Actioner "Wu Assassins" – eine Hommage an vergangene Martial-Arts-Tage und das beste Schlechte der Neuzeit.
Zunächst bringt Hauptdarsteller Iko Uwais all das mit, was schon Legenden wie Chan und Lee ausgemacht hat: Er besitzt ein außerordentliches Gefühl für unverkennbare Kampfkunst, eindringliche Sympathie und fehlendes Schauspieltalent. Wie auch bei seinen Vorgängern, entwickelt sich die letzte Fähigkeit von Produktion zu Produktion – aus dem Overacting und der fehlenden Mimik wird er aber wohl nie herauskommen. Doch auch das ist ein wichtiger Teil des Genres: Auf perfekte Choreografien folgen schmunzelerregende Momente, die der Drehbuchautor einst als dramatisch erdacht hat.
Uwais hat mit "The Raid I" und "The Raid II" dafür gesorgt, dass Martial-Arts einen großen Aha!-Moment erlebt. Die in Indonesien produzierten Actionfilme demonstrierten Handgemenge in Ultra-Kunst und zeigten auf, was auch heutzutage noch im Genre drin steckt. "Wu Assassins" ist ein Mix aus beiden Welten. Die Netflix-Serie bietet moderne Kamerafahrten und Inszenierungen wie bei "The Raid" und äußerst plumpe Momente wie in "Drunken Master". Sollten diese nicht dafür sorgen, dass Sie das ein oder andere Mal in Lachen ausbrechen, werden es die CGI-Effekte tun.
Die Fallhöhen in "Wu Assassins" sind verblüffend. Wie können die Kampfszenen so professionell faszinieren, während die Special Effects aus einer Cornflakes-Packung zu stammen scheinen? Eine alte, chinesische Philosophie würde wohl behaupten, dass die Dinge nunmal ausgeglichen sein müssen. Netflix hat somit das Yin und Yang seines Serienportfolios geschaffen.
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Der Mix aus Staunen und Kichern beginnt, als Uwais Figur Kai Jin vor Mafia-Schlägern flüchtet und plötzlich von einer fremden Frau gestoppt wird: "Ich habe nach dir gesucht, Kai. Das ist der Mönchsschild", sagt sie bestimmt, als er eine Art Talisman in die Hände gedrückt bekommt. "Er hat die Kräfte von 1000 Mönchen". Diese Szene kommt wie aus dem Nichts, nachdem "Wu Assassins" in der ersten halben Stunde lediglich von einem armen Koch erzählt, der mehrfach das unseriöse Angebot ausschlägt, schnelles Geld zu verdienen. "Diese Kräfte gehören jetzt dir", führt sie weiter aus und erklärt kurz vor ihrem ebenso plötzlichen Abgang noch, dass er fünf neugeborene Wu-Krieger zu töten hat, die wie die asiatische Mittelalterversionen der "Power Ranger" anmuten.
Fortan entfaltet sich eine aggressive Blödelnummer nach der anderen. Es ist derart erfrischend, nicht zu wissen, ob die nächste Szene gelungen ist oder doch eher ein Fall für Oliver Kalkofes und Peter Rüttens "SchleFaZ", dass "Wu Assassins" als eines der unterhaltsamsten Netflix Originals überhaupt durchgeht. Natürlich muss eine gewisse Affinität zu diesem Genre vorhanden sein, da hier wirklich nur die Nische mit dem Hang zu Jackie Chans anfänglichen Filmen bedient wird. Wer sich dort jedoch heimisch fühlt, wird die insgesamt zehn Episoden an einem Nachmittag wegbingen.
Serienschöpfer John Wirth ("Hell on Wheels") und Tony Krantz ("Mullholland Drive") haben mit "Wu Assassins" dafür gesorgt, dass der Begriff "Trash" wieder eine freundlichere Bedeutung verpasst bekommt. Trash kann kalkuliert sein, und das nicht nur bei Reality-Sendungen. Im Falle dieser Netflix-Überraschung wird der so breitgetretene Nostalgiefaktor außerdem aus einem ungewohnten Blickwinkel präsentiert, was nicht nur einmal dafür sorgt, dass Iko Uwais für Sekundenbruchteile wie Jackie Chan daherkommt.
Die zehnteilige erste Staffel von "Wu Assassins" steht ab sofort bei Netflix zum Streaming zur Verfügung.