Da wird sich mancher RTL-Zuschauer verwundert die Augen gerieben haben. Gerade feilschten die "Superhändler" noch um ein Gemälde, da meldete sich plötzlich Peter Kloeppel zu Wort. Eine Eilmeldung hatte es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben, doch der Privatsender nahm eine kurzfristig einberufene Pressekonferenz des Bundesinnenministers zum Anlass, um sein Programm für eine halbe Stunde zu ändern und am Tag nach der grausamen Tat am Frankfurter Hauptbahnhof, bei der ein Achtjähriger ums Leben kam, die Frage zu stellen: "Wie sicher ist Deutschland?".
Gut die Hälfte der Sendung räumte RTL für Horst Seehofers Aussagen frei, eingebettet in Einschätzungen der Hauptstadtkorrespondentin Jutta Bielig. Dazu eine Straßenumfrage, die sich in verschiedenen Städten umhörte, wie es denn um das Sicherheitsgefühl der Bürger bestellt ist – ganz gut, wenn man den Aussagen Glauben schenken darf. Weil sich dennoch laut jüngster Erhebungen immer mehr Menschen unsicher fühlen, obwohl die Zahl der angezeigten Straftaten rückläufig sind, schon RTL auch hierzu noch einen Beitrag hinterher, ehe am Ende ein Studio- Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter folgte.
Während ARD und ZDF auf "Sturm der Liebe" und Horst Lichter setzten und bei Sat.1 Streife-Polizisten fiktiven Fällen nachgingen, präsentierte Peter Kloeppel ein grundsolides Special, das tatsächlich Seriosität ausstrahlte und vor allem eines nichts war: Reißerisch. Wer an diesem Nachmittag zwischen 15 Uhr und 15:30 Uhr zufällig einschaltete, könnte gar Gefahr gelaufen sein, RTL für einen Nachrichtensender zu halten. Splitscreens, Schalten, Newsticker – und das, obwohl parallel auch n-tv sendete. Keine Frage, so relevant war das RTL-Nachmittagsprogramm lange nicht.
Dass der Sender sein Programm unterbrach, hat freilich mehrere Gründe. Da wäre einerseits das große Interesse der Zuschauer zu nennen: Am Tag der tragischen Tat am Frankfurter Hauptbahnhof erreichte die RTL-Hauptnachrichtensendung die höchste Quote des Jahres. Andererseits hat der neue Senderchef Jörg Graf schon vor Wochen die Devise ausgegeben, das Programm häufiger zu unterbrechen, was man dann auch mehrfach tat. Zum Tode Niki Laudas stellte Sender innerhalb weniger Stunden einen Themenabend auf die Beine und jüngst folgten Specials zu Hitzerekorden und Waldbränden.
Dazwischen sendete RTL aber auch eine Sondersendung über kriminelle Kinder und Jugendliche – und jetzt eben die Pressekonferenz des Innenministers mitten im Nachmittagsprogramm. Es scheint, als sei in Köln mit dem Erfolg der Specials der Mut gewachsen, schließlich war insbesondere die jüngste Programmänderung weit weniger gefällig als ein Hitze-Schwerpunkt am heißesten Tag des Jahres. Und ganz unabhängig von der Quote stellt RTL mit dem neu entdeckten Sendungsbewusstsein unter Beweis, was das Fernsehen von Streamingdiensten unterscheidet. Bleibt zu hoffen, dass die neue News-Euphorie über diesen Sommer hinaus Bestand haben wird.