Es ist gar nicht so lange her, in der Tat nicht einmal vier Jahre, da wurde noch laut getönt, Deutschland sei für gute Serien einfach zu öde. Zu limitiert sei die Branche, zu langweilig und zu mutlos. Nun, auch 2018 wurde kein deutsches "Game of Thrones" erfunden. Doch seit einigen Jahren entwickelt Serien-Deutschland allmählich ein Bewusstsein für die eigenen Stärken: "Club der roten Bänder", "Deutschland 83", "Hindafing", "Dark", "Babylon Berlin", "4 Blocks", "Arthurs Gesetz", "Das Boot" - eine beeindruckende Liste, die längst nicht vollständig ist. Und jetzt stößt auch noch die neue deutsche Amazon-Serie "Beat" dazu, die um einiges ansprechender daherkommt als Matthias Schweighöfers "You Are Wanted", die erste deutsche Eigenproduktion des Streamingdienstes.
Einen Nichtsnutz ungewohnt zum Helden machen
"Beat" belegt auf eindrucksvolle Weise, dass hiesige Serienmacher internationale Vergleiche nicht länger scheuen müssen. Hier tritt eine Hingabe und Experimentierlaune zu Tage, wie sie einst etwa bei "Breaking Bad" zu spüren war. Ein gewagter Vergleich? Nein. Denn "Beat" traut es sich, einen zwiespältigen Helden zu inszenieren, der so anders ist als jeder andere deutsche Protagonist. "Beat" ist nicht nur der Titel der Serie, sondern auch der Spitzname von Robert Schlag. Einem Berliner Party-Promoter, der sich lediglich von Drogen zu ernähren scheint. In kurioser Weise gerät er in das Blickfeld von Emilia (Karoline Herfurth) und der European Security Intelligence Agency, kurz ESI, einer Art Geheimagentenverbund Europas. Warum genau, wird nicht unmittelbar klar. Dass in seinem Stammclub plötzlich zwei Leichen an der Decke hängen, die wie ein groteskes Kunstwerk angeordnet wurden, könnte jedoch ein Grund dafür sein.
Obwohl "Beat" mit einem hypnotisierenden Techno-Abend beginnt, der in eine Ermittlung rund um ein globales Verbrechersyndikat mündet, ist Robert Schlag lediglich die Salzsäule des Geschehens. Die von Schauspieler Jannis Niewöhner begnadet verkörperte Figur ist nicht dafür verantwortlich, was in der Serie passiert, sondern fungiert viel mehr als Beobachter, der regelrecht dazu gezwungen wird, in den Storyverlauf involviert zu sein. Vielleicht ist dies auch der Grund, weshalb der drogenabhängige Endzwanziger gewisse Sympathien im Zuschauer auslöst. Weil er, trotz seines alles andere als vorbildlichen Lebens, in Situationen gerissen wird, die man selbst einer solchen Person nicht wünschen möchte. Möglicherweise liegt der Grund aber auch darin, dass Beat in Wirklichkeit irgendwo hinter seiner harten Schale ein netter Typ ist. Wenn er neben dem Sohn seines besten Freundes liegt, damit dieser besser einschlafen kann, könnte dieser Gedanke jedenfalls aufkommen.
Techno vs. Schlager
Die Inszenierung dieses Antihelden ist das Herz der Geschichte, die sich oft philosophisch darüber auslässt, dass jeder gute Mensch auch einen bösen Kern hat. Andersherum soll auch jeder böse Mensch einen guten Kern haben. Das denkt sich jedenfalls der von Kostja Ullmann dargestellte Jasper – ein alter Bekannter von Beat. Die beiden sind sich vor Jahren das erste Mal im Kinderheim über den Weg gelaufen, wo nicht abzusehen war, wie unterschiedlich ihre Leben noch verlaufen werden. Beat wurde zum erwähnten Kurator der Nachtszene, der den Techno zelebriert. Jasper wandelte sich dagegen zum religiös fanatischen Weirdo, der beim altmodischen Schlager ins Tanzen gerät. Der Kontrast, herausgearbeitet durch die unterschiedlichen Musiksequenzen, zeigt deutlich, mit welch ungewöhnlichen Mitteln Regisseur Marco Kreuzpaintner ("Krabat") sich an seiner ganz eigenen Inszenierung eines Krimi-Thrillers versucht.
Dabei spielt es keine Rolle, welcher Musikrichtung man als Zuschauer etwas abgewinnen kann. Sicherlich, die Raver unter uns werden die Clubszenen noch ein ganzes Stück mehr genießen können. Doch "Beat" schafft es unabhängig vom Geschmack, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Letztlich steht kein Musikstil im Mittelpunkt, sondern lediglich ein Lifestyle, der an manchen Stellen wie ein Blick in eine andere Welt wirkt. Hin- und hergerissen zwischen Partysequenzen und Verfolgungsjagden, könnte sich "Beat" etwas zu viel zugemutet haben. Tut es aber nicht. Die Amazon-Serie verpackt all den Schrecken der Serie mit einem präzise eingesetzten Humor, der die Story an den richtigen Stellen aufzulockern versteht - etwa wenn Beat in der Polizeiwache sitzt und plötzlich einen der Beamten fragt, welche Musik er beim Feiern hört. "Ach, alles mögliche eigentlich." Verächtlich schaut er ihn an: "Das ist, glaub' ich, das Schlimmste, was man so sagen kann". Dass er kurz darauf auf dem Klo eine Line Koks zieht, nachdem er die Beamten belehrte, dass sie nicht einfach so seine Taschen durchsuchen dürfen, passt auf absurde Art ebenso perfekt ins Setting.
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"Beat" ist euphorisierter Eskapismus, der bei all dem Heckmeck nie seine Wurzeln vergisst. Im Grunde wird nämlich ein klassischer Krimi erzählt, den es hierzulande bereits zur Genüge gibt. Und doch könnte die Sachlage nicht weiter von dem entfernt sein, was man sonntags in aller Regel im "Tatort" zu sehen bekommt. Ob es die tranceartigen Bilder sind, die Tongewalt oder schlicht die smarte Story von Norbert Eberlein: "Beat" hat sich Aufmerksamkeit verdient und zeigt, dass Serien-Deutschland allmählich erwachsen wird.
Die erste Staffel von "Beat" steht ab Freitag bei Amazon zum Streaming zur Verfügung.