Um die Samstagabendshows von ProSieben war es in den vergangenen Wochen nicht gerade gut bestellt. Erst versagte "Time Battle" auf ganzer Linie, dann schmiss Steffen Henssler das Handtuch und zuletzt konnte sich der Sender nicht mal mehr auf Joko und Klaas verlassen. Die Hoffnungen ruhen jetzt mehr denn auf auf der neuen Sendung "Alle gegen Einen", in der man nichts wissen muss und doch im besten Fall 100.000 Euro gewinnen kann. Wer die Kohle absahnen möchte, braucht vor allem ein gutes Näschen, denn in jeder Runde gilt es, den Ausgang von Experimenten richtig einzuschätzen.
Ansich eine schöne Idee – alleine schon, weil ProSieben damit vom zuletzt arg ausgereizten Prinzip vieler seiner Shows abweicht, in denen sich zwei Kandidaten im Studio messen. Bei "Alle gegen Einen" muss es der Kandidat dagegen gleich mit ganz Deutschland aufnehmen. Oder zumindest mit all jenen, die sich vor dem Fernsehen am großen Schätzen via App beteiligen. Der Clou: Je weiter der Kandidat von der richtigen Lösung entfernt ist, desto größer ist die Chance für die Zuschauer daheim, die jeweiligen Runden für sich zu entscheiden und somit den eigenen Gewinn-Pott zu vergrößern.
"Das ist Action-Entertainment für die ganze Familie", frohlockt Moderator Elton gleich zu Beginn des Abends – und auch wenn wahrlich nicht jedes Experiment derart verrückt ist, wie ProSieben verspricht, so bieten die Schätzspiele tatsächlich in vielen Fällen einen recht hohen Unterhaltungswert. Das liegt auch an Bastian Bielendorfer, der sich als "Lehrerkind" einen Namen machte und nun als Außenreporter nicht davor zurückschreckt, auch mal selbst ein Experiment über sich ergehen zu lassen.
Um herauszufinden, wie viel Popcorn während einer Achterbahnfahrt aus einem Becher fällt, steigt Bielendorfer höchstpersönlich in den Wagen, und gleich im ersten Experiment sitzt er am Steuer eines Autos, das gerade im Wasser versenkt wird. Mag sein, dass er die Situation ein wenig zu oft als "gruselig" bezeichnet, doch grundsätzlich weiß die Art, mit der Bielendorfer das Geschehen kommentiert, zu gefallen. Die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor wirkt jedenfalls stimmig.
Amüsant gerät auch der Versuch herauszufinden, wie viel Sand an einem mit Sonnenöl eingecremten Bodybuilder hängen bleibt. "Von der Größe her bist du jetzt kein Schrank, eher eine Kommode", sagt der Co-Moderator. Das spätere Abwischen des Sandes sorgt dann auch erwartungsgemäß für lustige Bilder – vor allem weil die prominenten Schätz-Experten Luke Mockridge und Jeannine Michaelsen freimütig mithelfen. "Was Leute denken, die jetzt gerade einschalten?", fragt Elton. "Kehrwoche bei ProSieben", antwortet Jeannine Michaelsen. Und auch Mockridge nimmt's mit Humor: "Nicht mein Sender, aber ich helf' ja gern."
So gesehen war es also doch noch gut, dass die beiden die gesamte Show über auf der Bühne saßen, obwohl sie den Kandidaten der Premieren-Ausgabe lediglich bei einer Runde mit ihrer Einschätzung unterstützen durften. Streng genommen wären die prominenten Gäste in der Show also durchaus verzichtbar gewesen. Das gilt auch für einige Experimente, denn leider waren nicht alle so gelungen wie jenes mit dem Bodybuilder. Als etwa in der zweiten Runde getippt werden muss, wie lange es dauert, bis mehrere Männer von Kopf bis Fuß mit Schaum bedeckt sind, erfahren weder Kandidat noch Zuschauer, welch große Schaumkanonen bei der Versuchsanordnung zum Einsatz kommen. Das aber wäre die Voraussetzung gewesen, um ernsthaft mitraten zu können.
Da wäre weniger vermutlich mehr gewesen, denn generell kommt die Show durch ihre fast dreieinhalb Stunden Laufzeit dann doch stellenweise etwas zäh und aufgebläht daher. Hinzu kommt, dass das doch sehr dunkel gehaltene Studio nicht gerade einladend wirkt. Fraglich auch, warum es erlaubt ist, den wichtigsten Joker bis zum entscheidenden Finalspiel aufzuheben: Denn nur weil er von der Möglichkeit Gebrauch machte, die Spanne der Abweichung zum richtigen Ergebnis zu halbieren, konnte sich Kandidat Kai am Ende über fast 50.000 Euro freuen, die er zuvor über zwölf Runden hinweg erspielte.
Doch all das sind Schwachstellen, an denen sich theoretisch in den nächsten Wochen arbeiten ließe, immerhin hat der Sender noch gleich drei weitere Ausgaben eingeplant. Ganz generell ist ProSieben und der Produktionsfirma Brainpool mit "Alle gegen Einen" aber eine durchaus unterhaltsame Show gelungen, die dank schlüssiger Integration der App auch von ihrem Live-Charakter lebt. Dass die App auf Anhieb reibungslos funktionierte, schien zwischenzeitlich aber auch Elton zu überraschen, wie eine Anmerkung des ansonsten aber über weite Strecken des Abends erstaunlich blassen Moderators zeigte. Auch er kann sich gewiss noch steigern.
Letztlich bringt "Alle gegen Einen" einige Zutaten mit, die dazu Zeug dazu haben, frischen Wind in die Samstagabend-Unterhaltung von ProSieben zu bringen. Jetzt gilt es, diese noch etwas stimmiger miteinander zu verknüpfen - und im besten Fall einmal nicht der Versuchung zu erliegen, jede schöne Idee auf ein XXL-Format auszuweiten. Die wichtigste Schätz-Aufgabe steht allerdings ohnehin erst noch aus: In den kommenden Wochen wird sich nämlich zeigen müssen, ob die Zuschauer den Show-Neustart zu schätzen wissen. Eine ausgemachte Sache ist das in diesen Tagen gewiss nicht.