Sein erstes Projekt nach "Mad Men", einer jener Serien, die einst das noch heute andauernde Golden Age of Television begründeten, wurde mit Spannung erwartet. Matthew Weiners jüngster Aufschlag ist nun seit Freitag im englischen Original bei Amazon Prime Video zu sehen, allerdings ist so manches anders an dieser Serie, die eigentlich nicht einmal das ist - eine Serie.



"The Romanoffs" erzählt in acht in sich abgeschlossenen Folgen in Spielfilmlänge, die fiktiven Geschichten von Personen, die im weitesten Sinne Nachfahren der 1917 ermordeten Zarenfamilie sind oder es zumindest glauben. Jede Folge hat ihr eigenes Ensemble und steht unabhängig für sich. Damit bedient "The Romanoffs" den jüngsten Trend auf dem weltweiten Serienmarkt.

Immer häufiger wird die Idee einer Anthologie-Serie zuletzt auf die Spitze getrieben. Waren es zunächst Produktionen wie "True Detective" oder "American Horror Story", die jede Staffel eine völlig neue Geschichte erzählen, erleben wir zuletzt den Trend hin zu Projekten, deren Episoden eine mehr oder weniger definierte Gemeinsamkeit haben, aber unabhängig voneinander funktionieren.

"Black Mirror" bei Netflix oder "Into the Dark" bei Hulu sind  weitere internationale Beispiele dafür, aber auch bei uns gab es mit "Verbrechen" und "Schuld" - Oliver Berbens Verfilmungen von Ferdinand von Schirachs Büchern - schon solche Serien, die letztlich die Frage aufwerfen, wie sich eine Serie definiert. So fällt es auch schwer "The Romanoffs" zu beurteilen nach den drei, der Presse vorab zur Verfügung gestellten Filmen.

In sieben Ländern auf drei Kontinenten mit acht verschiedenen Besetzungen sind so unterschiedliche Filme entstanden, dass man die Werke einzeln betrachten muss. Das wiederum ist noch nicht in Gänze möglich, weil auf expliziten Wunsch von Weiner "The Romanoffs" nicht alle Filme gleichzeitig, sondern wöchentlich veröffentlicht werden. Zum Auftakt sind am Freitag die ersten beiden Filme online gegangen.

"The Violet Hour" ist der erste Film und erzählt die Geschichte einer exzentrischen alten Dame in Paris. Anushka Lecharney (herrlich böse gespielt von Marthe Keller) ist Nachfahrin der Romanoffs oder glaubt es zumindest zu sein. Gesundheitliche Probleme machen eine Pflegekraft nötig, doch als ihr Neffe (Aaron Eckhart) eine junge Muslima einstellt (gespielt von Inès Melab) bricht zunächst jeder denkbare Rassismus aus ihr heraus. 85 Minuten lang erzählt Weiner dann seine Variation von "Ziemlich beste Freunde".



Das ist toll gespielt und stimmig inszeniert, von einer etwas plötzlichen Liebesbeziehung abgesehen. Aber es ist in erster Linie eins: Sehr konventionell. Außergewöhnlicher ist da schon der dritte Film der Reihe, der erst kommenden Freitag erscheint. In "House of Special Purpose" spielt Isabelle Huppert ganz famos eine sehr gewöhnungsbedürftige Regisseurin, die die gespielte Bösartigkeit von Marthe Keller noch einmal in den Schatten stellt.

Man sollte Matthew Weiner aber schon jetzt dafür danken, dass mit der wöchentlichen Veröffentlichung wieder die Chance besteht, sich über einzelne Geschichten auszutauschen. Mit dem Trend zum Bingewatching ist die Diskussion über einzelne Folgen in den vergangenen Jahren unmöglich geworden. Einziger Haken: "The Romanoffs", nicht aus Qualitätsgründen sondern aufgrund der Struktur, natürlich nur bedingt für die gespannte Vorfreude auf die nächste Episode gemacht.

Bei der Premiere von "The Romanoffs" Anfang Oktober in London hinterließ der gezeigte Auftaktfilm gemischte Reaktionen: Von verliebter Begeisterung bis hin zu Ernüchterung war alles dabei. Selten war das Spektrum der Reaktionen auf eine mit Spannung erwartete Serie so enorm groß. Fans der nuancierten Erzählweise von Matthew Weiner werden sicher auf ihre Kosten kommen. Zweifler, denen "Mad Men" mitunter gemächlich erschien, dürfen warten bis die ersten Rankings erscheinen: "The Romanoff - all episodes ranked from good to bad".