Heftiger Deutschrap, unzählige blutige Nasenbrüche und dealende Migranten, die Macho-Sprüche reißen. Es ist eigentlich unglaublich, dass solch eine Serie, die auf dem Papier derartig klischeebehaftet wirkt, wirklich erfolgreich werden konnte. Doch "4 Blocks" tat im vergangenen Jahr genau dies und bewies nicht nur, dass eingesessene Rollenbilder frisch inszeniert werden können, sondern auch, dass deutsches Fernsehen auf internationalem Level mithalten kann. Lob über Lob und unzählige Preise gab es für die TNT-Serie, die sich unsere Hauptstadt packte und sie in die Vorhölle des Clanbosses Toni Hamady verwandelte. Es war ein "fucking masterpiece", wie Ricky Gervais so schön sagte. Doch die stehenden Ovationen verpflichten - und so ist die nun startende zweite Staffel die eigentliche Feuertaufe für "4 Blocks".


Bestanden werden muss diese ohne Shootingstar Frederick Lau, der sich als Vince am Ende der ersten Staffel für seinen Hassfreund Toni Hamady entschied, und damit gegen einen ruhigen Ausstieg durch das Zeugenschutzprogramm. Dafür zahlte er den blutigen Preis, der sinnbildlich für die gesamte Machart von "4 Blocks" steht: Regisseur Marvin Kren geht den Weg, den bereits Filmemacher wie David Benioff und D.B. Weiss in "Game of Thrones" konsequent gegangen sind. Wenn jemand stirbt, dann stirbt er. Und wenn es einer der Lieblingscharaktere der Zuschauer ist, dann ist das eben so.

Doch diese Skrupellosigkeit, die Kren an den Tag legt, die Art, wie er mit den Gefühlen der Zuschauer spielt, ist schlicht ganz großes Kino. Damit setzt er sich mit "4 Blocks" wahrlich weit ab von all dem konventionellen deutschen Familienfernsehen, das zu Genüge produziert wird. Wie gut, dass er diesen Weg weitergeht. Für die zweite Staffel fungiert Kren jedoch als ausführender Produzent, während Oliver Hirschbiegel ("Das Experiment") und Özgür Yildrim ("Nur Gott kann mich richten") die Regie übernehmen und weiterhin mit den authentischen Büchern von Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad arbeiten. 

Die Story um Toni Hamady und seine Gangster-Familie setzt nun knapp ein Jahr nach dem Ende der ersten Staffel ein. Dafür geht es sogar mal raus aus Berlin, da Toni (Kida Khodr Ramadan) einen geschäftlichen Termin in Beirut hat. Seine Verabredung soll ihn zum Drogenkönig von Berlin machen. Eine andere einflussreiche Familie, die nun in die Fußstapfen der Chthulhu-Motorradgang tritt, hat jedoch etwas dagegen. Zu Tonis Nachteil ist diese noch weitaus mächtiger und mit dem Gustavo-Fring-artigen Anführer namens Mohammad al-Saafi (Ahmed Hafiene) in Besitz eines Mannes, der über gefährliche Intelligenz verfügt.

Doch obwohl der neue Clankrieg zwischen den Hamadys und den al-Saafis bereits ausreichen würde, eine ausdrückliche Empfehlung für die Fortsetzung der Wiedemann & Berg-Produktion auszusprechen, glänzt "4 Blocks" mit allerhand weiteren Details. So wird etwa mit Bravour bewiesen, welch starke Rollen auch Frauen in solch einer von Männern dominierten Geschichte finden können. Tonis Frau Kalila (Maryam Zaree, sollte bei den nächsten Preisverleihungen explizit berücksichtigt werden) steigert sich in ihrer Präsenz um ein Vielfaches und zeigt eindrucksvoll, dass die Männer sich wie die Affen die Köpfe einschlagen, während sie das wahre Glück auf der Seite gefunden hat, auf der keine Drogen gedealt werden. Sie hat die Cojones, die sowohl deutsche als auch muslimische Zuschauerinnen in diesem Land stolz machen.

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Und die Lobeshymne kann sogar noch weiter gesungen werden. Der Flow der Serie fühlt sich, bis auf ein paar Darsteller, die nicht ganz in ihre Rolle finden wollten, noch geschmeidiger an als im Vorgänger. Denn während der Gefängniswärter oder so mancher Cop ab und an arg gekünstelt wirken, etablieren sich die Gangsterrapper und Straßenjungs immer mehr zu gestandenen Schauspielern. Ob Veysel oder Massiv - oder Rauand Taleb, der Zeki darstellt. Ihre Performance passt sich der nochmal gehobenen Produktionsqualität an und zeigt, dass es keine gehobene Schauspielausbildung braucht, um krass zu sein. 

Dass die Feuertaufe letzen Endes mit Leichtigkeit genommen wird, zeigt auch die Atmosphäre innerhalb der sieben neuen Folgen. Während in der ersten Staffel alles darauf getrimmt wurde, den Puls oben zu halten, trauen sich die Macher nun, eine Prise mehr Humor zuzulassen. So wird der bis dato selten lächelnde und durchweg aggressiv auftretende Abbas (Veysel Gelin) beispielsweise durch einige Szenen, in denen er von seiner Frau im Knast besucht wird, tatsächlich zu einem kleinen Sympathieträger. Die Gespräche, die sie über ihre Unterwäsche und seine Enthaltsamkeit halten, nähern sich beinahe schon dem Fremdscham, sind aber vor allem witzig: "Ich habe jetzt schon einen Tsunami in der Hose."

Simple Entschleuniger wie diese sind Gold wert und vermitteln das Gefühl, dass sich das gesamte "4 Blocks"-Team noch einmal mehr denn je bewusst geworden ist, worum es hier eigentlich geht: Neukölln ist nicht nur "assi", sondern steckt voller Menschen, hinter deren Fassade es sich zu blicken lohnt. Diesen Balanceakt zwischen Härte und Humanität haben bislang nur wenige Serien hinbekommen. Sollte dieses Niveau auch in einer möglichen dritten Staffel gehalten werden, wird endgültig klar sein: "4 Blocks" schenkt uns die deutschen "Sopranos".

Die zweite Staffel von "4 Blocks" ist ab sofort donnerstags um 21:00 Uhr bei TNT Serie zu sehen. 

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