Die Radiopreise sind kaum verliehen, da hat 1Live womöglich schon seine Bewerbung für die nächste Auszeichnung abgegeben. Denn wer am Freitagmorgen die junge WDR-Welle einschaltete, dürfte sich noch einmal versichert haben, ob es nicht zu einem kurzfristigen Frequenzwechsel gekommen ist. Fast drei Stunden lang sendete 1Live seine Morningshow ohne Musik vom Band und genauso lange führten die Moderatoren Olli Briesch und Michael Imhof gewissermaßen im Freiflug durch die Sendung.
Hinter diesen außergewöhnlichen Stunden steht die Aktion "1Live Die Box", die seit Wochenbeginn läuft und die Hosts täglich vor neue Aufgaben stellt. Am Montag mussten Briesch und Imhof ihre Hörerinnen und Hörer beispielsweise in Weihnachtsstimmung versetzen - mit Bescherung und Musik von "Last Christmas" bis "Santa Baby". Und zum Ende der Woche hieß es nun eben Unplugged. Zwischendurch sorgte Studio-Gast Bosse zwar für ein wenig Live-Musik, doch ansonsten wurde vor allem eines: Geredet.
Was sich womöglich unspektakulär liest, erweist sich im durchgetakteten Formatradio als echte Herausforderung. Natürlich durfte Comedian Dennis aus Hürth nicht fehlen, aber auch Ex-BVB-Keeper Roman Weidenfeller fand den Weg nach Köln, um über sein bevorstehendes Abschiedsspiel zu sprechen. Ohne Netz, doppelten Boden und vor allem ohne Musikteppich im Hintergrund. Besonders gelungen: Die stilprägende Station Voice des Senders war live im Studio und hauchte jeden noch so dämlichen Teaser ins Mikrofon, wenn Briesch und Imhof es verlangten. Kurz vor Schluss hatte dann auch noch ein Improvisations-Coach ein paar Tipps für die beiden Moderatoren parat. Doch den hatten die beiden streng genommen gar nicht nötig.
Eine ungewöhnliche Idee, die sich in dieser Form freilich nicht allzu oft wiederholen lässt. Doch sie könnte Ansporn sein, häufiger aus dem Rahmen zu fallen. So viel Wort wie am Freitag gab es in 1Live jedenfalls zuletzt vermutlich in der nächtlichen Talkshow mit Jürgen Domian. Dass sich das Team nun aber traute, zur besten Sendezeit den Stecker zu ziehen, ist durchaus mutig. Dabei ist Mut eigentlich das falsche Wort, schließlich spielt das Radio in genau solchen Momenten seine eigentliche Stärke aus. Eine Stärke, auf die sich viele Hörfunksender - auch beim WDR - in den vergangenen Jahren viel zu selten verlassen haben.
Vielleicht ist eine Show wie jene vom Freitag in Zeiten, in denen sich jedermann zu jeder Zeit seine Lieblingssongs über Spotify holen kann, also genau der richtige Weg. Fort von der Durchhörbarkeit und hin zum Zuhörradio. Gut möglich, dass darin eine Zukunftsformel für das Medium Radio liegt, das leider oft zu viel wenig aus seinen Möglichkeiten macht.