Wenn Indien für Produktionen bekannt ist, dann vor allem für die ewig langen Bollywoodfilme, die alle zehn Minuten zum Tanzen auffordern. Dass sich damit auch in Deutschland arbeiten lässt, zeigte 2016 die Gründung des Privatsenders Zee.One. Unter dem Claim "I Feel Bolly Good" zeigt man seitdem allerlei indische Filme und Serien, die das Leben besingen. Eine Produktion wie "Ghoul" würde weniger in das Portfolio des pinken Senders passen. Denn obwohl die Serie ebenfalls im Land der vielen Kontraste gedreht wurde, wirkt sie doch amerikanischer als man glauben mag. Verantwortlich dafür ist die Co-Produktion mit Blumhouse Productions. Horrorkenner lässt dieser Name sofort aufhorchen, hat dieses Unternehmen bereits Filme wie "Paranormal Activity" und Oscargewinner "Get Out" produziert.
CEO Jason Blum vertritt dabei stets die Maxime, dass es nicht viel kosten darf. Bei "Paranormal Activity" hatte er 2007 gerade einmal 11.000 Dollar in die Hand genommen. Das sich seine Einstellung bis heute trotz großer Gewinne nicht geändert hat, kann auch "Ghoul" sofort angesehen werden. Die dreiteilige Miniserie, die einst als Film konzipiert wurde, arbeitet mit wenigen Darstellern und spielt sich größtenteils an einem einzigen Handlungsort ab – einer unterirdischen Militäranlage.
Die Atmosphäre erleidet damit jedoch keinen Bruch. Im Gegenteil: Wer "Insidious" oder "Sinister" gesehen hat, die ebenfalls aus dem Blumhouse-Universum stammen, wird das identische beklemmende Gefühl auch bei "Ghoul" zu spüren bekommen. Der gleiche Grusel wird aber nicht abgeliefert. Vielmehr scheint es so, als ob Jason Blum und Regisseur Patrick Graham ("Das Evangelium nach Satan") zu viele Folter-Filme á la "Hostel" und "Saw" gesehen haben und schauen wollten, wie viel "Torture Porn" nötig ist, um die FSK 18-Grenze zu erreichen.
Der Anfang der Serie lässt diese später erscheinende Wendung nicht einmal vermuten. Alles beginnt mit Nida Rahim (Radhika Apte), einer Kadettin des "Protection Squads". Sie lebt in einem dystopischen Indien, in dem Religionskriege und Terror gewütet haben. Das Militär hat die Führung übernommen und es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Glauben zu unterdrücken. Als bei Nidas Vater (S.M. Zaheer) Bücher gefunden werden, die laut den neuen Gesetzgebungen verboten sind, muss sie sich entscheiden. Entweder hält sie zu ihm oder zum Staat. Sie bleibt ihrer Berufung treu und verrät ihn, wodurch er verhaftet wird.
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Für so viel Loyalität winkt ihr eine Beförderung. Sie wird in einen abgelegenen Verhörbunker beordert, in dem mit mittelalterlichen Foltermethoden Rebellen in die Mangel genommen werden. Eines Tages wird der bekannte Terrorist Ali Saeed (Mahesh Balraj) eingeliefert, der dafür sorgt, dass "Ghoul" von der dystopischen Mystery-Serie zum blutigen Gewaltexzess ausartet. Kaum ist er bei Nida und dem indischen Militär zu Gast, geschehen unerklärliche Dinge. Zunächst werden die Wärter und Insassen von Alpträumen geplagt, ehe auch die physische Stromleitung zusammenbricht. Für Nida zeigt sich immer mehr, dass Saeed kein normaler Mensch ist, sondern ein gefährlicher Dämon, ein sogenannter Ghul.
Wenn Saeeds übernatürliche Persönlichkeit zum Vorschein kommt, wird’s in der Tat unheimlich. Doch davon bekommt der Zuschauer erst etwas zu sehen, wenn er bis zur dritten Episode durchhält. Davor muss er sich erst einmal die Pilotfolge anschauen, die schwerfällig das Grundkonzept der Serie erläutert, und die zweite Episode, die besagten Folter-Flair mit sich bringt. Bislang hat es kaum ein Netflix Original gegeben, das einen derartig arrhytmischen Ton an den Tag legt und die Spannung so unproportioniert verteilt, wie "Ghoul".
Dass diese Umstände so nun der Fall sind, ist äußerst bedauerlich. Denn wie es Blumhouse bisher immer gezeigt hat, sieht auch "Ghoul" trotz weniger Mittel hochwertig produziert aus. Obendrein hat die Miniserie sogar einen weiblichen Hauptcharakter, der mit seinen Entscheidungen ungewöhnlich interessant daherkommt. Von ihr erfährt der Zuschauer jedoch nur mehr, wenn er sich durch stumpfe Qualen kämpfen kann. Wer parallel aber auch noch "The Walking Dead" schaut, könnte davon bereits genug haben.
Die erste Staffel von "Ghoul" steht bei Netflix ab sofort zum Streaming zur Verfügung.