In mehr als zehn Jahren "Schwiegertochter gesucht" hat der deutsche Fernsehzuschauer schon so manche Kuppelei zu sehen bekommen, auf die er vermutlich besser verzichtet hätte. Das Problem an Formaten wie diesen ist es ja, dass das Gefühl von Peinlichkeit und Fremdscham derart dominierend ist, dass man sich fürs Einschalten eigentlich selbst hassen müsste. Nun kennt sich aber längst nicht nur RTL mit solch fragwürdigen TV-Romanzen aus – auch Sat.1 hat mit "Schwer verliebt" eine Zeit lang selbst ganz munter dieses Feld der Fernsehunterhaltung bedient und damit so manch wehrlosen Protagonisten der Lächerlichkeit preisgegeben.
Man durfte also gespannt sein, welche Richtung der Sender mit seiner neuesten Kuppelshow einschlagen würde – eine, in der keiner der Kandidaten jünger ist als 60 Jahre. "Hotel Herzklopfen" heißt die Show und glücklicherweise hat Sat.1 bei der deutschen Adaption des ursprünglich aus Belgien stammenden Formats auf die Expertise von SEO Entertainment vertraut. Die kleine Produktionsfirma hat in der Vergangenheit mit "Das Lachen der Anderen" oder der Feuerwehr-Doku "Feuer & Flamme" schon mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie schönes und vor allem unkonventionelles Fernsehen machen kann.
Nun ist eine Kuppelshow per sé natürlich nicht gerade der Inbegriff von dem, was man als unkonventionell bezeichnen würde. Und doch zeigt das Format ganz gut, dass Verlieben im Fernsehen mehr sein kann als Alliterationen und Scheunenfest. Wer sich der Sendung nähern möchte, muss allerdings zunächst Helene Fischers "Herzbeben" überleben, das zu Beginn über die Bilder der alleinstehenden Damen und Herren wummert, die es zu verkuppeln gilt. Danach aber zeigt sich schnell der erste gravierende Unterschied zu anderen Shows dieses Genres: Im "Hotel Herzklopfen" gibt es keinen Off-Sprecher, der noch einmal erzählt, was man ohnehin sehen kann.
Stattdessen kommen die Singles selbst zu Wort – und gleich drei Moderatoren, die als eine Art Reiseleiter fungieren und die rüstigen Rentner eine Woche lang auf der Suche nach der Liebe bespaßen. Mit YouTube-Sternchen Sarah Mangione, "Frühstücksfernsehen"-Moderator Daniel Boschmann und Lutz van der Horst, dem rasenden Reporter der "heute-show", hat Sat.1 ein einigermaßen ungewöhnliches Team zusammengestellt, das sich zusammen mit den Singles auf die Reise in ein schickes Hotel in den Schweizer Alpen begibt und in kurzen Zwischenschnitten mehr oder weniger amüsante Kommentare zum Geschehen abgibt.
Das wirkt stellenweise zwar etwas zu sehr auswendig gelernt, funktioniert als belebendes Element aber nach einer Weile ganz gut, weil es dem Format eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Dieser Eindruck entsteht auch durch ihre Präsenz vor Ort. Wenn van der Horst im rosarotem Regencape den Party-DJ mimt und die Damen mit den Herren vertraut macht, dann hat das schon viel Lustiges. Unterhaltsam wird’s aber auch, weil viele der Senioren mit einer erstaunlichen Lockerheit an das Unterfangen gehen.
So wie der 63-jährige Gusti, der beim gemeinsamen Ausflug im Sessellift das Alter der ihm zur Seite gesetzten Susanne in Erfahrung bringen möchte, aber erst mal auf Granit stößt. "Du weißt schon, dass ich Metzger war", fragt er sie und erzählt schließlich davon, wie er einst das Alter von Kühen mittels eines beherzten Griffs an den Euter schätzte. "Aber bei dir kann ich ja keinen Eutergriff machen", scherzt er – und bricht damit prompt das Eis.
Doch "Hotel Herzklopfen" bietet, wenn nötig, auch Raum für leise Zwischentöne, immerhin hat die Partnersuche der Über-60-Jährigen mitunter eine ernste Vorgeschichte. Astrid etwa erzählt davon, dass sie sich von ihrem einstigen Ehemann zunehmend eingegrenzt fühlte. "Ich wollte nicht die kleine Hausfrau bleiben", sagt sie und schiebt kämpferisch hinterher: "Das Leben ist doch nicht zu Ende, nur weil ich 75 Jahre alt bin!" In besonderer Erinnerung bleibt aber Rolf, dessen große Liebe von einem auf den anderen Moment eine Zäsur erfuhr, als er seine mit dem Auto verunglückte Frau tot am Straßenrand auffand. Eine bewegende Geschichte, an die sich trotz aller Tragik eine optimistische Wendung anschließt, weil sich Rolf und Astrid nach dem ersten Kennenlernen so gut verstehen, dass sie nach einer Abstimmung sogar als Paar des Tages hervorgehen.
Als Lohn bekommen die beiden eine Nacht in einem romantischen Chalet spendiert – "ohne Kameras", wie Lutz van der Horst betont, was selbst die 75-Jährige verwundert. "Aber mit Mikros?", fragt sie etwas ungläubig zurück. Doch auch die bleiben tatsächlich ausgeschaltet. Diese kurze Szene zeigt ganz schön, dass es den Machern von "Hotel Herzklopfen" nicht darum zu gehen scheint, jeden Moment der Romanze ausschlachten zu wollen. Dieser Versuchung zu widerstehen, ist vermutlich die größte Stärke der neuen Sat.1-Sendung, in die man sich nach der ersten Folge glatt selbst verlieben kann.