Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir uns an dieser Stelle schon einmal mit "Undercover Boss" bei RTL beschäftigt und dem Format ein vernichtendes Urteil ausgestellt (Hier geht’s zur TV-Kritik von damals). Zur neuen Staffel hat man sich bei Tower Productions und RTL die Kritik etwas zu Herzen genommen und Dinge verändert. Den Mitarbeitern wird inzwischen vorgegaukelt, sie könnten mitentscheiden, ob der Chef im Praktikanten-Outfit später einen Job bekommt. Dafür müssen sie ihn bewerten - die Verantwortlichen haben dafür sogar einen Namen einer ausgedachten TV-Sendung erfunden, um ein möglichst perfektes Täuschungsmanöver zu inszenieren. Kurz gesagt: "Undercover Boss" wurde durch die Änderungen nicht besser, aber immerhin etwas plausibler. Doch offensichtlich wollte man sich nicht mit den regulären Ausgaben des Formats zufrieden geben - und überdreht das Rad nun mit einer Promi-Version völlig.
Schon als bekannt wurde, dass RTL eine Promi-Variante von "Undercover Boss" zeigen würde und gleichzeitig die Bilder von Detlef Soost mit angeklebtem Bart und Hornbrille veröffentlicht wurden, konnte man eigentlich nur mit dem Kopf schütteln. Während Vox in seiner Sendung "Story of my Life" bewies, dass Gesichtsveränderungen auch sehr realistisch sein können, beschränkt man sich bei Detlef Soost auf das Übliche: Fake-Haare, Fake-Bart und XXL-Brille.
Kein Wunder, dass sich RTL in den vergangenen Wochen Spott und Hohn in den sozialen Netzwerken ausgesetzt sah. So schlecht wie Detlef Soost bei "Promi Undercover Boss" war wohl noch nie jemand in dem Format verkleidet. Es wird gar nicht mehr der Versuch unternommen, ernsthaft verschleiern zu wollen, wer der Chef bzw. Promi eigentlich ist. Immerhin schickt man Soost dann nicht in seine eigenen Tanzstudios, hier wäre er wohl sofort aufgeflogen, sondern quer durch die Republik. Der Tanzcoach soll junge Talente entdecken, um sie zu fördern.
Hier gehen die Probleme weiter: Soost trifft natürlich auf Tänzer. Die dürften ihn eigentlich auch kennen, spielen die Scharade aber gerne mit. Warum? Am Ende gibt es für alle schließlich Geschenke! Das ist ja beim Original-Format auch immer so. Es gibt dann auch überhaupt keine plausible Geschichte, die man den vermeintlich ahnungslosen Tänzern auftischt. Warum besucht Detlef Soost, der mit aufgeklebtem Bart und Haar Freddy heißt, die Tänzer? Warum ist ein Kamerateam dabei? Und was ist eigentlich das Ziel des Besuchs?
Soost versucht auch gar nicht, seine Identität zu verschleiern. Er redet wie immer mit einer sehr markanten Stimme und eigentlich möchte man am liebsten die ganze Zeit vor Scham im Sofa versinken, weil es so peinlich ist. Die Idee ist ja schön und gut: Ein Promi verkleidet sich und überrascht ahnungslose Menschen. Das hat es zuvor ja schon unzählige Male gegeben. Wenn das aber so stümperhaft gemacht ist und Soost dann auch noch in die Kamera sagt, dass er nicht enttarnt wird, so lange sein Bart nicht abfällt, möchte man dem Fernsehgerät am liebsten ganz laut "NEIN" entgegen brüllen.
Richtig skurril wird es, wenn der vermeintliche Tanz-Novize Freddy die Menschen interviewt, bei denen er undercover ist und von denen er eigentlich etwas lernen sollte. In typischer "Undercover Boss"-Manier geht es dann um den bisherigen Werdegang der Kandidaten und größere und kleinere Probleme. Spätestens hier ist wohl jedem der Tänzer klar, dass es um was anderes geht als um einen Mittvierziger, der etwas aus dem Training ist. Mit zwei Tänzern, die er besucht, tritt Soost am Ende des Tages in einem Club auf. Warum? Das weiß man nicht so genau.
Den ersten ehrlichen Moment hat "Promi Undercover Boss" nach rund 20 Minuten, als die Mutter von Emily, die Soost als Freddy besucht hatte, den Fake auf den ersten Blick erkennt. Ihr erklärt er dann seinen Plan und tut dabei so, als wäre er von der Enttarnung ernsthaft überrascht. Ganz klar: Wer tanzt und sich auch nur ein bisschen in der Branche auskennt oder Fernsehen schaut, kennt natürlich auch Detlef Soost. Dass alle anderen ihn nicht erkannt haben wollen, erscheint bei dieser Maskerade eher unwahrscheinlich.
Ein kopfloses Laienspiel
Interessante Geschichten hätte es durchaus zu erzählen gegeben. Soost sagte etwa gleich zu Beginn, dass er bei "Popstars" irgendwann die Bodenhaftung verloren habe. Es gibt interessante Einblicke in seine Kindheit. Auch die Geschichte der jungen Emily, die an einem Herzfehler leidet und trotzdem tanzt, hätte man viel stilvoller aufbereiten können. So aber blieb es beim kopflosen Laienspiel.
Und am Ende müssen alle Menschen, die Soost zuvor als Freddy besucht hatte, nach Berlin kommen, dort findet schließlich die Auflösung statt. Warum diese Tänzer nun aus ganz Deutschland nach Berlin gekarrt werden, wenn es doch vermeintlich nur darum geht, ob Freddy eine Tanzkarriere wagen soll, bleibt unbeantwortet. Zum Schluss gibt es aber in schöner "Undercover Boss"-Manier ein Happy End, viele mehr oder weniger überraschte Gesichter und Geschenke für alle. Die junge Emily darf in einem Tanzstudio in London trainieren und an einer deutschen Meisterschaft teilnehmen. Die anderen bekommen einen Flug nach Los Angeles und eine Tanzausbildung plus Job in einem Soost-Tanzstudio spendiert.
Hätte man sich bei Tower Productions und RTL etwas mehr mit den Stärken und Schwächen des Formats beschäftigt und nicht einfach nur einen Promi in das bestehende Konzept gezwängt, hätte es eine nette Sendung werden können. So aber bleibt es bei den vielen schon bestehenden Schwächen - plus der Skurrilität durch die Verkleidung, die eigentlich keine war. Die Promi-Version von "Undercover Boss" ist eigentlich der letzte Beweis dafür, dass dieses Format am Ende ist. Da helfen auch die kleinen Stellschrauben nicht mehr.
In einem zweiten Promi-Special von "Undercover Boss" geht es übrigens um Angelo Kelly. Und auch für den Sänger haben die Verantwortlichen wieder ganz tief in die Kiste mit den Aufklebe-Bärten gegriffen: