Den oberen oder unteren Rand der Alterspyramide filmisch glaubhaft zu machen, endet hierzulande verlässlich im Desaster. Stellt das deutsche Fernsehen Senioren dar, geraten sie vorwiegend zu juvenil. Treten Jugendliche auf, dann ähnelt ihr Verhalten stets dem, was Erwachsene entweder lieben oder hassen, weshalb es eigentlich nur junge Flegel oder Engel gibt. Die Abermillionen Best-Ager im fiktionalen Krimiromanzencomedy-Mittelbau kriegen hiesige Produktionen zwar besser hin. Sobald jedoch die Alterskohorte der Digital Natives im Bild ist, wird es gern hochnotpeinlich.
Das sollte man sich kurz vor Augen halten, wenn ZDFneo heute Abend um 22.45 Uhr den nächsten Versuch wagt, diesen Lebensabschnitt zwischen infantil und geriatrisch seriell auszuleuchten. Er heißt „Nix Festes“ und skizziert die Geburtsjahrgänge vor 1990 zumindest im Titel schon mal ganz gut. Auch drei der Protagonisten sind schließlich Opfer einer mitteleuropäischen Pandemie. Ihr Inkubationszentrum liegt in Berlin. Der zugehörige Virus heißt: Adoleszenzverweigerung. Und befallene Thirtysomethings wie Jonas, Wiebke, Basti oder ein wenig jünger, aber ebenso flatterhaft auch Jenny kriegen praktisch nichts auf die Kette, das allerdings mit ganz großer Geste.
Gemeinsam leben die vier Prachtexemplare der Generation Y in zwei Wohnungen eines Altbaus der angesagten Viertel, wie die inneren Hauptstadtkieze genannt werden. Beruflich wie emotional völlig orientierungslos, suchen sie alle gemeinsam nach der großen Liebe zur fabelhaften Festanstellung oder zumindest sporadischem Sex zum Gelegenheitsjob. Was alle vier finden, sind allerdings eher flüchtige Online-Dates und wirre Startup-Ideen. Es ist ein feuchtfröhliches Alltagschaos, in das Regisseur Christoph Schnee – selbst eher Teil der Generation Golf – sein junges Ensemble genüsslich stürzen lässt.
Verkörpert wird es von Schauspielern ihres ungefähren Echtalters: der 32-jährigen Josefine Preuß als Film- und Fernsehautorin Wiebke ohne Aufträge, Beziehung, Perspektiven, aber mit dem gleichaltrigen Jonas (Sebastian Fräsdorf) zur Seite, der seinen Beruf, das Haus und manchmal auch die Koje mit seiner Ex-Freundin teilt. Für ihre emotionale Antriebslosigkeit werden sie unablässig von Jonas‘ zappelig-virilem Mitbewohner Basti (Tim Kalkhof) verspottet, der zwar reichlich begeisternden Sex mit wechselnden Männern hat, aber schon so lange nicht mehr in seinem Lehrberuf als Koch gearbeitet hat, dass er sich in Folge 1 begierig auf die verschrobene Idee seiner Wohnungsnachbarin Jenny (Marie Rathscheck) stürzt, vegane Hundekuchen mit Leberwurst zu produzieren.
Das ist durchaus unterhaltsam. Man merkt den Autoren Markus Barth und Lars Albaum an, dass sie vor „Nix Festes“ jahrelang Dialogperlen für Profis wie Harald Schmidt und Anke Engelke oder Formate wie „Mord mit Aussicht“ und „Dani Lowinski“ verfasst haben. Die Charaktere sind putzig, ihre Erlebnisse nachvollziehbar, einige der Witze sogar richtig zündend. „Nix Festes“ könnte also ein Low-Budget-Format mit High-Budget-Wirkung sein; wäre da nicht das eingangs erwähnte Problem der filmästhetischen Alterspyramide. Denn ob nun Wirtschaftswunder, Golf, Y oder wie immer sie neudeutsch umschrieben wird – auch in diesem Vierteiler krankt jede Generation krankt heilloser Überzeichnung.
Sie äußert sich darin, dass weder die Anfangsdreißiger in den Etagen überm Kneipentreffpunkt des Endvierzigers Lennart (Dirk Martens) noch dessen altberliner Stammgast Mitte 50 je über den habituellen Tellerrand ihrer Alterskohorte blicken. Und weil das hier Comedy made in Germany ist, muss die Pointe jedes zweiten Witzes dazu auch noch mit einer Mimik verstärkt werden, die an Didi Hallervordens ulkige Klobrillengläser erinnern. Voller Wehmut ruft man sich da internationale Vorbilder dieser gut gemeinten Serie vor Augen. Die Netflix-Sensation „Master of None“ vom indischstämmigen Komiker Aziz Ansari zum Beispiel, dessen Alter Ego Anfang 30 sich als – Achtung – erfolgloser Film- und Fernsehdarsteller durch New York wurschtelt. Und die Wahrhaftigkeit dieses Abnutzungskampfes mit der Leistungsgesellschaft wird vom australischen Pendent „Please Like Me“ sogar übertroffen. Als schwules Abbild seiner Selbst kriegt es Showrunner Josh Thomas mit den mal urkomischen, mal todtraurigen Begleiterscheinungen der Adoleszenzverweigerung zu tun, das man beim Zusehen dauernd Tränen der Rührung heult.
Davon ist „Nix Festes“ trotz baugleicher Ausgangslage weit mehr als einen Kontinent entfernt. Dennoch haben die vier Dreißigminüter zum Auftakt auf ZDFneo oft mehr Esprit als vierzig Staffeln Schmunzelkrimis zusammen. Wenn Jonas etwa Bastis berufliches Scheitern in spe „Gott sei Dank! Gestern dachte ich noch: wenn in Berlin doch mal jemand’n Start-up in Berlin gründen würde“ ausruft, während er sich selbst mit Werbesprüchen für die Mülltonnen der Hauptstadt über Wasser hält, ist das lustig, treffend, überaus glaubhaft. Vielleicht groovt sich die Serie ja bald auf diesem Niveau ein, statt Josefine Preuß bei jedem Kalauer die Augen aufreißen zu lassen. Einen Versuch wäre es wert.