Wer hat sich in seiner Schulzeit nicht schon immer mal ein wenig Abwechslung gewünscht vom trockenen Pauken in Mathematik, Physik oder Chemie? Den Oberstufenschülern eines Gymnasiums in Steinhagen wird es womöglich ähnlich gegangen sein - da kommt der prominente Besuch gerade recht, den Vox für seine neue Sendung vorbeigeschickt hat. Niemand geringeres als der ehemalige Box-Weltmeister und Olympiasieger Wladimir Klitschko versucht sich eine Doppelstunde lang als "Vertretungslehrer".
"Ein absoluter A-Plus-Promi", schwärmt eine Schülerin, die ebenso wie der Rest der Klasse wohl eher einen deutschen Mittelklasse-Promi erwartet hätte. Doch der 41-Jährige schafft es mühelos, die Hemmungen abzubauen und begrüßt jeden einzelnen mit einem festen Händedruck. "Ich möchte mich mit euch auf die gleiche Ebene setzen", betont er. Dann streicht er das "Dr." und das "Klitschko" auf der Tafel durch. "Ich bin Wladimir", sagt Klitschko und macht sogleich deutlich, dass es heute nicht etwa um Biologie oder Erdkunde gehen wird, sondern um das Leben.
Weil Klitschko in der Rolle des "Vertretungslehrers" eben nicht dazu gezwungen wird, klassischen Unterricht machen zu müssen, gerät das neue Format, für das die Produktionsfirma Norddeich TV verantwortlich zeichnet, bisweilen erstaunlich tiefgründig. Mag sein, dass der ehemalige Profi-Boxer manchmal ein wenig zu sehr an einen Motivationstrainer erinnert, doch den Draht, den er zu den Schülerinnen und Schülern innerhalb kurzer Zeit entwickelt, ist durchaus bemerkenswert - wohl auch, weil sie spüren, dass er nur allzu gut weiß, wie es ist, sich vom Underdog zum Champion zu entwickeln.
Genau diese Willensstärke ist es, die Wladimir Klitschko mit seinen 64 Siegen aus 69 Kämpfen zu vermitteln versucht. Es ist Handwerkszeug, das die Schüler gut gebrauchen können, blicken sie kurz vor dem Abitur doch einer unsicheren Zukunft entgegen. Sehr offen erzählt eine 18-Jährige von ihren Existenzängsten, die sie plagen, seit ihr eine Krankheit zu schaffen macht. Eine andere Schülerin spricht davon, wie schüchtern sie doch ist. Klitschko tut, was er am besten kann: Er vermittelt Stärke und zeigt, wie wichtig es ist, gemeinsam zu kämpfen.
Dabei wirkt "Dr. Steelhammer" menschlich, ja stellenweise sogar verletzlich, wenn er über die Herausforderungen spricht, die er selbst in seinem Leben und in seiner Karriere zu meistern hatte. "Jeden Traum, den ihr habt, kann man schaffen - ohne Ausnahme", sagt der prominente "Vertretungslehrer" und hängt als Beleg Fotos von Arnold Schwarzenegger und Mark Zuckerberg an die Tafel, ganz so, als sei er selbst nicht Beispiel genug. Am Ende der Doppelstunde verteilt er dann noch Box-Handschuhe, die die Schüler mit einem Satz beschriften sollen: "Ich bin die bewegende Kraft."
An manchen Stellen sind die Lebensweisheiten womöglich ein wenig zu dick aufgetragen; ins Gewicht fällt das jedoch kaum, weil man vor dem Fernseher den Eindruck gewinnt, dass die Oberstufenklasse angesichts so mancher Zukunftssorgen dankbar dafür ist, wenn sich ein Lehrer zwischen Vokabeln und binomischen Formeln auch mal den Sorgen zuwendet, die sich abseits von Klausuren auftun.