Warum das Jahr für RTL schon seit Menschengedenken nur elf Monate hat, ist bis heute ein gut gehütetes Geheimnis des Senders. Zumindest Günther Jauch scheint's allerdings nicht zu stören – wie sonst ist es zu erklären, dass er am Sonntagabend bereits zum 30. Mal für einen Jahresrückblick vor der Kamera stand? Doch während der frühe Zeitpunkt gewohnt fragwürdig ist, scheint man sich bei RTL die inhaltliche Kritik des Vorjahres sehr zu Herzen genommen haben. Erschreckend belanglos war die Show damals dahergekommen, was schon was heißen will, weil den bunten TV-Rückblicken ja selten große Relevanz nachgesagt wird.
Diesmal machte der Sender allerdings vieles richtig, auch wenn die Geburt eines Babys inmitten einer Autobahnausfahrt, um die es gleich zu Beginn ging, ganz sicher nicht zu den wichtigsten Themen des Jahres zählte und wirklich wichtige Themen wie die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten oder die gescheiterten Jamaika-Gespräche nach der Bundestagswahl nur am Rande Erwähnung fanden. Zum Versprechen, der sich aus dem Titel der Show ergibt, passte die kleine Geschichte aus dem Leben aber natürlich zweifelsohne.
Dass "2017! Menschen, Bilder, Emotionen" stimmig wirkte, hängt nicht zuletzt mit der prominenten Gästeriege zusammen, die Jauchs Produktionsfirma i&u TV zusammengetrommelt hat. Da war beispielsweise Boris Becker, der jüngst seinen 50. Geburtstag feierte und bei RTL noch einmal die Absicht erklärte, seine offenen Rechnungen nach Möglichkeit begleichen zu wollen. Walter Kohl, Sohn des im Sommer verstorbenen Ex-Kanzlers, erinnerte wenig später an seinen Vater und mit Sebastian Kurz begrüßte Günther Jauch sogar den Mann, der wohl schon bald mit Anfang 30 zum österreichischen Bundeskanzler ernannt werden wird.
Daneben war dann auch noch Platz für Erinnerungen an die Ausschreitungen des schwarzen Blocks am Rande des G20-Gipfels in Hamburg und die Schilderungen ein Paares, das das Massaker von Las Vegas überlebte. Besonders beeindruckend geriet der Auftritt einer jungen Frau, die mit den Folgen eines Säureangriffs leben muss und dies auf sehr bewundernswerte Weise tut. Ungleich humorvoller ging es zu, als jener BBC-Reporter die Bühne betrat, der in diesem Jahr weltweit für Schlagzeilen sorgte, nachdem seine Kinder ein Live-Interview störten. Klar, dass die Sprösslinge auch den heiligen Jahresrückblick crashen durften.
"Jetzt blicken Millionen Fans ein bisschen besser durch"
Für den lustigsten Moment des Abends sorgte allerdings der Moderator höchstpersönlich, als es um mehrere Schüler ging, die sich aus Solidarität mit ihrem an Krebs erkrankten Mitschüler eine Glatze schneiden ließen. Ob er inzwischen von seiner Freundin getrennt lebe, wollte Günther Jauch eigentlich im Scherz von einem der Freunde wissen, nicht ahnend, dass die Beziehung mittlerweile tatsächlich in die Brüche gegangen ist. "Tschuldigung, das wusste ich nicht", sagte Jauch, der es Stunden später mit einer weiteren Trennung zu tun bekam.
Ganz am Ende einer über weite Strecken flotten Sendung kamen nämlich auch Sarah und Pietro Lombardi noch zu ihrem Auftritt bei "Menschen, Bilder, Emotionen" - wohl gemerkt: gemeinsam. Frei nach dem Motto: Die Reste kommen zum Schluss. Es war vermutlich nicht das ruhmreichste Interview, das Günter Jauch in seiner Karriere führte, aber immerhin bemühte er sich, es möglichst schnell über die Bühne zu bringen und äußerte zum Schluss die leise Hoffnung, zumindest die Anhänger der beiden glücklich gemacht zu haben. "Jetzt blicken Millionen Fans ein bisschen besser durch", mutmaßte er, bevor Pietro zusammen mit Kay One noch irgendwas über Snapchat und Insta-Storys rappen durfte.
Mit diesem Song im Ohr wurden die RTL-Zuschauer schließlich in die Nacht entlassen, nachdem zuvor bereits die Kelly Family für das "Comeback des Jahres" gefeiert und beim Weihnachtssingen von Günther Jauch mit der Blockflöte begleitet wurde. Nun, zumindest musikalisch scheint 2017 ein eher durchwachsenes Jahr gewesen zu sein, wenn man den Rückblick vom Sonntagabend als Maßstab nimmt. Was bleibt, ist die leise Hoffnung, dass der Dezember in dieser Hinsicht Besserung bringen wird. Für den Jahresrückblick ist es dann aber freilich wie immer schon zu spät.