Kennt ja jeder, solche Scheißtage: Morgens wird man fast vom stadtbekannten Gangsterboss beim Sex mit dessen attraktiver Gattin im Wohnloft erwischt, ein paar Stunden später versaut man den selbst eingefädelten Drogendeal, muss sich vom eigenen Polizisten-Zwillingsbruder festnehmen lassen, der angeschossen wird und einem in den eigenen Armen wegstirbt, aber im letzten Atemzug noch den Dienstausweis rüberreicht, bevor man ihn im Hafenbecken versenkt, um seine Identität anzunehmen und fortan brav jeden Morgen zur Arbeit zu dackeln, Mordfälle aufzuklären und sich mit der Fast-Ex-Gattin anzuzicken, die im Kommissariat zugleich die Vorgesetzte ist.
Beim Ausdenken ihrer Rahmenhandlung haben die Autoren der neuen RTL-Serie „Bad Cop – kriminell gut“ nur schnell die Plausibilität in Urlaub geschickt und der Glaubwürdigkeit gleich ganz gekündigt. Schon konnte die Arbeit losgehen!
Aber das muss ja keine schlechte Voraussetzung sein für eine Krimiserie, die wirklich nichts anderes will, als ihre Zuschauer ein Dreiviertelstündchen unterhalten.
Hauptprotagonist ist der Kriminelle Jan Stark, der – unbemerkt für Freunde, Verwandte und Kollegen – in die Rolle seines verstorbenen Polizistenbruders Jesko schlüpft. In der wandelt er sich plötzlich vom Ganoven zum Ermittler, verliebt sich mit der Zeit in seine Schwägerin und holt zwischendurch die Kinder vom Sportunterricht ab. „Nervenaufreibend“ findet das RTL, wo man vor einiger Zeit gleich fünf neue Serien in einem Rutsch beauftragt hat, um „die Dosis eigenproduzierter Fiction (…) deutlich (zu) erhöhen“, wie das im Sendersprech heißt. Die Nervenaufreibung ergibt sich aber allenfalls dadurch, dass man beim Zusehen über die hanebüchene Story staunt, in die sich der „Bad Cop“-Rollentausch vor Hamburger Hafen- und Elbphilharmoniekulisse einfügt.
Das ganze Konstrukt wackelt an allen Ecken und Enden, Charaktere wechseln von überschwänglichen Gefühlsausbrüchen binnen Sekunden in nüchterne Polizeiarbeit oder alltäglichen Familienstreit zurück – wenn nötig, auch umgekehrt. Zwischen dem Autobombenmord und der Feuerteufeljagd wird eiligst der an Land geschwemmte Bruder beerdigt, und keiner schöpft Verdacht, obwohl sich der Polzisten-Papa plötzlich ganz anders benimmt als früher: Der raucht! Und ist frech! Und fährt Motorrad! Da kriegt sogar die Ex, die den Gatten eigentlich in die Garage ausquartiert hatte, ganz große Augen: „Ich kenn dich so gar nicht. Bleib so!“
Tatsächlich liegt es vor allem an Schauspieler David Rott, der den Zufallskommissar spielt, dass man „Bad Cop“ die zahlreich vorhandenen Schwächen und Ungereimtheiten zu verzeihen bereit ist. Weil Rott seine Rolle mit reichlich guter Laune und dummen Sprüchen ausfüllt – ruppig, unkonventionell, aber halt irgendwie auch charmant.
„Wie sind Sie denn drauf?“, muss sich der Seitenwechsler fragen lassen und antwortet: „Wie’n Bulle, der’n Plan hat.“ Der frisch von der Polizeischule wegverpflichtete Partner wird „Watson“ getauft und gleich angefahren: „Du sollst mich duzen, du Vogel!“ Ganoven werden zur Einknastung handbeschellt: „Das Elend hier will in den Knast.“ Und Vorschriften sind da, um ignoriert zu werden: „Offiziell ist für Anfänger – wir sind Profis!“ Jeskos akute Durchsuchungsbeschlussallergie wird direkt zum Running Gag – aber die Fälle löst er natürlich trotzdem. Weil er weiß, wie Ganoven ticken.
Eher enttäuschend ist hingegen, dass die fantasievolle Hintergrundstory schon ab der zweiten Episode über arg konventionelle Fälle gestülpt wird, die auch in fast jeder anderen deutschen Krimiserie gelöst werden könnten – und deswegen wahnsinnig egal sind bzw. am Ende der Episode auch schon wieder gelöst, um die Zuschauer ja nicht zu überfordern.
Für RTL-Zwecke geht das in Ordnung. Vom kurzzeitig aufgeflackerten Anspruch, die Entwicklung der deutschen Serie mit ungewöhnlichen Geschichten maßgeblich mit zu beeinflussen, hat man sich in Köln ganz offensichtlich wieder verabschiedet. Die Produktion von Talpa Germany Fiction ist Gebrauchsfernsehen für alle, die es nicht so genau nehmen mit der Glaubwürdigkeit der erzählten Geschichten und auf unnötige Überraschungen verzichten können – aber dabei zweifellos flott inszeniert. Im Schlepptau von „Alarm für Cobra 11“ passt das am Donnerstagabend sicher gut. Oder wie man in Köln sagen würde: Du sollst das gucken, du Vogel.
RTL zeigt 10 Folgen von „Bad Cop – kriminell gut“, immer donnerstags um 21.15 Uhr, zum Auftakt im Doppelpack.