"Rosenheim-Cops", "Der Bulle von Tölz", "Hubert & Staller" und viele weitere: Im deutschen Fernsehen gab bzw. gibt es viele Serien, die in Bayern spielen. Der Himmel ist dann meist schön blau und es geht zünftig bayerisch zu, als Hochdeutscher kann man sprachlich auch schon einmal den Anschluss verlieren. Nun kommt der BR um die Ecke und zeigt mit "Hindafing" die nächste bayerische Serie - die ist aber völlig anders als viele andere in diesem Bereich und auch für den BR ungewöhnlich. Nicht umsonst werden in der Presse bereits große Vergleiche angestellt: "Hindafing" erinnere an "Breaking Bad", "Twin Peaks" und "Fargo", schreiben viele Journalisten.
Die sechsteilige Serie von der Produktionsfirma Neuesuper erinnert aber ganz gewiss auch an das österreichische "Braunschlag" von Serienschöpfer David Schalko. In der BR-Serie geht es um Alfons Zischl, Bürgermeister eines kleinen, fiktiven Ortes im bayerischen Nirgendwo. Nach dem Tod seines Vaters, der ebenfalls Bürgermeister war, will er dem verschlafenen Kuhdorf zu neuem Glanz verhelfen. Bislang lief das aber eher suboptimal: Ein geplanter Windpark geriet zum Fiasko und hat ein großes Loch in den städtischen Haushalt gerissen. Hinzu kommt, dass Zischl selbst ab und zu mal gerne die Nase rümpft. Der Bürgermeister kokst.
Um die Stadt aus der finanziellen Notlage zu befreien, soll ein Öko-Shoppingcenter gebaut werden. Weil er aber vielen Freunden noch einen Gefallen schuldet, müssen auch ein Friseursalon und eine Galerie einen Platz dort finden. Das passt wiederum dem mächtigen Ortsmetzger nicht. Als Zischl erfährt, dass sein Vater in Panama ein paar Millionen geparkt hat, muss er mit einem korrupten Landrat kooperieren, der die Vollmacht über das Konto hat. Dieser überlässt ihm das Geld aber nicht einfach so: Er fordert Zischl auf, Flüchtlinge im Ort unterzubringen. Und so wird das Öko-Shoppingcenter noch vor der Fertigstellung zur Flüchtlingsunterkunft - sehr zum Missfallen vieler Bewohner.
Von "Fargo" bis "Braunschlag": Die "Hindafing"-Macher von der Neuesuper stören sich nicht an den vielen Vergleichen. "Es ist großartig, wenn wir mit solchen Serien verglichen werden. Wir sind ja nicht nur Filmemacher, sondern auch Filmfans - und all diese Serien kennen und lieben wir", sagt Rafael Parente im Gespräch mit DWDL.de, der mit Simon Amberger und Korbinian Dufter das Produzententrio der Serie bildet. Er freue sich vor allem daher, weil in den Vergleichen immer viele verschiedene Serien genannt werden. "Das heißt, dass es unterschiedliche Anknüpfungspunkte gibt. Jeder gute Filmemacher lässt sich von anderen Werken, anderer Kunst oder einfach dem wahren Leben inspirieren. Wichtig ist, dass danach mit der Hilfe des ganzen Teams etwas Neues entsteht." Und das Team der Neuesuper kann ganz gewiss von sich behaupten, hier etwas Neues geschaffen zu haben.
"Hindafing" könnte nicht weiter weg sein von der klassischen, bayerischen Heimatserie, wo sich die Figuren gut gelaunt "Grüß Gott" zurufen und hinterrücks maximal übereinander lästern. Schon die Optik zeichnet ein düsteres Bild der Kleinstadt, in der Korruption und Machtversessenheit herrschen. Dass das Projekt aber überhaupt realisiert wurde, ist schon ein kleines Wunder. Der BR hatte zwar selbst einen Wettbewerb an der HFF München ausgeschrieben und wollte Vorschläge für neue TV-Formate, die jung und innovativ sind - Serien hatte man dabei aber gar nicht vorrangig im Blick.
Niklas Hofmann nahm trotzdem mit "Hindafing" am Wettbewerb teil, er war schon als Autor bei der ZDFneo-Serie "Blockbustaz" (auch Neuesuper) mit an Bord. Mit den drei jungen Filmemachern erstellte er einen fünfzehnminütigen Trailer, der zeigen sollte, wohin die Reise mit "Hindafing" gehen sollte. Auch Boris Kunz war von Anfang an mit an Bord, er schrieb am Drehbuch mit und führte Regie. Schon beim Trailer waren fast alle Schauspieler mit dabei - unentgeltlich. Zu Hauptdarsteller Maximilian Brückner hatte man schon erste Kontakte, der Rest kam über eine Castingagentur zustande, die Anfangs ebenfalls kostenlos arbeitete. Der BR gab den Filmemachern dann aber recht schnell zu verstehen, dass man durchaus angetan sei von der Idee, die Kosten aber wohl nicht tragen könne. Und so gewann ein anderes Projekt den Wettbewerb, doch der "Hindafing"-Trailer machte im Sender seine Runde: Annette Siebenbürger, BR-Programmbereichsleiterin Unterhaltung und Heimat, und Elmar Jäger, damals Redaktionsleiter Bayerische Serie und Volkstheater, machten sich für das Projekt stark.
Unterdessen zeigten die Filmemacher den Trailer auch Filmförderungsanstalten, Vertriebsunternehmen und Schauspielern. Schließlich sicherte man sich eine Förderung in Höhe von 650.000 Euro des FFF Bayern - die Dreharbeiten konnten starten. "Am Ende hat uns der Trailer alle Türen geöffnet. Ich glaube nicht, dass wir ohne den Trailer jemals eine Finanzierung bekommen hätten", sagt Parente heute.
Ich glaube nicht, dass wir ohne den Trailer jemals eine Finanzierung bekommen hätten.
Rafael Parente
Seit einer Woche sind nun schon alle Folgen der Serie in der BR-Mediathek zu sehen. Ab sofort zeigt der Sender sie auch im TV: Jeden Dienstag zur besten Sendezeit, jeweils zwei Folgen. Und auch wenn die Kritiken überwiegend gut sind: Ein Garant für gute Quoten ist das nicht. "Keiner von uns rechnet damit, dass wir das BR-Stammpublikum vollends zufrieden stellen werden", sagt Simon Amberger gegenüber DWDL.de. Als "Hindafing" vor einiger Zeit große Premiere feierte, sei BR-Fernsehchef Reinhard Scolik empfohlen worden, das Zuschauertelefon an dem Tag der TV-Ausstrahlung lieber doppelt zu besetzen. Doch Amberger ist optimistisch, solche BR-Zuschauer zu erreichen, "denen das übliche Programm dort zu brav ist". Mit "Hindafing" könne der Sender neue Zuschauergruppen erschließen. "Wir haben schon während 'Blockbustaz' gemerkt, dass es in Deutschland einen Raum für innovative Serienkonzepte gibt", so Amberger.
Doch gerade am Anfang könnte es den BR-Zuschauern schwer fallen, einen Weg in die Serie zu finden. Teilweise kommt "Hindafing" in den ersten Folgen noch recht behäbig daher. Auch wenn sich schon in den ersten zwei Folgen ein großer Problemberg für Bürgermeister Zischl auftut, könnte das Tempo an den ein oder anderen Stellen höher sein. Erst im Verlauf der Staffel entfaltet die Serie ihre Wucht. Am besten ist "Hindafing" immer dann, wenn es skurril wird. Wenn der schwule Pfarrer mit seinem Chef skyped und der Bürgermeister die sexuellen Anspielungen überhört. Wenn die Frau vom Metzger zum "Hot Yoga" geht und damit den LKW-Strich meint. Oder wenn der Bürgermeister entführt und in eine Kühltruhe gesperrt oder ihm der Finger von seinem Drogen-Verkäufer abgebissen wird.
Eine Fortsetzung ist nicht nur denkbar, wir hoffen auch sehr, dass es weitergeht.
Korbinian Dufter
Das die Serie etwas schleppend beginnt, hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass die Macher die verschiedenen Figuren anfangs erst einmal einführen und erklären müssen. Daher hoffen sie auch auf eine zweite Staffel - dort würden langwierige Erklärungen nicht nötig sein. "Eine Fortsetzung ist nicht nur denkbar, wir hoffen auch sehr, dass es weitergeht", sagt Korbinian Dufter. Es sei wichtig, dass "Hindafing" nicht nur eine Eintagsfliege im BR bleibe. "Bei einer Fortsetzung könnten wir neues Publikum dauerhaft an den BR binden. An Ideen mangelt es dem Writers Room nicht." Außerdem wünschen sich die jungen Filmemacher, dass auch Das Erste zuschlägt und die Serie noch zeigt. Ganz nebenbei gibt es zur Serie übrigens auch ein Virtual-Reality-Game, bei dem die Zuschauer selbst an einigen Original-Drehorten ermitteln können. Hier zeigen sich die Macher äußerst glücklich mit dem BR, der dem Projekt trotz stets klammer Kassen grünes Licht gegeben hat.
Online sind alle "Hindafing"-Folgen bis eine Woche nach der letzten Ausstrahlung im TV zu sehen. Wo man die Serie danach sehen kann, ist derzeit noch nicht ganz klar. Die VoD-Rechte liegen allerdings bei der Produktionsfirma, Verhandlungen mit Interessenten laufen bereits. Es sei gut möglich, dass es hier schon relativ bald Neuigkeiten zu vermelden gebe, sagt Parente. Zuletzt erklärte Alexandra Heidrich vom Weltvertrieb Global Screen, dass nicht nur der internationale Vertrieb gut angelaufen sei, es gebe auch schon konkretes Remake-Interesse aus Hollywood. Hier bleiben die drei Filmemacher vage, bestätigen aber Gespräche. "Wir wollen beweisen, dass auch lokal eingefärbte Serien, wenn sie einen übersetzbaren Kern haben, global funktionieren. Ich kann mir die Handlung auch gut in einem Dorf in Texas vorstellen", zeigt sich Parente vom "Hindafing"-Inhalt überzeugt.
Beim österreichischen "Braunschlag" gab es ja das Problem, dass die Serie einen sehr lokalen Kern hatte, hinzu kamen die sprachlichen Barrieren. Das verhinderte lange Zeit den ganz großen, internationalen Durchbruch. Zuletzt wurde eine US-Adaption pilotiert. Schon alleine aufgrund des Flüchtlings-Themas ist "Hindafing" hier breiter aufgestellt. "'Hindafing' ist universeller übersetzbar. Deshalb glauben wir, dass sich die Serie auch international gut verkaufen wird", sagt Korbinian Dufter.
Den derzeitigen Serienboom sehen die drei "Hindafing"-Macher noch längst nicht am Ende. So sei die Branche noch vor einem Jahr viel vorsichtiger gewesen - Schauspieler, aber auch Leute hinter der Kamera hätten immer wieder betont, sie wollten nur für Kinofilme arbeiten. "Das hat sich jetzt innerhalb kürzester Zeit radikal verändert", sagt Parente. "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir da noch ganz am Anfang stehen. Der Serienboom ist keine Blase." Und tatsächlich: Wenn mehr Serien wie "Hindafing" kommen, können es noch viele schöne Serien-Jahre werden. Da sind dann auch inhaltlich sehr seichte, aber beim Publikum erfolgreiche Bayern-Gegenstücke wie die "Rosenheim-Cops" verschmerzbar.
Der BR zeigt "Hindafing" ab sofort immer dienstags um 20:15 Uhr in Doppelfolgen. Online sind bereits alle Episoden verfügbar.