Natürlich starten "Die Dasslers" im Ersten am Karfreitag, also exakt ein Jahr nachdem RTL sich der zwei Brüder angenommen hat, die erst zusammenwirkten und dann gegeneinander arbeiteten und die Weltmarken adidas und Puma zum Erfolg führten. "Duell der Brüder" hieß das beim Privatsender, "Pioniere, Brüder und Rivalen" schreibt das Erste aktuell in seinen Untertitel. Ja, es geht in beiden Fällen Mann gegen Mann.
Aber es ist nicht nur die große Geschichte, die das Leben der Geschwister Adi und Rudi Dassler schrieb, es ist auf besondere Art und Weise auch ein Duell der medialen Welten im Lande. RTL gegen die ARD, die Produzenten von Zeitsprung Pictures gegen die von Wiedemann und Berg Television, von Filmstiftung NRW und Medienboard Berlin gegen Filmfernsehfonds Bayern und eine tschechische Förderung. Und natürlich poppt bei so viel beinahe schon sportlich anmutendem Wettbewerb sehr schnell die Frage auf: Wer liegt am Ende vorne?
Vom RTL-Film weiß man schon, dass er knapp fünf Millionen Zuschauer hatte. Bei der ARD-Produktion ist davon ausgehen, dass sie mit ihren zwei Teilen zahlentechnisch die Nase vorn haben dürfte, auch wenn die Sportfeinde Dassler am Feiertag gegen nicht gerade schlappe Konkurrenz antreten müssen. Aber die ARD hat gerade mit Historienaufarbeitung einen Lauf (siehe "Charité"), weshalb alles unter fünf Millionen als Misserfolg gewertet werden darf.
Nach Quoten hat das Erste also gute Chancen, den Sieger zu stellen. Bei der Qualität sieht es indes weniger eindeutig aus. Da hat RTL mit seiner Produktion nämlich durchaus beachtlich vorgelegt. Natürlich hatte das "Duell der Brüder" vor zwölf Monaten den leicht quietschbunten Eingängigkeitslook von vielen RTL-Produktionen, aber es entwickelte in seiner Laufzeit auch einen respektablen Sog. Die Geschichte wurde mit ordentlich viel Reibungsfläche versehen, an der sich so mancher Konflikt entzünden ließ. Wie die Dasslers erst den besten Sportschuh erfanden, ihn dann genial vermarkteten und sich schließlich heillos zerstritten, wurde bei RTL kompakt und ohne große Längen erzählt. Zudem hörte die Geschichte auch mit einem versöhnlichen Aspekt auf. Als Adi Dassler die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum WM-Finale 1954 nach Bern begleitete und die Spieler mit seinen Schuhen den Titel holten, fand er nachher in der Garderobe einen Zettel seines Bruders Rudi. Der signalisierte ihm Anerkennung. Eine noble Geste, von der man nicht glauben mag, dass es sie so je gegeben hat. Man weiß schließlich wie spinnefeind sich die Brüder in den letzten drei Jahrzehnten ihres Lebens waren.
"Die Dasslers" in der ARD gehen zeitlich zwei Jahrzehnte weiter. Die Erzählung beginnt auch in einem Weltmeisterschaftsjahr. Am Rande eines Spiels im Jahre 1974 erfährt Adi Dassler dass sein Bruder wohl sehr bald sterben wird. Doch den in den Nachkriegsjahren abgebrochenen Kontakt will er trotzdem nicht wieder aufnehmen. Danach springt der Film zurück ins Jahr 1922, in jene Zeit also, da die Dasslers als bescheidene Schuhmacherfamilie in Herzogenaurach lebten.
Bruder Rudi war eine Weile außer Haus und kehrt nun mit großen Visionen zurück. Er will den Tüftler Adi, der sich täglich Gedanken macht, wie er seine Schuhe noch besser machen kann, anstacheln. Unter der Regie von Cyrill Boss und Philipp Stennert werden die Rollen früh und eindeutig verteilt. Hier der introvertierte Tüftler Adi, dort der Hallodri Rudi, der dauernd raucht und alles beschläft, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. "Nähmaschinen haben mehr Spaß als du", sagt Rudi einmal spöttisch zu seinem Bruderherz. Das zumindest klingt in der Situation witzig.
Leider gibt der Film trotz seiner zwei Teile und seiner 180 Minuten Spielzeit den Figuren keinen angemessenen Raum für irgendeine Entwicklung. Die Charaktere bleiben bis kurz vor Ende stereotyp. Gebrochen wird da nichts, es geht fein chronologisch voran, und ab und zu wird mal ins Jahr 1974 geschaltet und die Frage gestellt, ob sich die Brüder im Todesjahr von Rudi noch einmal versöhnen können. Da ist viel Pathos im Spiel. Zuviel.
Trotz der doppelten Spielfilmlänge atmet dieses Stück viel zu oft den schmalen Geist einer durchschnittlichen "Dallas"-Folge, wo im Clan ja einst auch unterschiedliche Kräfte wirkten. Und wenn man will, kann man auch zurück zu Shakespeare oder in die Antike gehen. Irgendetwas mit verfeindeten Geschwistern findet sich immer.
Das größte Dilemma indes handelt sich der Film mit der Entscheidung ein, die Rollen der jungen und der alten Brüder mit denselben Schauspielern zu besetzen, sie also lediglich kosmetisch altern zu lassen. Das misslingt leider komplett und wird zum grotesken Maskenball, wenn die jungen Augen und die jungen Stimmen der Schauspieler partout nicht zum künstlich gealterten Gesicht passen wollen. Besonders albern wirkt das bei der Figur des Nationaltrainers Sepp Herberger, der aussieht, als solle er eine Karikatur von Homer Simpson liefern.
Beinahe zerstören diese visuellen Unfälle und Unzulänglichkeiten (ganz furchtbar: Johanna Gastdorf als Mutter Dassler) den ganzen Film, und man muss als Zuschauer schon sehr viel Vorstellungskraft aufwenden, um sich dem Geschehen trotzdem weiter widmen zu können. Gelingt das, dann steht am Ende ein ordentliches Biopic, das streckenweise trotz aller Farbe ein bisschen zu sehr schwarz-weiß erzählt wird.
Ein bisschen schade ist es am Ende, dass Sender stets so ein festgezurrtes Programmkorsett tragen. Am Freitag läuft bei RTL parallel der Gaby-Köster-Film, und am Samstag tritt gegen die Dasslers bei DSDS Dieter Bohlen, dessen Gesichtszüge ja gelegentlich auch wirken, als würden sie prima in die Maskenparade des ARD-Films passen. Mit ein bisschen Mut und ein wenig Dassler-Rivalität hätten die RTL-Verantwortlichen das Programm spontan umschmeißen und ihren Dassler-Film vom Vorjahr gegen die aktuelle ARD-Produktion stellen können. Da wäre eine schöne Meta-Ebene des Konflikts bespielbar gewesen. Die Chancen, wenigstens einen Sieg nach Punkten zu holen, hätten für RTL gar nicht mal so schlecht gestanden.
Das Erste zeigt "Die Dasslers" am Karfreitag und Karsamstag um 20.15 Uhr