"Willst du wirklich die Gelübde brechen und in Ausschweifung und Wollust mit einem Mann leben", fragt die Oberin im Kloster. Aber auch solch gestrenge Worte können den Freiheitsdrang der Katharina von Bora nicht eindämmen, denn die junge Frau will raus aus dem Nonnendasein, in das sie als Kind schon vom Vater gezwungen wurde. Sie will raus nach Wittenberg, wo Martin Luther gerade zur Reformation ansetzt und die Angst aus dem Glauben vertreiben möchte. Sie schafft die Flucht, sie wird Luthers Gattin und Wirtschafterin. Und sie wird angefeindet, weil sie ihr Gelübde gebrochen hat und nun mit einem zusammenlebt, der religionstechnisch nicht von allen im Lande heiß geliebt wird. Sie wird aber vor allem anderen ein Symbol dafür, dass Frauen im Spätmittelalter mehr konnten als nur schweigen und Kinder gebären.
Zum Reformationsjubiläum lässt die ARD eine Emanzipationsgeschichte erzählen. Sie macht Luther 500 Jahre nach der Veröffentlichung seiner 95 Thesen damit quasi zur Randfigur und konzentriert sich ganz auf die Kraft des weiblichen Willens. Entstanden ist eine beinahe schon epische Erzählung von der Mär, dass hinter einem starken Mann immer auch eine starke Frau steht. Leider kann sich die Geschichte nie so recht entscheiden kann, ob sie lieber auf den Dreck des 16. Jahrhunderts oder eher auf ein pilchereskes Historienspektakel setzt.
Unter der Regie von Julia von Heinz spielen Karoline Schuch und Devid Striesow die Hauptrollen, wobei Schuch eindeutig die Haupt- und Striesow eher eine Nebenrolle einnimmt, was nicht weiter schlimm ist, weil Striesow das mit der Rolle des großen Reformators besonders in dessen jungen Jahren nie so richtig überzeugend hinbekommt. Immer steht ihm da diese gewisse Striesowhaftigkeit im Weg, die noch dem unschuldigsten Blick einen ironischen Unterton verleiht. „Als Mensch bin ich nichts. Ich bin Gottes Werkzeug“, muss er einmal sagen, aber es klingt wie eine etwas zu laut geratene Deklamation auf einer mittelmäßigen Freilichtbühne.
Umso mehr wirkt dafür Karoline Schuch. Sie ist eine gute Katharina von Bora, aber sie setzt erst zur großen Form an, als sie Katharina Luther wird, als sie in ihrer Rolle merkt, dass sie mehr kann, dass sie Dinge besser sieht als andere. Über sich hinaus wächst sie gar, als später eines ihrer Kinder stirbt und ihre Haut beinahe durchsichtig wird.
Das hilft dem Film sehr, denn es überspielt das eine oder andere Mal die Schwächen der Umsetzung. Nicht selten wirkt es nämlich, als habe man die Geschichte in einem Freilichtmuseum inszeniert. Viel zu oft ist alles eine Spur zu sauber. Dreck wird behauptet, aber irgendwie riecht es dann doch nach Lenor, sind die weißen Kragen eine Spur zu sauber, die Haut einen Hauch zu rein.
Das hat auch mit der sehr eigenwilligen Bildsprache zu tun, die ganz versessen scheint auf Linsen-Einstrahlungen, auf gewollte Unschärfen, auf Wackelkameras. Man spürt, dass der Ausstattungsetat für opulente Totalen nicht gereicht hat, weshalb man sich halt auf eine gewisse Detailverliebtheit verlegt hat.
So etwas kann als feiner Zug durchgehen, aber wenn, wie in diesem Fall, solch ein Stilmittel eine Spur zu oft angewendet wird, dann verkommt es rasch zum Manierismus. Auch der Hang, ständig Bilder zu komponieren, die wirken, als seien sie Gemälde, würde man den Film nur ganz kurz anhalten, führt eher ins Abseits.
So bleibt dieses 105-Minuten-Werk, an das sich noch eine Dokumentation über Luthers Verhältnis zu Frauen anschließt, eine eher unentschlossene Angelegenheit. Man spürt, wo die Macherinnen hinwollten. Man wünscht ihnen zwischendrin auch, dass sie ihr Ziel erreichen. Aber dann schaut man auf die Bilder und sieht sie scheitern.
"Katharina Luther" läuft am Mittwoch um 20:15 Uhr im Ersten.