Es ist immer sehr erfreulich, wenn im Fernsehen etwas ausprobiert wird, wenn sich mal jemand entschließt, andere Wege zu gehen, etwas zu riskieren. Das ist in erster Linie begrüßenswert, weil das bekannte Fernsehen ja zu 90 Prozent aus Erstarrtem zu bestehen scheint, aus Filmen, wo immer erst der eine redet, dann ist Pause, und dann kommt der andere zu Wort. Da entstehen dann Situationen, die sich kalt anfühlen, weil es sie so im Leben nicht gibt. Gut also, wenn da jemand ausbricht.
Jan Georg Schütte ist schon einmal ausgebrochen. "Altersglühen - Speed Dating für Senioren" hieß 2014 sein Film, in dem betagte Menschen auf Partnerschau gingen. Das war ein sehr gelungenes Experiment, weil in nur wenigen Tagen gedreht wurde, weil die Schauspieler improvisieren mussten und weil die Koordination von etlichen Kameras eine logistische Meisterleistung darstellte.
Kein Wunder also, dass sich Schütte seines Erfolgs besann und eine Fortsetzung ins Auge fasste. Bei der geht es auch ums Kennenlernen, allerdings nicht um das Kennenlernen von Fremden, sondern das Kennenlernen des eigenen Partners.
Fünf Pärchen treffen sich in einem ehrwürdigen Gemäuer zu einem Wochenende und haben alle eine Minitherapie bei drei Psychologen gebucht. Was dort offengelegt wird, ist das vornehmliche Thema von "Wellness für Paare".
Das ist logistisch erneut eine Meisterleistung, denn 21 Kameras in 48 Stunden 111 Stunden Material auf Platte bannen zu lassen und diese dann auf 90 Minuten zu verdichten, das ist eine Kunst.
Das verdient ebenso Anerkennung wie die Auswahl und das Briefing der Schauspieler, die beim Dreh meist nur das Nötigste über ihre Figur und deren Partner wussten und in der Drehsituation spontan agieren mussten.
Liest man, was die Schauspieler, zu denen Bjarne Mädel, Devid Striesow, Anke Engelke und Martin Brambach gehören, von den Dreharbeiten berichten, dann muss man sich die Produktion als ein großes Glückscamp betrachten.
Leider übermittelt sich dieses große Glücksgefühl beim Zuschauer nur bedingt. Das liegt vor allem an der Konstruktion der Geschichte. Die hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil es nur schwer vorstellbar erscheint, dass gleich bei mehreren Paaren der eine Partner den anderen mit einer Minitherapie überrascht und der Überraschte dies erst am Ort der Tat erfährt. Dazu kommt die sehr eigenartige Mischung. Im Haus treffen fünf Paare aufeinander, die so unterschiedlich sind, dass sie im wirklichen Leben garantiert keine Berührungspunkte haben, die sich aber plötzlich aus quasi heiterem Himmel zu einem gemeinsamen Abendessen zusammenfinden müssen, das dementsprechend steril ausfällt. Dazu mutet die Idee, dass sich jemand an einem Wochenende einer Kurzzeittherapie aussetzt, ziemlich aberwitzig an. Gute Psychologen würden solch einen Hokuspokus wohl kaum mitmachen.
Es fehlt dem Stück also an einem glaubhaften Motiv, und dieser Mangel trübt die Freude am Gebotenen. Das ist nämlich über weite Strecken sehr schönes Schauspiel. Da fühlen sich die Akteure tief in ihre Figuren hinein, statten sie sehr schön aus und reagieren fein auf die Reaktionen des jeweiligen Anspielpartners. Insbesondere Gabriela Maria Schmeide, die gemeinsam mit Michael Wittenborn ein in die Jahre gekommenes Paar spielt, erweist sich als mimische Naturgewalt. Sie tut nicht nur so, sie ist das, was sie vorgeben soll. Meint man jedenfalls, wenn man sieht, wie sie die Enttäuschung über ihren Partner so langsam aus ihrem Körper herausquetscht, wie ihr Zeit gegeben wird, das genau in dem Tempo zu tun, das ihr richtig erscheint. Das ist großes Kino.
Leider kann das Gesamtwerk solche Großtaten nur beherbergen, sie nicht ausweiten auf das Ensemble. So bleiben etliche Figuren in mehreren Szenen blass und vermitteln nur wenig Aufschluss über das, was in ihnen vorgeht.
Vielleicht liegt es aber einfach auch nur am Schnitt, der aus all dem Material genau das rausfiltern musste, was dann letztlich aufs Endergebniskonto einzahlt. Das ist in der Summe immer als ambitionierter Versuch zu erkennen, dem das Gelingen nicht durchweg gegeben ist. Das kann man sich anschauen, muss man aber nicht. Erfreulicher als das fertige Produkt ist letztlich die Erkenntnis, dass es so etwas gibt im deutschen Fernsehen und die Hoffnung, dass der nächste Versuch wieder gelingen möge.
"Wellness für Paare" läuft am Mittwoch um 20:15 Uhr im Ersten.