„Ninja Warrior Germany“ ist, wenn aus 80 Millionen Bundestrainern, 80 Millionen Hochleistungsathleten werden. Zugegebenermaßen: Wenn der komplett in schwarz gekleidete Vorzeige-Ninja präsentiert, wie man die erste von vier Parcour-Stages möglichst elegant durchlaufen, hüpfen und kriechen könnte, denkt man sich mit einem Bier auf der Couch sitzend auch, dass das alles ganz machbar aussieht. Nach und nach demonstrieren dann genügend Kandidaten, dass dem nicht so ist - und fallen ins Wasser, auf die Matte oder scheitern kläglich hüpfend an zu hohen Wänden. Und hier durften wohlgemerkt nicht Hinz und Kunz ran, wie in so vielen Reality-Shows heutzutage. „Ninja Warrior Germany“ hebt sich schon durch die Tatsache wohltuend ab, dass man hier wirklich etwas können muss - und darüber kein launiger Pop-Produzent nach Geschmack oder Körbchengröße entscheidet. Der Parcours ist gnadenloser als ein Dieter Bohlen.
Hier braucht es Sportler, die mehr Klimmzüge als der Durchschnittsdeutsche schaffen. Aus diesem Grund sieht man die Herren Jan Köppen und Frank Buschmann auch nicht im Tanktop und Fitnesstretern selbst im Klettergarten für Erwachsene mitmachen, sondern kommentierend auf Bühne der Show - jene Bühne, die die Kandidaten anstreben aber nur dann erreichen, wenn sie die letzte Hürde genommen haben: eine 4,25 Meter hohe Wand zu erklimmen. An Motivation sollte es den Herausforderern jedenfalls nicht mangeln. Es liegt in der Natur des sportlichen Wettkampfs es sich - und im Falle mancher Kandidaten - auch der Welt beweisen zu wollen. Das geschieht mal durchaus verbissen, mal mit einer verblüffenden Leichtigkeit. Der Reiz vom Sofa aus: Die Tücken des Parcours zu kennen, zu glauben es besser zu wissen. Und das Scheitern der Kandidaten in Slow Motion hat auch seinen Reiz.
Die Show und der Parcours haben besonders dann einen eigenen Humor, wenn manche Sportler im Vorfeld mit eigenem kurzen Einspielfilm vorgestellt werden und sich auf ihr Können viel einbilden. Wenn der Kandidat dann nach drei Sekunden bereits einen falschen Schritt macht und das Wasser küssen geht, muss man einfach schmunzeln. Schadenfreude ist die schönste Freude. Dazu kommt die Kommentierung von Köppen und Buschmann, die sich schlagfertig gut ergänzen. Ist man einmal reingezogen in den sich immer wieder in extrem hoher Schlagzahl wiederholenden Kampf der Kandidaten gegen den Parcours, so entwickelt man zusammen mit den Beiden schon so etwas wie ein Ninja-Warrior-Fieber. Für die nötige Ruhe in diesem adrenalingeladenen Umfeld sorgt Moderatorin Laura Wontorra, die hier und da die Reaktionen der mitgereisten Freunde und Familie einfängt und auch mal die Sportler in die Mangel nimmt.
Das macht sie mit Überzeugung, aber erfreulicherweise nur vereinzelt und nicht wie zuletzt so oft im Fernsehen üblich nach jedem Kandidaten. Ohnehin kommt zusätzlich Tempo in die ohnehin schon schnelle Show, weil zwischendurch im Schnelldurchlauf Kandidatinnen und Kandidaten nur bei entscheidenden Szenen ihres Parcours gezeigt werden - statt immer wieder von vorn zu beginnen. „Ninja Warrior Germany“ ist als leichte Berieselung in atemberaubender Schlagzahl perfekte Unterhaltung. Fraglich ist nur, ob überhaupt genügend Zuschauer und besonders Zuschauerinnen dem Format eine Chance geben werden und es sich als Samstagabendshow eignet. Am Ende wirkt die Show auch einige Minuten zu lang. Sollte Ihnen zwischendurch jedoch langweilig werden, achten Sie mal auf das Publikum in der Karlsruher dm-Arena - wenn sie es denn finden.
Im Hintergrund spielt sich zumindest in der ersten Sendung immer wieder eine Völkerwanderung ab: Die Zuschauer vor Ort laufen auf einer weitgehend leeren Tribüne hin und her. Geplant war das in dem Ausmaß nicht, doch bei der Aufzeichnung von „Ninja Warrior Germany“ lief nicht alles ganz wie geplant: Die Casting-Agentur Mediabolo - deren Insolvenz kürzlich Schlagzeilen machte - lieferte nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de in Karlsruhe an mindestens einem Aufzeichnungstag zu wenig Publikum. Nicht einmal ein Drittel der von der Produktionsfirma Norddeich TV eingeplanten Zuschauer erschienen. Und so wurde „Ninja Warrior Germany“ auch für die Zuschauer auf der Tribüne zu einer unerwartet sportlichen Angelegenheit. Die große RTL-Völkerwanderung - woraus ProSieben eine eigene Show gemacht hätte, bekommt man hier als Show in der Show gleich mit.
Dennoch macht sich irgendwann eine gewisse Erleichterung breit als die Gastgeber des Abends uns ankündigen, dass man nun zum zweiten Parcours wechsele, wo die Besten aus dem ersten Durchgang nun um den Einzug ins Finale Ende Juli kämpfen. Wie das ausgeht, sei nicht verraten. Das Fazit? Vom plump-prolligen Opening mit einer Vorschau auf ein vermeintliches Duell der Muskelpakete sollte man sich nicht abschrecken lassen: Charmant wird der Wettkampf durch schlaksig-lässige Teilnehmer, die von ihrem eigenen Können überrascht werden - und in der Auftaktfolge z.b. einem sympathisch-sportlichen Trio von Freunden. Sie wollen Nachwuchs-Ninjas werden. Ob man dieses Ziel gleich in der ersten Staffel schaffen wird, bleibt fraglich.
In Japan wurde diese Show 1997 unter dem Namen „Sasuke“ geboren. Gewinner gab es bis heute vier Stück. Auch bei der amerikanischen Version hat es sieben Jahre gedauert, bis der erste Athlet im Finale den letzten Buzzer erreicht hat. Vielleicht ist das auch so erfrischend an „Ninja Warrior Germany“: Bei anderen Castingshows ist sich RTL sonst sehr sicher, einen Gewinner küren zu können. Hier fehlt diese Gewissheit. Die Sendung ist am Ende definitiv - auch dank Köppen, Buschmann und Wontorra - die beste Sommershow, die sich der Kölner Privatsender in vielen Jahren hat einfallen lassen. Und das trotz der unfreiwilligen Völkerwanderung im Hintergrund. Ob sie den Samstagabend trägt, steht hingegen auf einem anderen Blatt.