Das Wichtigste zuerst: Das "Wunschkonzert" wurde eingestellt, weil die Lieblingsmusik zu unterschiedlich geworden ist. Es ist die Antwort auf die Frage eines ARD-Zuschauers, der sich darüber ärgerte, dass seine Lieblingssendung inzwischen aus dem Programm verschwunden ist. Gestellt hat er die Frage am Montagabend live im Ersten, wo sich der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor und WDR-Intendant Tom Buhrow höchstpersönlich gemeinsam vor die Kamera wagten, um einigen ausgewählten Zuschauern direkt in die Augen zu blicken. "ARD-Check" nennt sich das Format, dessen Konzept inzwischen bestens erprobt ist, nachdem sich Buhrow in der Vergangenheit bereits mehrfach die Zeit nahm, um in seinem Dritten Fragen rund um den WDR zu beantworten.
Nun war die gesamte ARD an der Reihe – ein großer Brocken also, für den die vorgesehenen anderthalb Stunden erwartungsgemäß nicht ausreichten. "Todesmut, nackte Verzweiflung – oder glauben Sie, dass heute gar keine kritischen Fragen kommen?", fragte Moderatorin Sandra Maischberger die beiden Intendanten über deren Beweggründe, sich dem "ARD-Check" zu stellen. Marmor sprach daraufhin von Transparenz und einem gesellschaftlichen Trend, dem man nachkommen wolle. Es dürfte aber auch darum gehen, für Verständnis beim Publikum zu werben, das diesen riesigen Apparat jährlich mit einem Milliarden-Beitrag am Leben hält. Das Verständnis ist wichtig, immerhin wollen die Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft nur allzu gerne noch mehr Geld einnehmen.
"Manchmal wollen wir uns beide am liebsten drücken", scherzte Buhrow gleich zu Beginn, als es zu klären galt, wer denn nun welche Frage beantworten soll. Die Taktik, für die sich die beiden Anzugträger entschieden, erwies sich allerdings als klug: Mehrfach nutzten die mächtigen Sender-Bosse nämlich die vorgetragene Kritik der Zuschauer, um ihnen zu zeigen, dass deren Wünsche ohne zusätzliches Geld kaum zu erfüllen sind. Da ist der Sport-Fan, der gerne mehr Handball und Segeln im Programm sehen möchte, oder der Serien-Freak, der sich fragt, wo denn nun endlich die deutsche Antwort auf "Breaking Bad" oder die "Sopranos" bleibt. Und da ist auch "Tatort"-Kommissarin Sabine Postel, die sich über schlechter werdende Produktionsbedingungen aufregt.
"Warum ist das Stück vom Kuchen so klein?", fragte die Schauspielerin und bekam dafür großen Applaus. Der kam Buhrow gerade recht. "Man kann nicht einerseits klatschen und sagen: 'Gebt der Frau Postel mehr Drehtage', und auf der anderen Seite: 'Ich will weniger für den Rundfunk zahlen'. Sagen Sie mal eine öffentliche Leistung, bei der irgendwo mal was billiger geworden ist", konterte der WDR-Intendant und verwies auf gestiegene Kosten für Strom, Mieten, Heizung und die Anschaffung neuer Kameras. "Wir haben schon sehr viel rausgequetscht", gab er zu. Wenn die Rundfunkbeiträge in Zukunft nicht steigen werden, würde man künftig weniger sehen und hören. Da müsse man sich schon mal "ehrlich machen".
Auch beim Thema Gehälter ging Buhrow in die Offensive. Auf die Frage, wieso er ein höheres Jahresgehalt habe als die Bundeskanzlerin, entgegnete er: "Weil die Kanzlerin unterbezahlt ist." Er bekomme "natürlich ein ordentliches Gehalt" und müsse nicht weinen, gab der Intendant zu, nutzte aber zugleich die Gelegenheit, um sein Einkommen mit dem des ProSiebenSat.1-Bosses Thomas Ebeling zu vergleichen. Das habe im vergangenen Jahr inklusive Bonuszahlungen mehr als 20 Millionen Euro betragen. Um keinen falschen Neid zu suggerieren, schickte Buhrow eilig noch ein paar warme Worte nach Unterföhring: "Gott segne ihn, der hat jeden Cent verdient."
Später in der Sendung musste sich Lutz Marmor dann noch der Kritik von "SZ"-Autor und DWDL.de-Kolumnist Hans Hoff stellen und versuchen, die hohen Investitionen in Sportrechte zu rechtfertigen, was mehr oder weniger gut gelang. Unterm Strich verteidigten sich Marmor und der spürbar Check-erprobtere Buhrow die ganze Sendung über sehr engagiert und gaben sich nur selten die Blöße – wie etwa bei der Frage eines Zuschauers nach der aus dem Radio beinahe fast verschwundenen deutschsprachigen Musik, die der NDR-Intendant damit beantwortete, dass man doch "nur einen Sender" habe. Überraschend auch, dass das Vorzeige-Serienprojekt "Babylon Berlin" offenbar wackelt, wie es Buhrow lachend entfuhr. Das dürfte noch Gesprächsbedarf mit Sky nach sich ziehen.
Letztlich aber war es ein ganz interessanter Ritt durch die mitunter etwas kuriosen Dinge, an denen sich das Publikum stört. Nur schade, dass den Zuschauern nicht noch mehr Zeit eingeräumt wurde. Stattdessen durfte "Sportschau"-Moderator Matthias Opdenhövel zwischenzeitlich über den DFB und Mehmet Scholl sprechen, und der eigens eingeflogene Russland-Korrespondent berichtete über jenen Tag, an dem er eine Falschmeldung über den Äther schickte. Zumindest Letzteres war zwar interessant, trug aber seinen Teil dazu bei, dass die Zeit am Ende drängte und für Nachfragen kein Raum mehr blieb. Was Lutz Marmor und Tom Buhrow aus diesem Abend mitnehmen werden, wird sich erst noch zeigen müssen. So manchem Zuschauer dürfte dagegen womöglich klar geworden sein, dass auch ein milliardenschwerer Rundfunk nicht jedem alles bieten kann. Das Fernsehen ist eben kein Wunschkonzert. Aber das wurde ja ohnehin schon abgesetzt.