Nehmen wir kurz an, Fernsehserien hätten menschliche Züge. Sie lachen, aber folgen Sie mir mal. Wenn Ihnen heute beispielsweise ein Freund erzählt, er hätte das ganze Wochenende im Bett verbracht, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dabei eine Serie statt Partnerin oder Partner im Spiel waren. Und geliebt werden sie zweifelsohne auch, die richtig guten Serien. Da entstehen Beziehungen.
Wenn also Fernsehserien menschliche Züge haben sollten, dann war die Weltpremiere von „Deutschland 83“ beim US-amerikanischen Sender Sundance TV vielleicht gar kein Exporterfolg einer TV-Produktion. Vielleicht hat „Deutschland 83“ einfach von sich aus „rüber gemacht“ und ist immer weiter gereist Richtung Westen über den großen Teich. Bloß weit, weit weg von RTL Interactive. Könnte man es der Serie verübeln?
Die Digital-Tochter der Mediengruppe RTL Deutschland hat dank einer sehr reakionären Strategie seit Jahren nicht den besten Ruf. Besonders Produzenten klagen, dass RTL Interactive sowohl über seine Websites als auch über Social Media weit unter den Möglichkeiten bleibt, wenn es um die Begleitung von Fernsehsendungen geht. Ein Image, dass man bei RTL Interactive recht witzig findet, wie DWDL.de vor zwei Jahren erfahren konnte.
Vorgestern wurde nun der Online-Auftritt sowie die Facebook-Präsenz von „Deutschland 83“, der für RTL mit Abstand wichtigsten Sendung des Jahres, gestartet und man könnte plötzlich nachvollziehen, warum die Serie die Flucht in den Westen angetreten ist. Wären Fernsehserien tatsächlich Menschen, dann müsste jede Form der Fluchthilfe für „Deutschland 83“ mit ziemlicher Sicherheit aus humanitären Gründen straffrei sein. Die Serie hat RTL Interactive nicht verdient.
Von der Liebe zum Detail bei der Pressemappe (Foto) fehlt online jede Spur.
Der Webauftritt für die von Anna Winger geschriebene und ihrem Ehemann Jörg Winger produzierte Spionage-Serie ist liebloser Einheitsbrei. Optisch in keinster Weise besonders, fügt er sich gänzlich unauffällig ein in das renovierte RTL.de. Bloß nicht auffallen, scheint die absurde Devise. Und die Inhalte? Erschreckend banal. Unter der Überschrift „Deutschland 83: Der historische Hintergrund“ gibt es einen lächerlich oberflächlichen Text, der wirkt als hätte man ihn aus der Promo für Geissens alter „80er Show“ herauskopiert.
Wenn man als Skeptiker von RTL schon keine Tiefe erwartet, dann doch wenigstens bei einem so wichtigen Projekt mehr Liebe zum Detail. Nichts deutet darauf hin, dass es sich hier um ein Prestige-Projekt handelt, das seit Monaten den größten TV-Konzern Europas elektrisiert. Produzent UFA Fiction platzt vor Stolz, der Sender RTL und sein Geschäftsführer Frank Hoffmann verbinden große Hoffnungen mit der Ausstrahlung und Distributor FremantleMedia International trägt das Projekt über die Fernsehmessen in alle Welt.