Der Einstieg war erwartbar: In der Hoffnung, dass die neue Sat.1-Telenovela erfolgreich starten würde, begann „Unser Tag“ im Anschluss um 19.30 Uhr ohne Opener direkt mit Susan Sideropoulos in einem aus dem Off geführten Interview am Set von „Mila“. Ein interessanter Stil, der die Bildsprache der Serie zuvor ein wenig fortführt und spielerischer wirkte als eine klassische Interview-Situation. Einige Fragen waren dann aber doch belanglos, weil die Antwort erwartbar. Dein erster Kuss? Mit einem Klassenkameraden? Wen sollte man im Alter von 11 Jahren auch sonst kennen, geschweige denn küssen.



Nach einem kompakten Opening und Begrüßung durch Mara Bergmann stand emotionale Aktualität auf dem Programm: Die Flüchtlingskrise. Anmoderiert mit den überraschend euphorischen Empfängen der am Wochenende eingereisten Flüchtlinge aus Syrien, folgte dann im eigentlichen Beitrag ein mit Bedacht erzähltes Familienschicksal. Bewegend erzählt, aber nach dem eher hektisch gefilmten Interview mit Susan Sideropoulos eine gefühlte Vollbremsung. Angesichts der beeindruckenden Bilder der nächtlichen Empfangskomitees an deutschen Bahnhöfen hätte Aktualität für ein tägliches Magazin vielleicht eher bedeutet, sich dem zu widmen als ein Stück weit zeitlos ein Familienschicksal zu portraitieren.

Nach Telenovela-Nachdreh und emotionaler Aktualität kam Service an die Reihe mit einem kurzen Beitrag zur Frage: Öffnen Kinder fremden Menschen die Haustür, wenn die Eltern nicht im Haus sind? Gutes Thema, zu dem im Anschluss an das Flüchtlingsdrama leider etwas zu knapp und abrupt übergeleitet wurde. 25 Minuten Magazin am Vorabend - das ließ sich zu dem Zeitpunkt schon sagen - bedeutet einen mitunter holprigen, weil flotten Themen-Ritt. Für Leichtigkeit sorgten Interviews mit den Stars aus „Fack Ju Göhte 2“ - ergänzt um die schöne Idee, sie ein Freundschaftsbuch aus Schultagen ausfüllen zu lassen.

Mara Bergmann grüßte danach erstmals vom Sofa. Ihre kurzen Anmoderationen, die ihr leider nicht viel Gelegenheit geben, die Sendung spürbar zu prägen, fanden in der Premierensendung zuvor und auch danach überwiegend in Nahaufnahme vor dem Sendungslogo statt. Aus Gesichtspunkten des Branding vielleicht sinnvoll aber angesichts des sympathischen Studios, von dem man weniger als möglich zu sehen bekam, schade. Auf einen herrlich bösen Beitrag über Johnny Depps scheinbar nicht ganz nüchternen Auftritt bei den Filmfestspielen in Venedig folgte weiterer Promi-Klatsch. Die Rubrik „Unser Tag - Stars“ lässt sich jedoch nur sperrig anmoderieren, wie sich zeigte.

Schnell noch ein Überraschungskonzert mit Namika („Lieblingsmensch“) verlost, folgte wieder etwas Service: Ein Umkleidekabinen-Vergleich. Mit dem gleichen Kleid in drei Umkleidekabinen sollte demonstriert werden, dass das Licht entscheidenden Einfluss darauf hat, wie wir uns vor dem Spiegel im Geschäft gefallen. So weit, so gut. „Der Unterschied ist deutlich zu erkennen“, sagt die Stimme aus dem Off nach der zweiten Kabine. Die Stimme vor dem Fernseher, ich, antworte: Nö. Erst kurz vor Schluss des Beitrages bekam der Zuschauer bzw. die Zuschauerin dann mit einem direkten Bildervergleich die Gelegenheit, diese Behauptung auch nachvollziehen zu können.

Trotz Einordnung einer Styling-Expertin war der Beitrag leider nicht selbsterklärend. Ein wirklich der Aha-Effekt blieb aus - wenn man von einer eigentümlichen Argumentation der Expertin absieht, die erklärte: Geschäfte sparen gerne an gutem Licht und Spiegel in den Umkleiden, weil die Geld kosten. Das ist die erste „Expertin“ die behauptet, Geschäfte würden ihre Läden absichtlich so gestalten, dass die Kundschaft nicht kaufen möchte. Weniger strittig weil belanglos aber charmanter Rausschmeißer am Ende von 25 Minuten Magazin: Ein Top3-Countdown, der in der Premiere von „Unser Tag“ mit den schönsten Internet-Männern und ihren Geschichten gefüllt wurde. Ein bisschen Ranking geht immer.

Nach der dann folgenden Schalte zu den „Sat.1 Nachrichten“ in Berlin bleibt als Fazit nach der Premiere von „Unser Tag“: Die Zutaten stimmen grundsätzlich und die Mischung ebenfalls. Woran es hakt ist ein Stück weit die Inszenierung und Aufbereitung. Übergänge sind noch etwas ruppig, mancher Beitrag zudem nicht rund und Moderatorin Mara Bergmann hat als kurzangebundene Stichwortgeberin für die Beiträge kaum Chancen sich zu beweisen. Ein Thema weniger, etwas mehr Studio-Atmosphäre - es würde „Unser Tag“ dem erklärten Ziel, das Sat.1-Publikum nach einem langen Tag mit einer relevanten Themenmischung dennoch gemütlich ankommen zu lassen im Abend, etwas näher kommen.

Bei einem täglich live produzierten Magazin bleibt nun Tag für Tag die Gelegenheit zum Feintuning. Ob das Publikum noch ausreichend Bedarf hat an solcher Magazin-Unterhaltung bei Sat.1, steht auf einem anderen Blatt. „Unser Tag“ ist sicher in dieser Form kein Einschaltprogramm. Die Zeiten in denen private und öffentlich-rechtliche Sender am Vorabend tagesaktuelle Formate versprachen über die die Nation reden werde, sind vorbei. Funktioniert zuvor die neue tägliche Serie „Mila“, dann liegt das Minimalziel für „Unser Tag“ darin, danach die Zuschauer zu halten. Wenn das gelingt, so besteht die Kür in den kommenden Monaten, eigene Akzente und vielleicht auch Themen zu setzen.

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