Das ist natürlich ärgerlich, wenn plötzlich alle Recht haben, die ihn schon immer unterirdisch fanden – aber dieses eine Mal konnte Oliver Pocher wirklich nichts dafür. Bis zum Hals steckt der Moderator im sauerländischen Moos, als ihn das Filmteam von einer Sekunde auf die andere wegen Bombenalarm im Wald stecken lässt, wo er vorher für ein Rollen-Casting eingebuddelt wurde. Pocher brüllt: "Holt die Scheißschaufel und buddelt mich aus!" Aber stattdessen kommt bloß ein Mann im Bombenschutzanzug angeschlurft, zündet hinter Pochers, ähm, Nacken ein Knallfroschfeuerwerk und sorgt dafür, dass dem Veräppelten, der sich eigentlich bei einem Film-Casting wähnt, so richtig das Herz in die tiefergelegte Hose rutscht.
Dann erlöst Jochen Schropp den Kollegen endlich, nimmt sich die Schutzmaske vom Gesicht und erklärt dem mittelbegeisterten Pocher: War doch alles bloß Spaß!
Fast anderthalb Jahrzehnte ist es her, dass Sat.1 zum letzten Mal zur großen Reinleg-Show lud, damals noch unter dem Titel "Rache ist süß" und mit Kai Pflaume. Der hat sich längst aus dem Staub gemacht, aber weil es bei alten Ideen nicht so auffällt, wenn man sie noch ein bisschen älter werden lässt, darf nun eben Schropp als Anschlussverwendung für seine doch noch rechtzeitig gefloppte ProSieben-Quälshow "Himmel oder Hölle" nun beim Schwestersender etwas familientauglicher "Die große Revanche" moderieren.
Weil Versteckte Kamera irgendwie altmodisch klingt, hat Schropps Runde prominenter Lockvögel die Streiche kurzerhand zu "Pranks" (englisch für, nun ja: Streich) umlackiert, nur wenige Wochen bevor ProSieben-Heimkehrerin Lena Gercke in ihrer Abendshow "Prankenstein" dasselbe vorhat und kurze Zeit nachdem Palina Rojinski in "The Big Surprise" sich damit bereits vergeblich auf ganz normale Leute zu spezialisieren versuchte.
Um das von dieser Spitzenidee bereits genug belastete ProSiebenSat.1-Publikum nicht zusätzlich mit Originalitäten zu belasten, ist die "Revanche"-Redaktion einfach auf Nummer sicher gegangen und hat zum Auftakt eben Pocher im Erdreich versenkt. Da kann ja nun wirklich niemand was dagegen haben. "Der polarisiert halt extrem", meinte Kumpel Simon Gosejohann, der neben Schropp mit Max Giermann und Christine Henning an einem übergroßen Tisch in einem übergroßen Studio herumsaß, wo den ganzen Abend nicht viel mehr lief als ein paar Filmchen hinten auf der Leinwand – und halt Oliver Pocher.
"Die Rolle hab ich wohl nicht bekommen", scherzte der Veräppelte in der kurzen Nachbesprechung über das gefakte Casting, zu dem er sich für die "Revanche" locken ließ. Und Schropp entgegnete: "Du bist bei Sat.1 gelandet!" Mit dieser Art Strafe kennt sich Pocher immerhin aus.
Und es ist ja auch völlig okay, wenn jeder Sender darauf besteht, seine eigene Versteckte-Kamera-Show haben zu wollen, um auf dem Pausenhof nicht von den anderen ausgelacht zu werden. Warum darunter aber ganz normale Menschen – und nicht nur haubtberuflich prominente – zu leiden haben, ist bislang ungeklärt.
Moderatorin Christine Henning (die Sie vielleicht schon bei "The Taste" ignoriert haben) durfte die eifersüchtige Freundin eines Typen mit einem Hypnose-Flirt zur Weißglut treiben, weil sich ihr Typ für ihre Eifersucht rächen wollte. Wie man das halt so macht in einer guten Beziehung. Und entweder hat Sat.1 das im Film zum Schluss mühevoll wieder versöhnte Paar nachher gar nicht erst ins Studio eingeladen, weil die beiden danach sowieso getrennte Wege gingen. Oder die Szene ist kurzerhand rausgeschnitten worden, damit der Hypnotiseur noch schnell ein paar neutrale Saalzuschauer quatschfernlenken konnte.
Simon Gosejohann blamierte später einen Stand-up-Hobbyentertainer auf der Bühne, weil dessen Freundin blöd findet, dass er so ein großes Ego hat. Und bei einem inszenierten Eko-Fresh-Videodreh brachte Max Giermann als Lederjacken-Musikmanager einen Polizisten-Papa an seine Grenzen, weil der mit ansehen musste, wie seine Teenager-Tochter vom Künstler gnadenlos angebaggert wurde, um sie nach einer Spontan-Tätowierung ins Bett zu kriegen. "Den ganzen Aufwand nur, um mich zu verarschen? Ich fall um", ächzte der Vater nach seiner Aufklärung. Ja, und: Wieso nochmal? Weil er immer frech zur Tochter ist, die sich dafür schämt, dass er so extrovertiert tanzt – so lautete zumindest die Erklärung des "Revanche"-Teams. (Vater und Tochter glänzten ebenfalls durch – schnittbedingte? – Abwesenheit.)
Das muss man vermutlich nicht verstehen. Aber nach dieser Definition dürfte immerhin das Rachepotenzial in deutschen Haushalten beachtlich und der "Großen Revanche" eine blendende Zukunft beschert sein. Irgendwer wird sich bestimmt heute beim Sender melden, um sich dafür revanchieren zu wollen, dass er von seinem Partner oder seiner Partnerin an einem tollen Freitagabend mitten im Sommer dazu gezwungen wurde, Sat.1 einzuschalten und sich dort eine zweistündige Show anzusehen, die auch prima in die Hälfte der Zeit hätte erledigt sein können.
Aber hey, Sat.1, nicht ärgern: Ist doch alles bloß Spaß!