Als Frank Elstner erstmals "Topp, die Wette gilt" sprach, hätte wohl selbst er kaum für möglich gehalten, dass es die Show, die er erfand, auch drei Jahrzehnte später noch geben würde. Tatsächlich gingen seit jenem Abend im Februar des Jahres 1981 mehr als 200 Ausgaben von "Wetten, dass..?" über den Äther. So gesehen wirkt es also gewissermaßen unwirklich, dass diese Sendung, die über eine derart lange Zeit hinweg die erfolgreichste Europas war, seit dem späten Samstagabend endgültig Geschichte ist. Keine Baggerwetten mehr, nie wieder Hollywood-Stars, die schnell zum Flieger müssen. An diesen Gedanken wird man sich erst noch gewöhnen müssen. Markus Lanz kam die undankbare Aufgabe zuteil, "Wetten, dass..?" zu Grabe zu tragen. "Wir sind dankbar, dass wir Teil der 33-jährigen Geschichte sein durften", sagte er kurz vor Mitternacht mit Tränen in den Augen, bevor der letzte Vorhang fiel. "Das Leben geht weiter - wetten, dass?"
Wer jedoch alleine Lanz die Schuld gibt für die schon im Frühjahr beschlossene Absetzung, macht es sich gewiss zu einfach. Gut möglich allerdings, dass Lanz das Ende beschleunigte. "Wetten, dass..?" und Thomas Gottschalk - das war über Jahre hinweg die perfekte Symbiose. Alleine Gottschalks unnachahmbarem Witz und seiner Unbekümmertheit hatte es das ZDF zu verdanken, dass nicht schon viel früher auffiel, wie sehr dieser Samstagabend-Klassiker aus der Zeit gefallen war. Selbst in der schwersten Stunde von "Wetten, dass..?", dem tragischen Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch, stellte Gottschalk seine Größe unter Beweis, indem er die richtigen Worte fand. Was folgte, waren Gottschalks nicht enden wollender Abschied, eine noch längere Nachfolger-Suche und eine schier unendliche Debatte über Markus Lanz, nebst lächerlicher Floskel-Zählung und bis zur Unerträglichkeit aufgebauschter Katzenmützen-Erregung. Ein würdiges Ende sieht gewiss anders aus.
Dass sich Samuel Koch am Samstag noch einmal auf jene Bühne wagte, die sein Leben und letztlich in gewisser Weise auch die Show so sehr veränderte, war dann aber doch ein versöhnlicher Schlussstrich unter 33 Jahre "Wetten, dass..?" - auch wenn sich Lanz während des kurzen Gesprächs mit Koch sichtbar schwer tat, die richtigen Worte zu finden. Dabei hatte es ihm Koch zunächst eigentlich leicht gemacht, indem er versuchte, der Situation mit Humor zu begegnen. Bei seinem letzten Auftritt habe er sich nicht richtig verabschieden können, betonte er und ergänzte beinahe trocken: "Ich hatte einen steifen Hals."
Ansonsten ließ sich auch in der letzten Ausgabe nicht verbergen, dass die ZDF-Show mit der Zeit reichlich Patina angesetzt hat. Wotan Wilke Möhring als Weihnachtsmann - eine bessere Idee ist der Redaktion für die letzte Wetteinlösung offensichtlich nicht eingefallen. Und auch jener Punkt, an dem Elton Leberwurst auf der Backe klebte, wird ganz sicher ebenso wenig in die Geschichtsbücher eingehen wie der Versuch von Otto Waalkes und Michael "Bully" Herbig, ein paar halbgare Sätze vom Englischen ins Deutsche zu übersetzen - wofür sie fragende Blicke von Hollywood-Star Ben Stiller ernteten. Nein, Must-See-TV war "Wetten, dass..?" zum Schluss längst nicht mehr. Da passt es gut ins Bild, dass Olli Dittrich, der zum Abschied noch einmal in die Rolle des Moderators der Außenwette schlüpfte, nach dem Auftritt der Fantastischen Vier zu Beginn der Final-Ausgabe fragte, ob die Show jemals zuvor von einem Music-Act eröffnet worden sei - obwohl das in den beiden Lanz-Jahren tatsächlich häufiger vorkam.
Doch wieso sollte es Dittrich anders gehen als so vielen Zuschauern, die der über Jahre hinweg unantastbaren Samstagabend-Instanz mittlerweile längst den Rücken zugewendet hatten? Zuletzt erreichte "Wetten, dass..?" schließlich kaum mehr Zuschauer als Kai Pflaumes ARD-Show "Klein gegen Groß", die ja eigentlich nichts anderes ist als eine Mini-Version von "Wetten, dass..?". Eine Schande ist das Aus einer Fernsehshow nach über 33 Jahren aber gewiss nicht, zumal Markus Lanz mit "Wetten, dass..?" selbst in der Endphase noch mehr Zuschauer vor den Fernseher lockte als Thomas Gottschalk und Günther Jauch zusammen. Beide sind inzwischen bei RTL in einer gemeinsamen Show zu sehen, vermitteln darin aber stets den Eindruck, als wüssten sie selbst nicht so recht, was sie dort gerade eigentlich tun. Und dann ist da auch noch Dieter Bohlens gefühlsduselige "Supertalent"-Suche, die "Wetten, dass..?" zwar überlebt hat, sich unterm Strich aber bereits nach sieben Jahren totgelaufen hat.
Ganz nebenbei war "Wetten, dass..?" zudem - aller Unkenrufe zum Trotz - offenbar noch immer erfolgreich genug, um die komplette Presselandschaft über Wochen hinweg in Aufruhr zu versetzen. Überfällig war die Einstellung dennoch allemal. Nun kann man dem ZDF freilich vorwerfen, man habe in den vergangenen Jahren nur sehr halbherzig versucht, frischen Wind auf die "Wetten, dass..?"-Bühne zu bringen. Selbstverständlich kann man auch Markus Lanz ankreiden, es bis zuletzt nicht geschafft zu haben, "Wetten, dass..?" seinen Stempel aufzudrücken. Man kann sich aber auch ganz einfach über viele schöne Stunden freuen, die diese Sendung dem deutschen Fernsehen über Jahrzehnte hinweg beschert hat. Ob "Wetten, dass..?" wirklich mit Playback-Gesang des Grafen aufhören musste, sei aber mal dahingestellt.
Traurig ist letztlich aber ohnehin nicht das Ende dieser Ära, das gewissermaßen schon zu Gottschalks Zeiten absehbar war, sondern allenfalls die Gewissheit, dass alles, was im Show-Bereich in Zukunft kommen mag, mindestens eine Nummer kleiner ausfallen wird. Wetten, dass?