Hoff: Einen fröhlichen guten Sonntagmittag, Herr Schader, oder wie man in Ihren schläfrigen Kreisen wohl so wendlerisch sagt: Good morning in the morning. Ich würde mit Ihnen, wenn Sie wieder aus den Klüsen schauen können, gerne reden über die einem großen deutschen Fernsehmoment gewidmete Mertesacker-Frage "Wat wolln se?" Wer war da im Juli jetzt der Doofe? Der Fernsehmann? Oder der Fußballer? Oder das ganze System der Interviews direkt nach dem Spiel?
Schader: Die "Fernsehgarten"-lose Zeit bekommt Ihnen aber gar nicht, Herr Hoff. So früh wach und schon am Stänkern? Ich halt's da ganz mit der ZDF-Schlappenverschenkerin Katrin Müller-Hohenstein und frag zurück: "Was macht das Schafkopfen?" Oder, anders gesagt: Wenn das Zweite beim nächsten Turnier seine Werbepausenpausenfüller Berti, Conni und Det als Interviewer ins Camp der deutschen Mannschaft schickt, kann's eigentlich nur gehaltvoller werden. Wo waren Sie denn beim Public Viewing?
Hoff: Werter Herr Schader, Sie könnten wissen, dass ich für öffentliche Leichenbeschau nicht zur Verfügung stehe. Mir reicht da der frühe Blick in den Spiegel.
Schader: Die Gags auf Ihre Kosten mach hier immer noch ich!
Hoff: Scherz beiseite. Wo Sie gerade von Katrin Müller-Hohenstein sprechen, ich denke in diesen Tagen manchmal an Conchita Wurst und überlege, ob neben der Fußball-WM nicht auch der Eurovision Song Contest zu den Fernsehgroßereignissen des Jahres gehört. Ich habe ehrlich gesagt, an diesem Abend richtig mitgefiebert. Das war mal ein sehr schöner Moment der Spannung. Auf mich wirkte es für ein paar Stunden so, als ginge es um etwas. Leider hat sich das ja inzwischen erledigt. Als ich kürzlich Conchita Wurst auf der "Wetten, dass...?"-Couch sah, dachte ich nur: "Ach, hat die Lena sich aber verändert."
Schader: Wir dürfen nicht immer nur über die schimpfen, die uns vor der Kamera mit ihrer Anwesenheit zu beglücken versuchen. Verstehen Sie zum Beispiel diese Tendenz zum Nautischen, die Fernsehmacher bei Interviews in ihren Fachschwurbel mischen? Ständig redet irgendwer davon, dass er "Leuchttürme" im Programm haben will! (Wär's nicht besser, gutes Programm im Programm zu haben?) Öffentlich-rechtliche Sender sind unbewegliche "Tanker"! Und Katja Hofem von ProSiebenSat.1 hat im DWDL-Interview vor wenigen Monaten über ihren Ex-Sender kabel eins gesagt, er sei ein "größeres Schiff", "das auch für eine minimale Kursänderung einen größeren Radius braucht". (Oder jemanden an der Spitze, der nicht in Rätseln redet.) Beim ZDF ist das Fernsehen sogar noch eine Scheibe! Programmchef Norbert Himmler redet jedenfalls ständig von "Programmrändern", an denen er mutig sein will. Und seine ZDFneo-Kollegin glaubt, ihr Kanal sei wegen seiner drei "Programmsäulen" so erfolgreich. (Noch erfolgreicher wäre er, glaub ich, wenn man ihn einfach ehrlicherweise in ZDFkrimi umbenennen würde.) Das ist doch unerträglich!
Hoff: Herr Schader, holen Sie mal Luft, sonst muss ich hier alleine weitermachen!
Schader: Ach, ist doch wahr. So ein Sprachkorks. Wissen Sie, wer der größte Nautiker der Branche war? Jochen Starke! Der hat immer gesagt: "RTL II ist wie ein Schnellboot, das ganz schnell wenden und den Kurs anpassen kann." Hat dieses Jahr beim Kursanpassen auf dem Schnellboot aber aus Versehen Kiel geholt. Jetzt steuert ja der Andreas Bartl weiter. Und der hat gleich versprochen: "Ich will ein Klima schaffen, in dem Leuchttürme möglich werden." Meine These ist ja eher: Trash schwimmt oben.
Hoff: Zu Ihrer Nautik-Theorie täte ja passen, dass in diesem Jahr der Grimme-Preis-Chef Uli Spies abging. Der mochte es, wenn man ihn Leuchtturmwärter nannte. Er hatte auch ganz viele Leuchtturmbilder in seinem Büro stehen.
Schader: Da zieht doch bald der Grimberg ein! Der musste damals in den tiefsten Nuller Jahren meine erste "taz"-Fernsehkritik Korrektur lesen. (Die ist inzwischen offiziell per Dissertation und völlig zurecht für scheiße befunden worden!)
Hoff: Erstaunlich, Herr Schader, was Sie alles mitgemacht haben. Aber im Ernst: Leuchttürme sind wichtig. Ich wünsche mir auch immer, dass mein "Hoff zum Sonntag" rettend ausstrahlt auf jene, die in wilder See Orientierung suchen. Aber nochmal im Ernst. Ist mit dem Aus für den Fernsehpreis jetzt eigentlich der größte aller Leuchttürme umgefallen?
Schader: Es ist zumindest bedauerlich, dass damit künftig auch die kategorialen Kreativverrenkungen entfallen. Ich erinnere mich gerne zurück an den Telenovela-Preis "Beste Tägliche Serie" (2005), die beste Kochsendung und den besten TV-Coach (2007) sowie "Beste Ausländische Sendung" (1999). Aber, hey, Sie haben da doch jedes Jahr am Buffet gehangen. Wahrscheinlich aus purer Gehässigkeit, damit die Fernsehleute einen großen Bogen um Sie machen und verhungern müssen. Hat unser tolles Fernsehen Ihrer Meinung nach etwa keinen Preis verdient?
Hoff: Ginge es nach den Gestalten, die da regelmäßig nach der Gala Kampfrauchen im Coloneum-Foyer geübt haben, würde ich sagen, die haben alle keinen Preis verdient. Meistens waren die echten Preisträger ohnehin bald verschwunden, und übrig blieb, was Rang und Falten hatte. Ich habe da mal nachts um vier Lutz Marmor solo tanzen sehen. Da war ich bereit, die Kriterien in der Kategorie Ausdruckstanz nochmal zu überdenken. Aber jetzt sollten wir es mal gut sein lassen für diese Woche.
Schader: Kampfrauchen jetzt?
Hoff: Nächsten Samstag verrate ich Ihnen dann vielleicht, was mein schönster Fernsehmoment 2014 war. Außerdem sollten wir mal über das diskutieren, was man im Fernsehen die junge Garde nennt, also Joko & Klaas und Böhmermann und Kebekus und so weiter. Bis dahin!