Schader: Herr Hoff, was machen Sie hier? Samstags kommt meine Kolumne. Sie sind sonntags dran. Oder setzt jetzt langsam die Vergesslichkeit ein?
Hoff: Immer langsam, Herr Kollege. Auftrag von ganz oben: Wir blicken auf ein Jahr zurück, in dem so vieles schlecht war und so wenig gut gegangen ist. Sie wissen schon: Draufhauen, wo es nötig ist. So wie einst Bud Spencer und Terence Hill. Ich bin Bud Spencer, Herr Schader.
Schader: Können wir bitte auf Bauchumfangmessungen verzichten?
Hoff: Schlagkraft, Herr Schader! Meine verbale Schlagkraft ist berühmt. Aber sagen Sie doch einfach mal: Was war Ihr drittschönster Fernsehmoment des Jahres? Drittschönster, damit es spannend bleibt.
Schader: Ich nummeriere meine schönsten Fernsehmomente nicht durch, Herr Hoff, ich behalte Sie ganz tief im Herzen, um mich in den kühlen Stunden des Mario-Barth-Shows-Ansehens gedanklich daran zu wärmen. "Projekt Hühnerhof" war für mich so ein Moment: Dirk Steffens ist für die ZDF-Dokumentation selbst zum Geflügelzüchter geworden, hat 2500 Küken großgezogen und sich während dieser Zeit angesehen, wie die Aufzucht unter Bio-Bedingungen im Vergleich zur konventionellen in der Geflügelindustrie funktioniert. Damit die Discount-Kunden einen möglichst günstigen Vogel auf den Teller kriegen. Das war ziemlich erschreckend. Vor allem fand ich's aber stark, dass Steffens sich auf den Rollenwechsel eingelassen hat – weil er dafür die sichere Position des Reporters aufgegeben und sich auch ein Stück weit angreifbar gemacht hat. Genau deshalb hat "Projekt Hühnerhof" meiner Ansicht nach aber funktioniert: Es ging nicht um Selbstinszenierung, sondern darum, zu erzählen, wie sich die eigene Perspektive verschiebt, wenn man so nah an einem Thema dran ist. Ich mag solches Ausprobier-Fernsehen sehr gerne, weil es lehrreich und unterhaltsam sein kann. Die Briten machen das schon eine ganze Weile. Toll, dass es das jetzt auch bei uns gibt. (Die Sendung ist noch in der Mediathek verfügbar.) Da hab ich mehr davon als bei jeder komischen neuen US-Serie.
Hoff: Mit Verlaub, Herr Schader. Da haben Sie aber völlig vergessen, dass in diesem Jahr auch die zweite Staffel von "House Of Cards" erschienen ist. Das wäre definitiv mein drittschönster Moment in diesem Jahr. Aber kommen wir doch mal zu den Furchtbarkeiten: zu "Mord mit Aussicht". Das war mal meine Lieblingsserie, ist aber nun leider verkommen zum öden Caroline-Peters-guckt-blöd-Panoptikum. Schon lange habe ich mich nicht mehr so geärgert wie über diese Verirrung.
Schader: Sie Verräter! Ich liebe "Mord mit Aussicht"!
Hoff: Das ist inzwischen schlimmster Komödienstadl.
Schader: Gut, ich geb zu: Die neue Staffel hat Schwung eingebüßt. Aber ich hab da einen schlichten Humor. Wenn sich Bjarne Mädel als Polizist Schäffer jedes Mal im Vorspann die Buttermilch in Bartform ins Gesicht kippt, weil Caroline Peters als Kommissarin gerade vollgebremst hat, bin ich schon versöhnt. Und denken Sie doch bloß mal an all das hausgemachte Elend, das es sonst zu sehen gibt. Ich zitter immer noch am ganzen Leib, wenn ich daran denke, dass ich die Sat.1-"Schlikkerfrauen" komplett gesehen habe. Die ganzen öden 90 Minuten, die ohne den Hauch einer Handlung ausgekommen sind! Oder um's mit Ihren Worten zu sagen: Ein Katharina-Thalbach-und-Sky-Du-Mont-gucken-blöd-Panoptikum! Meinen Sie, es ließe sich staatsvertraglich verbieten, dass die UFA die Zeitgeschichte weiter in Tragikomödien verhunzt?
Hoff: Ach, Herr Schader, da würde ich mal flugs dagegen halten mit Helmut Thomas komplett missglückten Versuch, die seligen Giga-Zeiten wieder aufleben zu lassen. Nix TV heißt das und ist genau so: Pubertierende Bildschirmgucker schauen auf Bildschirme und erzählen, was sie auf dem Bildschirm sehen. Das ist in etwa unterhaltsam wie ein abgerissener Zehennagel.
Schader: Bevor wir hier Krankheitsgeschichtenquartett spielen, sagen Sie doch lieber was zum letzten "Wetten, dass...?"!
Hoff: Wen interessiert das denn? Dann doch besser Dschungelcamp. Obwohl: Larissa und... Mist, mir fällt sonst niemand mehr ein, der da rummachte. Wer hat da noch mal gewonnen? Sie sind doch sonst so klug, Herr Schader.
Schader: Herr Hoff, Klugheit definiert sich nicht über die Erinnerung an Dschungelinsassen.
Hoff: Ich erinnere mich noch, dass mir der RTL-Dschungel gefallen hat während ich "Promi Big Brother" eher als milde Form der Sterbehilfe für anspruchslose Zuschauer eingestuft habe.
Schader: Es gibt da eine San-Andreas-spaltenbreite Diskrepanz zwischen Medienkritikern auf der einen und Sender, Produktionsfirma und Zuschauern auf der anderen Seite: In diesem Jahr haben genügend Leute eingeschaltet, also glauben Sat.1 und Endemol, sie hätten eine gute Show produziert. Ich bin da natürlich ganz auf Ihrer Seite, Herr Hoff: Ich find diese billigen Streitprovokationen ziemlich anstrengend. Am erstaunlichsten ist aber, wie schwer sich eine Produktionsfirma mit so vielen Jahren Übung tun kann, aus dem Rohmaterial Geschichten zu machen, die über einen blöden Gag oder ein entblößtes Körperteil hinausreichen. Mir macht "Promi Big Brother" einfach keinen Spaß. Aber vielleicht schlagen Sie dem Helmut Thoma vor, dass der nächstes Jahr einzieht? Dann guck ich auch bestimmt.
Hoff: Mit Verlaub, Herr Schader, Sie sollten witziger werden. Wir versuchen das ganze morgen nochmal.
Schader: Herr Hoff, es war mir eine Ehre. Gucken Sie heute Abend auch "Supertalent"-Halbfinale? Herr Hoff? Hallo? Sind sie noch da?