Slomka und Gabriel, so kann man nach diesem Abend sehr klar sagen, werden so schnell keine Freunde mehr. Dabei müsste sich Slomka eigentlich noch bedanken beim SPD-Chef, denn mit seinem Auftritt im "heute journal" hat er ihr ein wichtiges Kapitel im Karrierebuch geschrieben. Sie war es, die zu Beginn eines siebenminütigen Interviews nach eventuellen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf den SPD-Mitgliederentscheid fragte, und er tat ihr den Gefallen pampig zu werden. "Lassen Sie uns diesen Quatsch beenden" keifte er, aber Slomka ließ nicht locker. Sie hakte nach, was ihn so sehr erregte, als habe er gerade jemanden beim Pinkeln gegen ein Willy-Brandt-Denkmal erwischt. Dann unterstellte er ihr noch, sie habe ohnehin etwas gegen die SPD, suchte also sein Heil auf genau jenem Irrweg, den Politiker gern beschreiten, wenn sie nicht mehr weiter wissen.
Die Folge war an diesem Freitag ein großes Heulen im medialen Wald. Die einen geißelten Slomka als böse Hexe, die anderen sahen Gabriel als Sinnbild des arroganten Politikers. Nun ist Slomka keine Hexe und Gabriel möglicherweise nicht ganz so arrogant wie er wirkt. Trotzdem war eine Menge zu erfahren bei diesem Schlagabtausch. Selten zuvor sind einem Politiker so brutal die neuen Kleider vom Leib gerissen worden. Wer Vergleichbares sucht, muss schon zurückgehen bis zum Aufeinandertreffen von Gerhard Schröder und Nikolaus Brender in der legendären Elefantenrunde. Slomka hat ein Interview geführt, was im Wortsinne ja die Zwischensicht ermöglichen soll, und eine sehr besondere Zwischensicht hat dieses Gespräch ja nun unbestreitbar geboten.
Wer Gabriel gesehen hat, weiß nun ein bisschen besser, was er von ihm zu halten hat. Ein Politiker, der die Maske fallen lässt, ist eben besser als jene Gestalten, die ansonsten in "Tagesthemen" und "heute journal" pseudokritisch abgefragt werden. Dass Slomka keine Antworten auf ihre eigentlichen Fragen bekommen hat – wurscht. Darum ging es schon sehr schnell nicht mehr. Mit zunehmender Dauer des Interviews waren die Fragen nur noch das Vehikel auf dem Weg zum echten Bild des Sigmar Gabriel. Trotzdem fällt es schwer, Slomka ausdrücklich für ihr Tun zu loben. Sie hat nämlich nur etwas sehr Normales gemacht: ihren Job. Eher gibt das Gespräch schon Anlass, zu fragen, was sonst so schief läuft in Fernsehinterviews mit Politikern. Da gibt es jede Menge Verbesserungsbedarf. Aber vielleicht kann die SPD-Basis darüber gleich mit abstimmen.